Es war der 21. August 2020 als Julia Nawalnaja international bekannt wurde. Am Tag zuvor war ihr Mann, Oppositionspolitiker Alexej Nawalny, Opfer eines Giftanschlags geworden. An diesem Tag stand sie – sehr souverän wirkend – vor dem Krankenhaus in Sibirien und forderte, dass ihr Mann im Ausland behandelt werden darf. Es sollte nicht ihr letzter Auftritt auf der Weltbühne bleiben – im Gegenteil. Seit ihr Mann und Putin-Gegner am Dienstag – begleitet von Protesten und internationaler Kritik – zu dreieinhalb Jahren Straflager verurteilt worden ist, rückt die 44-Jährige erneut in den Blickpunkt.


Schon nach der Verhaftungen ihres Mannes hatte sie zu landesweiten Protesten aufgerufen und wurde dabei selbst zwei Mal verhaftet. Für manche der Beweis, dass sie nun in die Rolle der First Lady der Opposition schlüpfen könnte. Ein Vergleich mit Swetlana Tichanowskaja liegt daher nahe. Diese trat im August bei der Präsidentenwahl in Belarus gegen Langzeit-Machthaber Alexander Lukaschenko anstelle ihres inhaftierten Mannes Sergej an und gilt mittlerweile als wichtigste Führerin der weißrussischen Opposition.

Ein Vergleich mit Swetlana Tichanowskaja

Diese Aussicht scheint einigen Putin-Getreuen Angst zu machen: Mit einem zweifelhaften Angebot versuchen sie, Nawalnaja zum Schweigen zu bringen. Der Sender Zargrad.tv sprach Nawalnaja in einem etwa zehnminütigen Video direkt an. Es klang wie eine Drohung: Wenn sie nicht in die Politik gehe und sich nicht in eine „russische Tichanowskaja“ verwandle, werde man ihr Informationen zur Verfügung stellen, die Nawalnys angebliche Affären belegen sollen.

Doch Nawalnaja steht zu ihrem Mann. Das Paar lernte sich vor 22 Jahren bei einem Urlaub in der Türkei kennen. Julia Nawalnaja, die Ökonomie studiert hat, bezeichnet Alexej als „echte große Liebe“ und „besten Freund“ zugleich. „Julia, du hast mich gerettet“, dankte Nawalny ihr nach dem Erwachen aus dem Koma. Nun könnte sie auch sein politisches Vermächtnis retten und vorantreiben.