Die Koalition ist in einer heiklen Phase: Just zu dem Zeitpunkt, an dem das „Licht am Ende des Tunnels“ der Corona-Pandemie endlich erreicht scheint, kracht es an mehreren Fronten hörbar in der Koalition.

So hat der grüne Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein am Wochenende Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in Sachen weiterer Öffnungspläne Kontra gegeben. Auch rund um den Ibiza-Untersuchungsausschuss schenkt man sich wenig – und beim größten Reformprojekt der türkis-grünen Kooperation, der Klima-Steuerreform, liegen die Positionen noch weit auseinander.

1. Maskenpflicht und andere Lockerungen

Kanzler Kurz hatte bei Terminen in Tirol erklärt, schon diese Woche mit Experten und Landeshauptleuten über weitere Lockerungen der Corona-Maßnahmen nachzudenken, was etwa Sperrstunden anbelangt. Die ÖVP-regierten Länder machen auch weiter Druck: Am Pfingstmontag fordert etwa Niederösterreichs Wirtschaftslandesrat Jochen Danninger Lockerungen bei Sperrstunden sowie für Thermen und Messen; Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner betont, die 20-Quadratmeter-Regel sei für das Vereinswesen „viel zu streng“. Kurz selbst legte am Montag noch einmal nach: Am 17. Juni würden weitere Öffnungsschritte folgen.

Mückstein, der Kurz’ Wortmeldung zunächst als „entbehrlich“ gebrandmarkt und von „Luftschlössern“ gesprochen hatte, erweckte zunächst den Eindruck, auf der Bremse zu stehen. In der „ZiB 2“ am Montagabend drehte Mückstein seine Position aber um: „Ich bin nicht gegen Lockerungen“ – und überholte den Kanzler, indem er weitere Schritte schon für 10. Juni in Aussicht stellte.

Es dürfte sich also vor allem um einen darum Konflikt handeln, wer die guten Nachrichten schneller unters Volk bringt: Während sich auf der einen Seite Kurz in der Rolle des „Öffnungskanzlers“ gefällt, ist Mückstein als Gesundheitsminister formal allein zuständig.

2. Der U-Ausschuss und seine Akten

Die atmosphärisch schwerste Belastung in der Koalition geht vom sogenannten „Ibiza-Untersuchungsausschuss“ aus, der eigentlich „Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung“ heißt. Im vollen Namen steckt auch schon der Grundvorwurf der Opposition: Es geht eben nicht nur um Strache und Ibiza, sondern auch um das Verhalten etlicher türkiser Politiker, die damals wie heute in der Regierung sitzen.

Die Grünen sind hier in einem schwierigen Balanceakt gefangen: Sie hatten im Wahlkampf „Anstand“ und „saubere Politik“ plakatiert und fürchten, bei einem zu „zahmen“ Vorgehen von Parteibasis und Wählern abgestraft zu werden – auf türkiser Seite entsteht da schon einmal der Eindruck, die beiden grünen Mandatare im U-Ausschuss, Nina Tomaselli und David Stögmüller, „glauben, dass sie noch immer in der Opposition sind“.

Umgekehrt verlangt die Koalitionsdisziplin von den Grünen, ihr Stimmverhalten mit der Volkspartei zu akkordieren – was zum Beispiel zur Folge hat, dass sie gegen eine Verlängerung des Ausschusses gestimmt haben.

Während Dilemmas wie dieses intern schon öfter zu Spannungen führten, äußern sie sich manchmal auch öffentlich, so zum Beispiel vergangene Woche, als die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) „hochnotpeinliches“ Verhalten vorwarf und dass er das Parlament „papierln“ würde.

Solche Misstöne allein wären wohl weiter kein großes Thema – bei einer eventuellen Anklage gegen Kurz wegen Verdachts der Falschaussage könnte der U-Ausschuss aber schnell alles überstrahlen.

3. Die Klimafrage

Dieses Jahr steht das größte Projekt der türkis-grünen Zusammenarbeit an: Im ersten Quartal 2022 soll die ökosoziale Steuerreform in Kraft treten und mit ihr auch ein Preis für klimaschädliche Emissionen. Eine Reform, die jeder Bürger im Geldbörsel spüren wird – hohes Potenzial, aber auch hohes Risiko.

Die Verhandlungen werfen auch öffentlich sichtbare Schatten: Während das grüne Team um Klimaministerin Leonore Gewessler den Ball flach hält, ließ die VP-dominierte Wirtschaftskammer bereits ausrichten, nichts von „unpraktikablen, ideologisch-motivierten nationalen Alleingängen“ zu halten.