Tirols Landeshauptmann Günther Platter ist nach dem Rücktritt Sebastian Kurz' (beide ÖVP) als Bundeskanzler weiter auf Distanz zu ihm gegangen. Obwohl Platter Kurz anfangs weiterhin im Amt sehen wollte, fand er nun, dass die Vorwürfe doch zu schwer wiegen würden, sagte er am Dienstag der "Tiroler Tageszeitung". Er forderte, dass der neue Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) die Regierung "ohne Einflussnahme nach seinen Vorstellungen führen" kann und betonte, "ein Schwarzer" zu sein. Schallenberg hält heute seine Antrittsrede im Parlament - die Feuertaufe für den neuen Kanzler.

Nach der Wahl von Kurz zum Klubobmann im Nationalrat, sei es wichtig, "dass künftig, unabhängig von persönlichen Befindlichkeiten, jede und jeder ihrer bzw. seiner Rolle nachkommt", sagte Platter der "Tiroler Tageszeitung" am Dienstag. Für Schallenberg gelte nun, dass er die "notwendigen Weichenstellungen trifft, um die Eigenständigkeit der Politik und seiner Regierung klar zu definieren", riet Platter dem erst am Montag angelobten Kanzler. Er erwarte sich nach der Regierungskrise Ruhe, über Neuwahlen sollte man sich keine Gedanken machen, meinte er.

Die rückhaltlose Unterstützung des neuen Kanzlers Alexander Schallenberg für den alten, Sebastian Kurz, in Schallenbergs erster Wortmeldung hatte viele aufgeschreckt und war als unangebrachter Kadavergehorsam verstanden worden.

Reaktion auf "schwerwiegende Vorwürfe"

Platter hatte sich Donnerstagabend noch stellvertretend für die ÖVP-Landeshauptleute vor die Kameras gestellt, um Kurz den Rücken zu stärken. Es gebe aber "schwerwiegende Vorwürfe, die man nicht wegwischen kann", beurteilte Platter die Sache nun anders. Für den Landeschef waren die am Freitag bekannt gewordenen Chats sowie das Abzeichnen einer Koalition aus Grünen, SPÖ, FPÖ und NEOS ausschlaggebend dafür, dass er für einen Rücktritt von Kurz als Bundeskanzler war.

Platter hielt außerdem fest, dass er "ein Schwarzer" sei. Er habe mit der türkisen Bundes-ÖVP "schon immer andere Anschauungspunkte gehabt".

"Kurz soll sich komplett zurückziehen"

Härter mit Kurz ins Gericht ging der schwarze Tiroler Arbeitskammerpräsident Erwin Zangerl. Kurz solle sich komplett zurückziehen, forderte er. "Es wird jetzt schon von einem Schattenkanzler Sebastian Kurz geredet", kritisierte Zangerl. "Für einen Neuanfang in der ÖVP und in der Bundesregierung sollte alles absolut besenrein übergeben werden".

Die strafrechtlichen Vorwürfe gegen Sebastian Kurz und sein Team dürften erst schön langsam durchsickern, ebenso die Details der internen Kommunikation. Auch Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, die als Erste Landtagswahlen zu schlagen hat, ringt um die Contenance: Die Vorwürfe müssten restlos aufgeklärt werden, sagt sie. Via Facebook ließ sie aufhorchen: "Die Chats zeichnen ein Bild, das wir so nicht stehen lassen wollen und können."

Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer hatte bereits seiner Einschätzung Ausdruck verliehen, dass bis zum Ende der Legislaturperiode nicht mit einer Rückkehr von Sebastian Kurz zu rechnen sei. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner kann wenig mit dem Ton in seinem Umfeld anfangen: "Das ist nicht der Stil der Partei. Wo man's kann, muss man es abstellen."