Es ist schon zehn Jahre her, dass sich das Parlament zum ersten Mal mit dem „Verbot des politischen Islams“ beschäftigt hat. Der Antrag des Team Stronachs blieb damals ohne Mehrheit, ähnliche Vorstöße kamen aber in den Jahren danach auch von der FPÖ, der ÖVP und sogar aus Teilen der SPÖ – nun wieder nach dem Anschlag in Villach. Sowohl die Kärntner ÖVP als auch die burgenländische SPÖ sprachen sich öffentlich für ein gesetzliches Verbot des politischen Islams aus.
Warum es bisher nur bei der politischen Forderung blieb, hat im Wesentlichen zwei Gründe: Erstens ist der Begriff nicht klar definiert und die Grenzen zu tiefer Religiosität sind fließend (siehe Kasten). Zweitens steht die strafrechtliche Untersagung einer Gesinnung im grundrechtlichen Konflikt mit der Meinungs- sowie der Religionsfreiheit. Doch der Gesetzgeber war in den vergangenen Jahren nicht untätig. Es wurden etliche Rechtsnormen geändert, um sich gegen islamistische Strömungen zu wehren. Allerdings gibt es noch eine große Lücke.
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Der politische Islam als Herrschaftsideologie richtet sich nicht nur gegen westliche Gesellschaften. Ebenso bedeutsam ist der Kampf um inner-religiöse Deutungshoheit. Mit dem Islamgesetz wurde 2015 ein Verbot der Auslandsfinanzierung von Moscheen verankert, der diesen Teilbereich des politischen Islams adressiert. Zuvor waren zahlreiche Imame von staatlichen Verbänden im Ausland finanziert worden.
Damals wurde auch das Symbole-Gesetz beschlossen, das die Verbreitung von Flaggen, Abzeichen und Gesten von islamistischen sowie rechtsextremistischen Gruppierungen untersagt. Es wurde seither dreimal ergänzt – die neue Regierung wird aber um eine Aktualisierung nicht herumkommen. Eine Gruppierung gibt es nicht mehr, eine weitere hat ihre Bedeutung verloren, neue Strömungen sind nicht enthalten.
Aufregung um Kalifat-Demonstrationen
Eine islamistische Gruppe, deren Symbole verboten sind, ist die Hizb ut-Tahrir, die in den 1950ern als Ableger der Muslimbruderschaft gegründet wurde und ein Kalifat anstrebt. Diese Bewegung ist wichtig, denn in Deutschland unterliegt sie seit 2003 einem Betätigungsverbot, das über das dortige Vereinsgesetz geregelt ist. In Österreich darf sie dagegen wirken – wenn sie auf ihre Symbole verzichtet.
Im Vorjahr hatten zwei islamistische Demonstrationen in Hamburg für Aufsehen gesorgt, zu der die Plattform „Muslim Interaktiv“ aufgerufen hatte. Dabei wurde offen ein Kalifat gefordert. Dieses sowie zwei ähnliche Netzwerke missionieren via Youtube, Tiktok und Instagram und haben zigtausende Follower. Sie werden der verbotenen Hizb ut-Tahrir zugerechnet.
Der Hebel im Vereinsgesetz
Für derartige Radikal-Ideologien war in Österreich nach dem Terroranschlag in Wien der Straftatbestand der „religiös motivierten extremistischen Verbindung“ (§247a) geschaffen worden. Man wollte damit den rechtlichen Graubereich im Vorhof des Terrorismus abdecken. Es gab jedoch keine einzige Verurteilung und nur vier Anzeigen nach diesem Paragrafen, nicht zuletzt deshalb, da laut Gesetz derartige Verbindungen „fortgesetzt auf gesetzwidrige Art und Weise“ die demokratische Grundordnung zu ersetzen versuchen. Doch selbst der boomende Salafismus ist per se nicht gesetzeswidrig.
Hier könnte nach Ansicht des Verfassungsrechtlers Peter Bußjäger das Vereinsgesetz ins Spiel kommen. „Da ist das Ende noch nicht erreicht“. In Deutschland können Vereine verboten werden, die sich gegen die „verfassungsmäßige Ordnung“ und den „Gedanken der Völkerverständigung“ richten. Solche Untersagungsgründe gibt es in Österreich nicht.
Damit könnte eine Lücke im Kampf gegen islamistische Strömungen geschlossen werden. Zwar könnte man damit salafistische Praktiken nicht verbieten, aber Zusammenschlüsse und Finanzierungen solcher Umtriebe erschweren. Wer nach der Auflösung eines Vereins die Vereinstätigkeit fortsetzt, begeht eine Verwaltungsübertretung und kann mit einer Geldstrafe belegt werden. Die ist derzeit im Wiederholungsfall mit 726 Euro relativ gering, könnte aber erhöht werden. Für eine Änderung des Gesetzes reicht eine einfache Mehrheit.