Der scheidenden israelische Premier Benjamin Netanjahu hat auf seinem Twitter-Account eine bemerkenswerte Video-Botschaft von Bundeskanzler Sebastian Kurz veröffentlicht. Darin bedankt sich der Österreicher für die enge Kooperation und den Meinungsaustausch mit Israel in der Corona-Krise. Netanjahu sei der erste gewesen, der ihn, Kurz, auf die „massive Gefahr des Corona-Virus zu Beginn des letzten Jahres" hingewiesen habe. Dies sei einer der Gründe gewesen, warum Österreich so schnell bei Ausbruch der ersten Welle reagiert habe.

Kurz äußert auch seine Bewunderung für die Effizienz der israelischen Impfkampagne. Diese sei in Israel so weit fortgeschritten, dass nahezu alle Beschränkungen aufgehoben werden konnten. Österreich habe ebenfalls gute Fortschritte erzielt. "Wir sind auch gerade dabei, unsere Gesellschaft zu öffnen.“ Kurz erinnert auch an die Initiative im Bereich der Impfforschung, die Österreich, Dänemark und Israel Anfang März gesetzt haben. 

Netanjahu als väterlicher Freund 

Kurz hat zu Israel und zu Ex-Premier Netanjahu eine besondere Beziehung unterhalten, die seiner Lebenserfahrung, aber auch politischen Erwägungen geschuldet ist - und die sich von jener älterer österreichischer Politiker unterscheidet.

Politisch anders sozialisiert

Ex-Bundespräsident Heinz Fischer haben die jahrzehntelangen Bemühungen um eine Friedenslösung im Nahen Osten, die bisher nicht von Erfolg gekrönt sind, nachhaltig geprägt. Kurz ist politisch sozialisiert worden, als die Intifada begann, die Hamas den Gaza-Streifen übernahm, arabische Regierungen mit sich selbst (arabischer Frühling, Syrien) beschäftigt waren und die Palästinenserfrage in den Hintergrund getreten ist, der 11. September eine Zäsur markiert hat, Europa vom islamistischen Terror heimgesucht wurde.

Einzige Demokratie in Nahost

Der Kanzler bewundert Israel als die einzige echte Demokratie im Nahen Osten, in dem sich eine beeindruckende Start-up-Community etabliert hat, nicht nur im Sicherheitssektor sondern auch im biotechnologischen Bereich bzw. auch Tel Aviv als besonders hippe Stadt in der Region.

Israel-Karte als Signal an die USA

Warum der Kanzler von der bisher klassischen österreichischen Äquidistanz im Nahost-Konflikt abgerückt ist, bei Besuchen in der Regionen immer den Kurztrip zu den gemäßigten Palästinensern nach Ramallah ausgeschlagen hat, den bisherigen israelischen Premier Bibi Netanjahu besonders umgarnt hat, hatte auch einen anderen Grund. Es war auch ein Signal in die USA und an den damaligen Präsident Donald Trump.  

Stemmen gegen Amtsverlust

Netanjahu stemmt sich derzeit mit allen Kräften gegen den drohenden Amtsverlust. Unter anderem baut der seit 2009 amtierende Regierungschef massiven Druck auf Abgeordnete aus, damit sie nicht für eine von der Opposition geplante neue Regierung ohne ihn stimmen. Seine Unterstützer versammelten sich unter anderem vor den Häusern von Abgeordneten, um dem Ansinnen Netanjahus Nachdruck zu verleihen. Die Stimmung ist so aufgeheizt, dass der Chef des Inlandsgeheimdienst am Wochenende vor einem Blutvergießen warnte.

Die geplante Regierungskoalition aus unterschiedlichen politischen Lagern eint vor allem der Wunsch, Netanjahu nach zwölf aufeinanderfolgenden Jahren im Amt abzulösen. Der Regierungschef steht derzeit wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht. Im Fall einer Verurteilung droht ihm eine Gefängnisstrafe.