Kleines Geld, große Wirkung: Der 8-Euro-Zusatzteller vom Wörthersee lässt die Wogen hochgehen. Und zeigt, einmal mehr, wie das Thema Gastronomiepreise sensibilisiert und wie schnell man sich hier sogar an leeren, kalten Tellern die Finger verbrennen kann.
Kurzer Rückblick: Das Posting des Meinungsforschers Christoph Haselmayer, dessen Bruder im Okto Dining in der Pörtschacher Villa Miralago 8 Euro für einen leeren Zusatzteller zum Beef Tatar bezahlt hatte, ging blitzartig, von „Bild“ über „Focus“ bis „Stern“, in zig Medien viral und schaffte es sogar auf die Titelseite der renommierten Wochenzeitung „Die Zeit“. Wobei der Anreißer des Postings – „Kärntens Tourismus ist größtenteils zum Kotzen“ – zumindest fragwürdig ist. Warum soll Kärntens Tourismus zum Kotzen sein, wenn ein einziges (!) von Hunderten Lokalen am Wörthersee seine Gäste für den Leertellerservice bezahlen lässt? Haselmayer dazu: „Ja, das war überspitzt, ich wollte eine Diskussion über Missstände und Versäumnisse im Kärntner Tourismus lostreten.“
Abzocke, Frechheit, Provokation
Diskutiert wird seither heftig – allerdings geht es in Meinungsforen, Diskussionsrunden, an Theken bisher eher nur um die Frage, ob 8 Euro für einen leeren Teller gerechtfertigt seien. Verteidigt wird der Aufpreis vom Wirtevertreter der Kammer, einigen Touristikern und einzelnen Wirtekollegen, die deutliche Mehrheit der Postings und Meinungen von Gästen kommentiert die 8 Euro kritisch, von Abzocke über Frechheit bis Provokation ist da alles dabei, auch nicht Zitierbares. Und der Humor wurde beflügelt: Im Internet kursieren, von Serviettenfaltabgabe bis Luftholsteuer, weitere Aufpreisideen, Kleine-Zeitung-Denkzettler Georg Lux kürte mit „Gefühlte Abzockini“ wohl DAS (Jux)Gericht zur Affäre.
Hubert Wallner, bestbewerteter Koch Kärntens, forderte, dass „bei uns der Gast König sein muss“ – wobei auch das nicht ohne ist. Könige gelten generell als betucht, das könnte der eine oder andere Kollege bei der Preisgestaltung falsch interpretieren. Peter Haas, mit mehreren Lokalen und 180 Mitarbeitern einer der größten Wirte Kärntens, fragt: „Wie kann man nur auf so eine Idee kommen? Gastronomie hat doch viel mit Atmosphäre zu tun, bei uns zählt der Wohlfühlfaktor. Ich finde es auch falsch, für ein Glas Wasser etwas zu verlangen.“
2,50 Franken für einen Extra-Löffel, 20 Cent pro Eiswürfel
Im europäischen Umfeld ist zur 8-Euro-Causa wenig Vergleichbares zu finden. Die Internetrecherche führte in ein Restaurant am Zürcher See, das 10 Franken Aufpreis für die besten Seeblickplätze verlangt. Und in ein Ausflugslokal in Oberägeri, das einen Zusatzteller beim Dessert mit 4,50 Franken bzw. einen zweiten Dessertlöffel (wenn man sparfreudig keinen Teller nimmt) mit 2,50 Franken verrechnet, allerdings entfällt das bei einer Konsumation von über 80 Franken. Am Comersee verlangte eine Wirtin zwei Euro für das Teilen eines Sandwiches, auf Mallorca wurden Eiswürfel pro Stück mit 20 Cent berechnet. In Österreich liest man vereinzelt von Pizzerien, die das Teilen der Pizza auf zwei Teller mit ein bis zwei Euro berechnen – ein kurzer Rundruf in Kärnten brachte diesbezüglich einige „wir verrechnen nichts“. Wirtesprecher Stefan Sternad hat das aber „als Gast schon mehrmals erlebt“ und auch selbst als Wirt verlangt, als er in seinem ehemaligen Veldener Lokal noch Pizzen anbot.
Für mehr Aufregung sorgt zeitweise verrechnetes Leitungswasser: „Wir haben am Wörthersee drei sehr teure Flaschen Wein getrunken, fürs Leitungswasser dazu wurden 7,50 € kassiert“, ärgert sich ein Klagenfurter Gastronom, „das geht doch gar nicht.“ Aber oft hört man auch: Trinke jemand NUR Leitungswasser, solle er für den Aufwand bezahlen, als Ergänzung zum Wein oder bei höherer Konsumation sei das aber nicht akzeptabel. „Wir waren zu zehnt in einem Gasthaus in Krumpendorf, haben dort gegessen, das Leitungswasser kostete aber extra. Das Lokal sieht uns nie wieder,“ sagte eine Bekannte im Zuge dieser Recherche.
Zum Umsatzbringer degradiert
Ja, Gastronomie ist eine Sache des Fingerspitzengefühls, die Gäste werden immer preissensibler. Und wenn ein Wirt im ORF verkündet, er benötige 80 bis 100 Euro Konsumation pro Gast, dann kommt das nicht so sympathisch rüber. Solcherart fühlt man sich unter Druck gesetzt und zum Umsatzbringer degradiert.
Andererseits ist besonders die Gastronomie mächtig unter Druck geraten. Die wichtigsten Punkte:
Produkteinkauf, Energie und Mieten sind massiv teurer geworden. Die Löhne sind gestiegen, aufgrund des Personalmangels verlangen gute Kräfte deutlich mehr Geld. Familiär sind schwer Nachfolger zu finden, Gastronomie ist aufgrund der Arbeitszeiten als Job nicht mehr so begehrt wie früher. Die Steuerbelastung ist hoch. Das Publikum ist preisbewusster geworden, viele Menschen wollen/müssen aufgrund der Inflation mehr sparen und kommen seltener oder gar nicht. Ein Teil des Publikums ist gesundheitsbewusster geworden, viele wollen vor allem abends weniger oder nichts essen. Neue Trends wie z. B. Sharing – also Gerichte zu teilen – oder mit Freunden zu Hause zu kochen, sind auch keine Umsatzturbos.
Jahresumsatz muss in fünf Monaten verdient werden
Am Wörthersee kommt für viele Wirte noch das Problem der kurzen Saison und der Wetterabhängigkeit dazu. Man sollte also in vier bis fünf Monaten das Geld fürs ganze Jahr verdienen – beim neuen Preisbewusstsein der Gäste wird das immer schwieriger. Das Problem von Preisdiskussionen ist kein neues: Auch in den Hochzeiten des Wörthersees, in den 70er und 80er Jahren, hatte Kärntens Paradesee mit dem nicht immer berechtigten Teuerimage zu kämpfen. Die Vergleiche mit Großstadtgastronomie waren und sind mit Vorsicht zu genießen – denn in der Stadt kann Gastwirt ganzjährig Geld verdienen, an Kärntner Seen – Ausnahme Weissensee – schafft er das nicht.
Imageschaden kostet mehr als 48 Euro
Immer wieder liest man von Konkursen oder Schließungen von Lokalen. In diese nicht unbedingt rosige Stimmung platzte letzte Woche ein veritabler Shitstorm, der aufgrund einer vermeidbaren Geschichte zumindest in der Außenwirkung ganz Kärnten betrifft. Vermeidbar heißt: Hätte das Servicepersonal den Gast beim Bestellen des zweiten Tellers auf den Aufpreis hingewiesen, wäre da wohl nichts eskaliert. Noch besser: Hätte der Wirt statt eines Aufpreises für Zusatzteller sein Tatar um einen Euro teurer gemacht, hätte das niemand gewusst und er hätte in Summe mehr eingenommen und dem Tourismus und der Gastronomie viel erspart. So kassierte er bisher nach eigenen Angaben etwa 48 Euro, der Imageschaden kostet wohl ein Zigfaches mehr. Auch die Krisen-PR ginge besser: Den Gästen auszurichten, dass sie selbst Schuld seien, wenn sie eine Speisenkarte nicht von A bis Z lesen, ist oberlehrerhaft und schlichtweg unrealistisch – außerdem ist der Begriff Räuberteller vielen nicht geläufig.
Nein, da ist einiges schiefgelaufen und man sollte im Interesse der Kärntner Gastronomie, die da größtenteils unschuldig zum Handkuss kommt, jetzt nicht auf beleidigt und stur schalten, sondern mehr über eine Gastronomie mit Augenzwinkern und über Wohlfühlfaktoren für die Gäste nachdenken. Der ACHTsamkeitsteller der Kärnten-Werbung ist da ein erster Versuch.
Heinz Grötschnig