Im Juli wurde über eine Bau GmbH Konkurs eröffnet. Die AK WIen stellte daraufhin für 114 Beschäftigte Insolvenzanträge in Höhe von mehreren hunderttausend Euro. Etliche Arbeiter waren nach der Beendigung ihrer Dienstverhältnisse aber auf denselben Baustellen im Einsatz – nun allerdings für eine neu gegründete GmbH, mit derselben Adresse und denselben Eigentümern und Geschäftsführern wie zuvor – auch der Firmenname unterschied sich nur durch den Anfangsbuchstaben. Anders gesagt: „Aus Hanni wurde gewissermaßen Nanni“, erzählt Andrea Ebner-Pfeifer, Arbeitsrechtsexpertin in der Stabsstelle Betrugsbekämpfung der AK Wien.

Ein zweites Beispiel für Sozialbetrug gefällig? Ebner-Pfeifer nennt Lukas N., aktuell Geschäftsführer von 11 Unternehmen, neun davon seien im Firmenbuch als insolvent oder als Scheinunternehmen gekennzeichnet. „In 47 weiteren Unternehmen, in denen er in den letzten Jahren Geschäftsführer war, ist seine Funktion inzwischen gelöscht, knapp die Hälfte davon sind ebenfalls insolvent oder Scheinunternehmen.“ Die Beschäftigten wurden teils mehrfach zwischen Gesellschaften hin- und her gemeldet, um ihnen kein Geld auszahlen zu müssen. „Obwohl der Verdacht auf systematischen Betrug bereits 2023 aktenkundig war, ist es völlig legal, dass dieselben Personen weiterhin als Geschäftsführer fungieren und Arbeitnehmer einstellen.“

Ende 2023 hat die Arbeiterkammer Wien die Stabsstelle Betrugsbekämpfung eingerichtet, die systematisch gegen Sozialbetrug durch Unternehmen vorgeht, weil man gewissermaßen einen Schritt weitergehen wollte als in der täglichen Beratung, wo immer nur die Ansprüche einzelner Dienstnehmer geltend gemacht werden können, wie es bei der AK heißt. „In den vielen Jahren, in denen ich mich intensiv mit Sozialbetrug durch Unternehmen auseinandergesetzt habe, war ich immer wieder überrascht, mit wieviel krimineller Energie und Skrupellosigkeit mitunter vorgegangen wird“, erklärt Ebner-Pfeifer. Teilweise gelte es richtig Detektivarbeit zu leisten, um verschachtelte Firmenkonstrukte zu enträtseln oder dubiose Subunternehmerketten zu entwirren. Bei der Bekämpfung von Schwarzarbeit und Lohndumping stoße man immer wieder auf große Lücken bei der Rechtsdurchsetzung.

Mittlerweile wird die Stabsstelle, so die Bilanz nach bald zwei Jahren Tätigkeit, als Anlaufstelle wahrgenommen, um betrügerisches Vorgehen oder Auffälligkeiten zu melden – wie in einem konkreten Fall, in dem ein gekündigter Mitarbeiter die AK mit entsprechenden Belegen über systematisch gefälschte Abrechnungen seines ehemaligen Arbeitgebers informierte. „Die Firma konnte sich so auf Kosten der Mitarbeiter um zumindest 50.000 Euro pro Jahr bereichern. Die Stabsstelle wird daher bei den zuständigen Behörden eine umfassende Prüfung des Unternehmens anregen“, berichtet AK-Arbeitsrechtexperte Ludwig Dvořák. Seine Kritik lautet: „Leider wurde Unternehmen Sozialbetrug bis jetzt zu einfach gemacht – die Strafen sind zu gering und wirken nicht abschreckend.“ Ein Indiz dafür sei die Tatsache, dass die AK In sechs Fällen gegen ein und dasselbe Unternehmen mehrfach Anzeigen einbringen musste.

Strafen wurden gesenkt

Die Vorgängerregierung hat die Strafen für Lohn- und Sozialbetrug gesenkt. „Das Kumulationsprinzip, nach dem verhängte Strafen mit der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer multipliziert werden, wurde abgeschafft“, erklärt Dvořák. Laut Finanzpolizei betrage der Schaden für Steuerzahler und Sozialversicherung durch Sozialbetrug von Unternehmen allerdings alleine in der Baubranche 350 Millionen Euro jährlich. Betriebe, die ihre Beschäftigten beim AMS zwischenparken, würden die Arbeitslosenversicherung 700 Millionen jährlich kosten. „Diese Kosten fallen nicht nur der Allgemeinheit auf den Kopf und fehlen im Budget, sie schaden auch allen ehrlichen Unternehmen, die dadurch unfair verzerrtem Wettbewerb ausgesetzt sind.“ Der Befund von Ebner-Pfeifer und Dvořák lautet: „Sowohl Unterentlohnung als auch gezielte Insolvenzen sind ein Geschäftsmodell für dubiose Firmen.“

Maßnahmen, die gegen Lohn- und Sozialbetrug helfen würden

Die Regierung verhandelt gerade ein Betrugsbekämpfungspaket. Die Arbeiterkammer pocht unter anderem auf folgende Maßnahmen:

  • Haftung des Erstauftraggebers für Löhne – um Subunternehmerketten, an die die Verantwortung weitergegeben wird, zu verhindern.
  • Haftung des Auftraggebers für Sozialversicherungsbeiträge - im Baubereich gibt es sie schon
  • Höhere Strafen bei Lohn- und Sozialdumping – die Wiedereinführung des „Kumulationsprinzips“, der Europäische Gerichtshof hat wiederholt festgestellt, dass es zulässig ist, bei Begehung mehrerer Straftaten für jede einzelne Übertretung eine Strafe zu verhängen
  • Mehr Kontrollen
  • „Cooling-Off-Phase“ bei zweifelhafter Geschäftstätigkeit – Nach einer einschlägigen strafrechtlichen Verurteilung dürfen Geschäftsführer ihre Tätigkeit fünf Jahre lang nicht mehr ausüben. Aus Sicht der AK sollte diese Regelung auf Verwaltungsstrafen ausgeweitet werden, die wegen Lohn- und Sozialdumping verhängt wurden.

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