Der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) ist nun bald ein halbes Jahr im Amt. Im Interview mit der APA, wenige Tage vor Weihnachten, sprach er über so manche Überraschung in seinen ersten Monaten, seinen Neujahrsvorsatz, die zu erwartenden "harten Verhandlungen" beim neuen Finanzausgleich sowie die Macht der Zuversicht nach überstandener Coronapandemie und anhaltender Teuerungskrise. Gute Umfragewerte der politischen Konkurrenz machen ihm aber Sorgen.

"Manche Erwartungen haben sich erfüllt, aber die Rolle in der Hauptverantwortung lässt einen täglich Neues dazulernen. Überrascht hat mich, dass es doch ein größerer Unterschied ist, wenn man ein normales Regierungsmitglied oder Landeshauptmann ist." Konkret beziehe sich das auf die "Exponiertheit, Bekanntheit und der Tatsache, wie sehr man Projektionsfläche für Anliegen, Sehnsüchte und dergleichen mehr ist – ein eigentlich sehr positives Phänomen", so Drexler. "Es hat bisher nur ganz wenige negative Erfahrungen gegeben."

"Für seine Beliebtheit müssen wir noch was tun"

Die Aussage seines Vorgängers Hermann Schützenhöfer, wonach Drexler noch an seiner Beliebtheit arbeiten müsse, habe ihn im Sommer bei der Ankündigung der Amtsübergabe nicht getroffen: "Nachdem mich mit ihm eine 30-jährige Zusammenarbeit und Freundschaft verbindet, weiß ich, wie er so etwas meint und dass er es nie negativ, sondern aufmunternd gemeint hat. Vielleicht war es klug, was er gesagt hat, weil mich viele darauf angesprochen haben, wie das gemeint war und dass es ja gar nicht so sei. Manches an Zuspruch ist daher auch der paradoxen Intervention geschuldet."

Wie er selbst die Situation heute einschätzen würde, will Drexler nicht sagen, man sei schlecht beraten, über sich selbst zu urteilen – damit hält er es wie sein Amtsvorgänger, der solchen Fragen stets ähnlich ausgewichen ist. Er habe jedenfalls viel positives Feedback in den vergangenen Monaten erhalten: "Wir müssen aber noch mehr Zeit für den direkten Austausch mit den Bürgern investieren und auch, um gelegentlich nachzudenken. Gute Politik ist nicht nur eine Aneinanderreihung von öffentlichkeitswirksamen Terminen, sondern dass man gut überlegte Standpunkte und Argumente vorträgt. Dazu braucht es Zeit, um gemeinsam mit anderen darüber nachzudenken – das ist mein Neujahrsvorsatz."

Finanzausgleich

Beim Finanzausgleich, für den vor wenigen Tagen die Verhandlungen gestartet sind, erwartet Drexler ein "faires Miteinander der Ebenen". Gemeinden seien sehr gefordert und es müsse Vorsorge getroffen werden, dass deren Liquidität sichergestellt ist. Für "reflex- und klischeeartige, wechselseitige Vorwürfe" sei er nicht zu haben. Er erwarte "harte Verhandlungen". Wo Unfairness vielleicht Platz gegriffen habe, wolle er nicht auf diesem Wege ausrichten, das soll in die Verhandlungen einfließen. Sollten Gelder künftig noch mehr mit Klima-Maßnahmen verknüpft werden, brauche es klare Parameter: "Wenn Oberösterreich und die Steiermark die klassischen Industrieländer sind, wäre ein bloßes Gewichten nach CO₂-Emissionen abträglich. Es geht darum, wer leistet welche Beiträge."

Die Zeiten seien schwierig für große Investitionen, merkte Drexler an, doch als Politiker müsse man Zuversicht und Optimismus in den Mittelpunkt stellen: "Aus der weitgehenden Bewältigung der Coronakrise kann man Zuversicht schöpfen. 2020 war noch Ratlosigkeit angesagt. Heute aber haben wir eine Impfung und Medikamente. Wir haben immer noch hohe Infektionszahlen, aber es droht uns nicht, das Gesundheitssystem wegen Corona zu kollabieren. Ich schöpfe daraus Zuversicht, dass wir auch die aktuelle Teuerungskrise überwinden können und die Grundlage schaffen, wieder vernünftig in die Zukunft zu investieren. Gerade beim Klimaschutz wird es Investitionen brauchen."

"Motivationsmaßnahmen" gegen Personalmangel

Beim Thema Personalmangel in Spitälern, Kindergärten und anderen öffentlichen Bereichen meinte der Landeshauptmann, dass man derzeit mit Corona, Grippewelle und anderen Infektionen eine besondere Lage habe. Klar sei aber auch, es herrsche ein Arbeitskräftemangel – auch im öffentlichen Bereich. "Wir müssen mittelfristig gerade in den sensiblen Bereichen den Mangel in den Griff bekommen, durch Ausbildungsinitiativen und verbesserte Rahmenbedingungen – und auch durch Motivationsmaßnahmen. Wenn ich dauernd von der Krise in der Elementarpädagogik lese, werde ich als Jugendlicher wohl nicht genau so einen Beruf wählen." Man müsse erklären, wie wichtig diese Berufe sind – eine "Motivationskampagne". Als Beispiel könne man das im Spätsommer vorgestellte Maßnahmenpaket inklusive Stipendien für die Elementarpädagogik nennen.

Auf die Frage, ob man sich Motivation mittlerweile kaufen müsse, meinte Drexler, dass es eine Gesetzmäßigkeit des Marktes sei: Wenn Arbeitskräftemangel herrscht, "kann sich der, der Arbeitskraft anbietet, mehr aussuchen und einfordern. Bei hoher Arbeitslosigkeit wird das anders sein. Der Mangel an Arbeitskräften wird aber längerfristig sein, auch unabhängig von der Konjunktur, weil es eine Folge der demografischen Entwicklung ist. Wichtig ist daher, dass wir Einsatzbereitschaft – auch gesellschaftlich – honorieren. Es ist eine Aufgabe der Politik, die Notwendigkeit von Leistung auf kluge Weise vorzutragen. Ich habe auch kein Patentrezept, aber nicht alle Phänomene dieser Zeit können wir einfach teilnahmslos hinnehmen."

Asyl und Migration

In den vergangenen Wochen hat sich beim Thema Asyl und illegale Migration die Situation in Österreich zugespitzt. "Diese Themen waren von Corona und anderen Krisen überdeckt. Der Ukraine-Krieg hat aber die große Solidarität der Steirerinnen und Steirer gezeigt. Das ist klassische Flucht und Vertreibung und da ist die Hilfsbereitschaft groß. Im Windschatten der Situation hat aber auch die Migration aus allen Teilen der Welt wieder zugenommen – mit Aufgriffszahlen, die 2015 übertreffen. Da ist ein klares Bekenntnis zur Einhaltung der Regeln abzugeben. Es kann nicht sein, dass in großem Stil der Wunsch nach wirtschaftlicher Verbesserung über einen Asylmissbrauch erfolgt. Da bin ich ein Freund der Rechtsstaatlichkeit. Man darf Österreich nicht überfordern."

An der Zusage von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), wonach in das geplante große Quartier in Kindberg nicht mehr als 250 Flüchtlinge kommen werden, sieht Drexler keinen Grund zu zweifeln: "Ich verlasse mich auf den Innenminister, dass die Vereinbarungen eingehalten werden." Angesprochen auf die guten FPÖ-Werte in den Umfragen meinte er: "Natürlich bereitet es mir immer Sorgen, wenn politischen Mitbewerbern in den Umfragen eine bessere Zustimmung als der ÖVP attestiert wird. Mein Ziel ist es, 2024 bei der Landtagswahl als Erster durchs Ziel zu gehen. Dafür werde ich die verbleibenden knapp zwei Jahre nutzen – mit guter Politik und klarer Positionierung als Anwalt der Steiermark und als Gesprächspartner von möglichst vielen Steirerinnen und Steirern."

"Wunschzettel für das Christkind"

Weihnachten wird für Drexler heuer etwas anders ablaufen: "Ich werde am 24. Dezember am Vormittag mit dem Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl eine Reihe von Einrichtungen besuchen, aber ansonsten hoffe ich, dass die Feiertage den Kindern und Familie gewidmet sind. Das ist immer eine vielschichtige Herausforderung in Patchworkfamilien", sagte Drexler, der bekanntlich zum dritten Mal verheiratet ist und vier Kinder hat. Ein traditionelles Weihnachtsmenü gibt es im Hause Drexler nicht, aber es habe sich zur Tradition entwickelt, rund um die Weihnachtsfeiertage mit einem größeren Teil der Familie einen gefüllten Truthahn zu essen: "Am 24. Dezember dürfte es heuer aber Wild geben."

Auf seinem "Wunschzettel für das Christkind" stehe zuallererst Frieden in Europa. Den Steirerinnen und Steirern wünsche er eine ruhige Zeit mit der Familie und, dass man gemeinsam die Herausforderungen der Teuerung überwinden könne. Persönlich wünsche er sich "in der politischen Kultur eine Verbesserung, weil diese Kultur der täglichen Empörung, des täglichen Skandals und der schrill geführten Debatten muss überwunden werden, um sorgsam für die Zukunft arbeiten zu können".