Thomas Frühwirth ist selten wirklich entspannt, wenn ein Rennen beginnt. Als Vollblutathlet ist er in solchen Situationen voll in der Zone und gibt stets sein Äußerstes in jedem Wettkampf. Heute jedoch kann er beim Start gelassen sein, denn dieses Mal muss er sich nicht schinden. Der Südoststeirer gibt den Inklusionslauf im Rahmen des Graz-Marathons mit dem City Run (Start 17.30 Uhr) und dem Familienlauf (Start 16 Uhr) frei. Den Anfang machen heute aber die Maskottchen und der Nachwuchs – der Bambinisprint und Juniormarathon sind vor der Oper die ersten großen Höhepunkte.
Der erste Marathontag soll wieder ein Leuchtfeuer für die Inklusion werden – dass alle Menschen in einer Gesellschaft gleichberechtigt nebeneinander leben. „Die allgemeine Inklusion hat in den vergangenen Jahren einen riesigen Schub bekommen, da sind wir auf einem guten Weg“, sagt der zweimalige Behindertensportler des Jahres. „Für einige bist du einfach noch das arme Tschopperl, das im Rollstuhl sitzt. Sie sind so aufgewachsen und kennen das nicht anders. Aber es verändert sich, es wächst sich aus.“
Er betrachtet Veranstaltungen wie den Inklusionslauf nicht nur als Eisbrecher. Sie können Menschen mit Behinderungen die Begeisterung für den Sport vermitteln und möglicherweise zukünftige Para-Sportler hervorbringen. „Zum Glück haben wir nicht die Situation, wie sie in den USA ist. Das seit 80 Jahren durchgehend Krieg führt und es dadurch sehr viele Kriegsverletzte gibt. Daher ist es bei uns enorm wichtig, die Menschen mit Behinderung zu Veranstaltungen nicht nur mitzunehmen, sondern auch die Möglichkeit zu geben, aktiv teilzunehmen. Da hat sich einiges getan.“
Frühwirth möchte keinesfalls aufgrund seiner Behinderung mit Glacéhandschuhen angefasst werden. Ehrlichkeit und Offenheit sind entscheidend bei Begegnungen und Gesprächen. "Direkt sein und fragen, was man wissen will. Ich bin seit mittlerweile 20 Jahren im Rollstuhl und es hat sich in dieser Zeit so viel getan. Wenn man sichtbar ist, bewirkt dies Veränderungen."
Mit dabei sind auch wieder Athleten von Special Olympics Austria – Menschen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung. Der Steirer Laurenz Maresch ist neuer Präsident des Verbandes. „Jede Initiative, Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen zum Laufen bzw. zum Sport allgemein zu bringen, ist begrüßenswert. Inklusionsläufe haben gerade für unsere Sportlerinnen und Sportler einen hohen Stellenwert, daher freut es mich umso mehr, dass solche Läufe immer häufiger und größer werden.“ Maresch, ein gebürtiger Köflacher und Wahlgrazer, selbst wird am Sonntag in Begleitung mit einigen seiner Athleten den „Halben“ in Angriff nehmen.
Kinder sollen nicht durch das System fallen
Frühwirth selbst befindet sich gerade in der Aufbauphase für einen möglichen Einsatz bei der Triathlon-WM. Damit Menschen in den paralympischen Sport kommen, ist es unglaublich wichtig, dass in den Rehazentren noch mehr in diese Richtung getan wird. „Der Sport kann auch ein neuer Lebenswille sein, eine Motivation.“ Parallel sei es wichtig, vor allem bei den Kindern mit Behinderung anzusetzen. „Sie sind nie in einem Rehazentrum, werden daher nicht aufmerksam gemacht und fallen durch das System.“ Es wäre wichtig, Sportkoordinatoren zu haben, die in die Schulen hineingehen und Möglichkeiten aufzeigen. „In erster Linie geht es darum, dass die Kids ein gesundes Leben führen und ein Selbstbewusstsein aufbauen.“
In der öffentlichen Wahrnehmung hat sich für den Parasport einiges getan. „In den vergangenen acht Jahren hat sich merklich viel verändert. Ab den Spielen von Rio 2016 ist das Interesse größer geworden und heuer hat man gemerkt, dass die Paralympics wieder eine neue Ebene erreicht haben - auch bei den Übertragungen.“ Der Einzug in das Hauptabendprogramm von ORF 1 würde viel bewirken. „International muss man sagen, dass das in anderen Ländern der Fall ist. Nur so wird es möglich sein, dass die Menschen einen besseren Einblick in den Parasport bekommen und es mehr zur Selbstverständlichkeit wird und auch besser verstanden wird, welche Leistungen dahinterstehen.“