Die Korruptionsvorwürfe gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und die daraus folgende Regierungskrise in Österreich beschäftigen am Freitag auch internationale Medien:

"Neue Zürcher Zeitung" (Zürich) und "Handelsblatt" (Düsseldorf): "Alte Übel statt neuer Stil"

"Für die Politik gelten jedoch andere Massstäbe als nur diejenigen des Strafrechts. Deshalb ist derzeit sehr ungewiss, ob Kurz diesen Skandal politisch überlebt. Der grüne Koalitionspartner musste sich argumentativ bereits verbiegen, als im Mai Ermittlungen wegen Falschaussage gegen den Kanzler eingeleitet wurden - ein im Vergleich vernachlässigbares Delikt. Dass die Partei die Regierung weiterhin stützt, wenn deren Chef wegen Korruption angeklagt werden sollte, ist schwer vorstellbar, zumal die Grünen in dieser nun gut anderthalbjährigen Partnerschaft wenig erreicht haben. Nun könnte sich rächen, dass die ÖVP dem Juniorpartner politisch kaum einen Erfolg gönnte. Österreich steht vor turbulenten Wochen, die durchaus zum Ende von Kurz' einst so spektakulärer politischer Karriere führen könnten. Dass seine eigene Partei ihn fallenlässt, scheint zwar vorerst ausgeschlossen. Doch bricht unter seiner Führung zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren eine Regierung auseinander, wird es ihm schwerfallen, nach allfälligen Neuwahlen wieder Bündnispartner zu finden. Dafür hat Kurz mit seiner Politik im altbekannten Stil zu viel Geschirr zerschlagen."

"Tagesspiegel" (Berlin): "Spuk"

"Der Lieblingskanzler mancher deutschen Jungpolitiker und Boulevardblätter steht erneut unter Verdacht. Nach möglichen Lügen in Untersuchungsausschüssen und Postenschacherei werden nun noch schwerwiegendere Vorwürfe gegen den österreichischen Kanzler Sebastian Kurz und seine ÖVP erhoben: Unter anderem sollen Umfragen, die Kurz beim Kampf um das Kanzleramt im Aufwind sahen, verfälscht und mit Steuergeld in der Presse verbreitet worden sein. Stimmen diese Vorwürfe, wäre dies eine Manipulation der öffentlichen Meinung und der nächste Beweis für das verdrehte Demokratieverständnis von Kurz. Wieder gibt sich Kurz gelassen, er habe von nichts gewusst. Für die Grünen, den Koalitionspartner, ist das ein ernstes Problem, denn schon nach den letzten Skandalen war ein 'Weiter so' nur schwer erklärbar. Eigentlich müssten sie die Koalition beenden - in der sie aber überraschend viele grüne Ideen durchsetzen konnten. Denn die ÖVP hat den Grünen in ihren Bereichen des Umweltschutzes relativ freie Hand gelassen, ein CO2-Preis und ein Klimaticket zählen zu den Errungenschaften. Doch die Grünen haben sich auch den Kampf gegen die Korruption auf die Fahne geschrieben. Daher müssten sie dem Spuk ein Ende machen."

"Dolomiten" (Bozen): "Nach Beben im Kanzleramt bebt die Republik"

"Fest steht: So unter Druck stand der jüngste Bundeskanzler und ÖVP-Chef der Zweiten Republik noch nie. Ihm und seinen engsten Beratern, der sogenannten 'Kurz-Truppe', wird vorgeworfen, die Machtübernahme in der Partei 2016 als Außenminister akribisch auch dadurch vorbereitet zu haben, dass ein Vertrauter im Finanzministerium die Unterbringung gefälschter Umfragen im Boulevardmedium 'Österreich' organisierte und mit Scheinrechnungen finanzierte - so sollte Kurz gepusht und Parteichef Reinhold Mitterlehner 'runtergeschrieben' werden. Es gilt, wie man in Österreich so schön sagt, die Unschuldsvermutung.

Fest steht auch: Selbst wenn es keinen Beweis für einen Auftrag seitens Kurz' gibt, hat er neuerlich Ermittlungen als Beschuldigter am Hals (wegen Falschaussage im parlamentarischen U-Ausschuss laufen sie schon länger). Ihm droht die zweite Regierung seiner jungen Karriere abhanden zu kommen (nach der geplatzten ÖVP-FPÖ-Koalition; die vorherige SPÖ-ÖVP-Koalition ließ ja der an die Macht gekommene Kurz platzen). Vor allem aber: Der 'neue Stil', mit dem Sebastian Kurz 2017 angetreten ist, die Partei und die österreichische Innenpolitik umzukrempeln, die ganz andere Art des Politikmachens ist Schnee von gestern - selbst wohlwollendste Medien kommentieren: Das nimmt Sebastian Kurz niemand mehr ab."

"taz" (Berlin): "Kurz klammert sich an die Macht"

"Außer dem Bundespräsidenten und den eigenen Parteigranden kann niemand Kurz zur Aufgabe zwingen, solange die Koalition hält. Es ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass er auch aus Neuwahlen wieder als Sieger hervorgehen würde. Doch er riskiert damit eine Spaltung der Gesellschaft. Ähnlich wie in den USA, wo eine große Anzahl Konservativer Donald Trump unverbrüchlich die Treue hält, ist in Österreich die Fangemeinde von Sebastian Kurz durch Fakten nicht von ihrem Glauben abzubringen. Der Kanzler würde dem Land und wohl auch seiner Partei einen Gefallen erweisen, wenn er sich zumindest bis zur endgültigen Klärung der Vorwürfe zurückziehen würde. Aber so tickt Sebastian Kurz nicht."

"Süddeutsche Zeitung" (München): "Korruptionsgewohnheiten"

"Es geht allerdings nicht um eine Person allein und deren mutmaßliches Fehlverhalten. Zur Diskussion steht ein politisches System, das durch und durch verdorben ist. Machtmissbrauch, illegale Parteienfinanzierung, die Verstrickung von Medien und Politik, der Staat als Selbstbedienungsladen: All diese Missstände sind nicht erst seit Ibiza bekannt. Gemacht worden ist nur viel zu wenig dagegen. Mit der Folge, dass Österreichs Korruptionssumpf nun bis ins Kanzleramt reicht. Es ist dringend ein Neustart geboten, ein sauberer Schnitt."

"Il Manifesto" (Rom): "Die Ära Kurz scheint am Anfang des Endes zu sein"

"Kurz steht einen Schritt vor dem Ende. Das politische Erdbeben in Österreich hält weiter an. Wie lang wird Kurz noch Kanzler bleiben? In Wien hat bereits die Suche nach einer Lösung begonnen, die dem Land Neuwahlen ersparen kann. Die Ära Kurz scheint am Anfang des Endes zu sein".

"Sole 24 Ore" (Mailand):

"Kurz verteidigt sich, doch seine Allianz mit den Grünen wackelt. Der Schatten einer Regierungskrise in Österreich wird länger. Der Kanzler gibt nicht auf und kann mit der Unterstützung seiner ÖVP-Minister rechnen".

"Hospodarske noviny" (Prag):

"Sebastian Kurz ist zwar unter den Staats- und Regierungschefs bei EU-Gipfeln immer noch der Jüngste, doch haben die Razzien im Kanzleramt und in der ÖVP-Zentrale seine steile Karriere in ihren Grundfesten erschüttert. Zwei Aspekte sind an der ganzen Affäre am schlimmsten: Zum einen wird der Eindruck bestärkt, dass sich Politiker in der Alpenrepublik wohlmeinende Berichterstattung mit öffentlichen Geldern kaufen können. Zum anderen untergräbt die Kurz-Affäre nicht nur das Vertrauen in die Politik, sondern auch in die Medien, deren Aufgabe es eigentlich sein sollte, die Politiker zu kontrollieren."

Nürnberger Nachrichten" (Nürnberg): "Einsturzgefahr im 'House of Kurz'"

"Für Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wird es nach Razzien in seinem Amtssitz, in der ÖVP-Zentrale und bei engsten Vertrauten eng und enger. Der grüne Koalitionspartner hat die Reißleine schon in der Hand, zögert aber noch, sie zu ziehen. (...) Noch deutlicher wurde die stellvertretende Grünen-Fraktionschefin im Nationalrat, Olga Voglauer: 'Ich kann mir keine weitere Koalition mit einem Kanzler Kurz vorstellen.' Im Klartext: Notfalls muss die ÖVP ihren Superstar in die Wüste schicken. Danach sieht es zwar derzeit noch nicht aus - aber das 'House of Kurz' wankt wie nie."