Mittwochmorgen im Osten der obersteirischen Stadt Kindberg, kurz nach 8 Uhr: Noch ist es ruhig rund um das künftige Asylquartier, das jederzeit den Betrieb aufnehmen kann. In einem ersten Schritt werden hier innerhalb der nächsten Tage – zwischenzeitlich war der 4. Februar im Gespräch – die ersten 25 bis 50 Flüchtlinge einziehen, die Gemeinde geht aktuell von einem Start in der nächsten Woche aus.

Im Vollbetrieb werden ab April 250 "vulnerable" Personen hier untergebracht sein, zuvor fand am Dienstagabend noch ein Informationsabend im Kindberger Volkshaus mit rund 150 Anrainern statt. Damit endet, zumindest vorerst, auch ein langer Prozess, der seit vergangenem Sommer geprägt war von Gerüchten, mangelnder Kommunikation und der Ungewissheit, was auf Kindberg zukommt.

1. Warum wird aus dem früheren Pflegeheim ein Asylquartier?
Der Bau aus 1900 stand seit Anfang 2018 leer. Schnell gab es Überlegungen für eine Nachnutzung in Form von Wohnbau oder Büros, ehe es im Frühjahr 2019 ein Grazer Immobilienunternehmen kaufte. Zu einer Umsetzung kam es nie, bis im vergangenen Juli die Pläne publik wurden, aus den 9470 Quadratmetern Nutzfläche ein Flüchtlingsheim zu machen.

2. Wie hat die Stadt Kindberg darauf reagiert?
Von Anfang an zeigten sich die vier Parteien SPÖ, ÖVP, FPÖ und KPÖ geeint, um gegen eine "menschenunwürdige Massenunterkunft" aufzutreten. Doch die Gespräche auf Landes- und Bundesebene blieben ebenso ohne Erfolg wie eine Unterschriftenaktion mit mehr als 2200 Unterstützern und ein Protestmarsch im November. Rund 250 Teilnehmer – darunter auch FPÖ-Landeschef Mario Kunasek – spazierten dabei vom Rathaus zum Flüchtlingsheim. Mitte Dezember veranstaltete FPÖ-Bundesparteichef Herbert Kickl eine Kundgebung in der Kindberger Innenstadt. Seit Mitte Jänner im Zuge eines Asyl-Gipfels zusätzliche Details ans Tageslicht kamen, blickt man zumindest seitens der SPÖ etwas optimistischer in die Zukunft. Bürgermeister Christian Sander hofft, dass die Versprechungen der BBU eingehalten werden, dann sei "ein gutes Miteinander" möglich.

3. Warum wehrt(e) sich Kindberg dagegen?
Da wäre zum einen die Entfernung, nicht einmal 1000 Meter Fußweg liegen zwischen dem Ortszentrum und dem Asylquartier. Gleichzeitig sieht man in Kindberg die östliche Obersteiermark ohnehin über Gebühr belastet. Mit dem Bundesquartier in Steinhaus, das rund 30 Kilometer entfernt liegt und mit 350 Asylwerbern voll ist, befindet sich eine weitere Einrichtung in der Nähe, hinzu kommt noch jenes in Leoben. Weiterhin im Raum steht die Frage, ob das Gebäude den baulichen Anforderungen entspricht. Hier will die Gemeinde Kindberg ganz genau hinschauen und rechtliche Schritte prüfen.

4. Wie sieht der Zeitplan aus?
Mitte Juli 2022 gelangten die Pläne für das geplante Asylquartier an die Öffentlichkeit, der Mietvertrag wurde im September unterschrieben. Mit Anfang Februar ging das Gebäude in die Verwaltung der BBU (Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen) über, damit könnten die ersten 25 bis 50 Asylwerber jederzeit einziehen.

5. Wie viele Asylwerber sollen einziehen?
Maximal 250 "vulnerable Personen", so hat es das Innenministerium mehrfach versichert, werden in Kindberg wohnhaft sein. Einziehen werden alleinreisende Frauen, mobilitätseingeschränkte Menschen, die auf der Flucht oder im Krieg verwundet wurden, Menschen im Familienverband mit Kindern sowie Flüchtlinge mit einem Sonderbetreuungsbedarf. Alleine reisende junge Männer und unbegleitete Minderjährige sollen, so die BBU, nicht darunter sein. Zwischenzeitlich hatte Kindberg auch befürchtet, dass bis zu 1000 Asylwerber kommen und es zu Lösungen mit Containern und Zelten kommt. Die Grundstücksfläche beträgt 20.500 Quadratmeter, Platz wäre theoretisch vorhanden.

6. Wie steht es um den baulichen Zustand des Gebäudes?
Die Sanierungsarbeiten, sie werden vom Vermieter getragen, laufen weiter und dauern zumindest bis März 2023 an. Erst danach ist ein Vollbetrieb möglich. Es handelt sich um Sanierungen an der Heizungs- und Elektroanlage, der Wasserversorgung inklusive Trink- und Brauchwasser, der Fluchtwegbeleuchtung, der Brandmeldeanlage, der Fliesen und Wände, der Fenster- und Glasflächen sowie der Böden.

7. Wie sieht der Alltag im Asylquartier aus?
Anders als noch Anfang Dezember angekündigt, wird Kindberg nicht als Durchzugsstation dienen, die Asylwerber werden also für längere Zeit hier sesshaft sein. Das hat Auswirkungen auf den Alltag, wo es um Aufenthaltsmöglichkeiten, Deutschkurse, Wertekurse oder eine entsprechende Beschäftigung geht. Deshalb werde etwa ein Kindergarten direkt in die Anlage integriert, zusätzlich sollen die Asylwerber untereinander eine Art Gemeinschaft bilden, sich gegenseitig helfen und auch gewisse Tätigkeiten – wie etwa Putzdienste gegen ein Taschengeld – im Heim selbst erledigen. Eine strenge Hausordnung, Security, Ein- und Ausgangskontrollen sowie eine Standeskontrolle am Abend sollen für die Sicherheit der Kindberger Bevölkerung sorgen. Eine Telefonhotline soll als Ansprechmöglichkeit für die Anrainer dienen. Verstöße, so die BBU, würden sich auch auf das laufende Asylverfahren auswirken.

8. Wer wird die Betreuung übernehmen?
Diese Frage birgt sozialen Sprengstoff, weil das Mürztal ohnehin unter einem Ärzte- und Pflegemangel leidet. Um die Bevölkerung nicht zusätzlich zu belasten, erfolgt die medizinische Versorgung durch Ärzte aus anderen Regionen, wobei diese auf Werksvertragsbasis agieren. Anfangs sind drei Allgemeinmediziner mit Werkvertrag aus dem Raum Graz im Einsatz. Die Leitung der Asylunterkunft wird Marina Dopler übernehmen, sie leitet bereits die Einrichtung in Graz-Andritz.

9. Wie viele Personen werden im Asylquartier arbeiten?
Für die Betreuung werden laut BBU im Vollbetrieb rund 40 Personen zuständig sein, von der Küche über die Sozialarbeit bis hin zur Pflege. Die Arbeit des Sicherheitspersonals wird zugekauft. Seitens der Polizei, so heißt es aus dem Innenministerium, wird es vorerst kein zusätzliches Personal geben: "Weit zielführender erweisen sich zur raschen Verfügbarkeit von benötigtem Personal in etwaigen Anlassfällen Dienstzuteilungen oder Anforderung von landes- bzw. bundesweit agierenden Einheiten." Die Gemeinde verweist darauf, dass aber immerhin "zwei nicht besetzte Stellen in Kindberg nunmehr nachbesetzt werden" konnten.

10. Welche Kosten fallen für das Asylquartier in Kindberg an?
Die Miete beträgt 30.000 Euro pro Monat, der Vertrag kann frühestens nach fünf Jahren gekündigt werden. Die Personalkosten – rekrutiert werden sowohl Pflegekräfte als auch Lern- und Freizeitbetreuer – betragen pro Jahr 1,5 Millionen Euro. Davon entfallen rund 900.000 Euro auf Fachkräfte in der Flüchtlingsbetreuung sowie jeweils 300.000 Euro auf Verwaltungspersonal sowie die Einrichtungsleitung.

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