Sie sitzen schon viel zu lange im Tierheim, und die Chance, in ein liebevolles Zuhause ziehen zu dürfen, wird immer geringer: Langzeitsitzer - also Hunde, die seit mehr als einem Jahr im Tierheim sind. 20 von insgesamt 90 Hunden, die derzeit im Grazer Tierheim Arche Noah wohnen, sind solche Langzeitsitzer, die sich schwertun, eine Familie für sich zu gewinnen. Die Gründe dafür sind vielfältig: „Besonders schwer haben es große, dunkle Hunde“, weiß Kathi Gründl vom Aktiven Tierschutz Austria. Sie wirken einschüchternd und schrecken Interessenten von vornherein ab. Andere sind alt, krank, schlecht sozialisiert, blieben nach dem Ableben ihrer Besitzer alleine zurück, zeigen unerwünschte Verhaltensweisen wie territoriale Dominanz, bellen viel oder schnappen in Stresssituationen zu.

„Wir haben auch Hunde, von denen wir wissen, dass sie ihren Lebensabend bei uns verbringen werden, weil wir das perfekte Zuhause nicht finden werden“, bedauert Gründl. Nur wenige Tierfreunde nehmen freiwillig einen Hund, der mehrfach zugebissen hat, oder einen alten, kranken Hund, der täglich Medikamente braucht, inkontinent ist und nicht mehr selbständig über die Stiegen gehen kann.

Wenn man Brutus (4) zusieht, wie er fröhlich durch den Auslauf galoppiert, schwanzwedelnd auf die fremden Besucher zustürmt und sich streicheln lässt, fällt es schwer zu verstehen, warum der vierjährige Rüde mit den treuherzigen Knopfaugen und dem sehnsüchtigen Blick seit bald zwei Jahren im Tierheim sitzt. Er ist freundlich und gutmütig, bestätigt Tierpfleger Reno, und wurde aus Zeitgründen im Tierheim abgegeben: „Eine Knutschkugel, ein Baby in einem großen Körper.“ Doch Brutus stehen Rasse, Temperament und Aussehen im Weg. Groß, dunkel, ein „Kampfhund“, das schreckt viele Interessenten von vornherein ab. Sein Leben im Tierheim lässt sich mit einem Wort beschreiben: „Traurig“, so Reno: „Egal was wir ihm bieten, ein Zuhause können wir nicht ersetzen.“ Gesucht wird für den liebevollen, stürmischen Hund, der Menschen liebt, eine aktive Familie mit standfesten Kindern, die ihm Zeit gibt, anzukommen.

„Opi“ Rocky wiederum ist ein lieber Labrador-Mix schon älteren Semesters, der viel Zeit braucht, um aufzutauen. Gründl: „Aber dann ist er ein perfekter, lieber Begleiter“.

„Opa“ Rocky braucht Zeit, um mit Menschen warmzuwerden
„Opa“ Rocky braucht Zeit, um mit Menschen warmzuwerden © Aktiver Tierschutz Austria Arche Noah

Der ebenfalls ältere Freddie hingegen ist sehr auf eine Person bezogen und sucht ein ruhiges Zuhause „ohne Gewusel“.

Freddie hätte gerne eine Bezugsperson für sich alleine in einem ruhigen Zuhause
Freddie hätte gerne eine Bezugsperson für sich alleine in einem ruhigen Zuhause © Aktiver Tierschutz Austria Arche Noah

Schäferhund Heck „wohnt“ seit sieben Jahren im Tierheim, „ein Langlanglangzeitsitzer“, so Gründl, „er braucht schäferhunderfahrene Menschen“. Heck hat ein ausgeprägtes Territorialverhalten und einen starken Beschützerinstinkt.

Schäferhund Heck hat einen starken Beschützerinstinkt.
Schäferhund Heck hat einen starken Beschützerinstinkt. © Aktiver Tierschutz Austria Arche Noah

Schwer in der Vergabe haben es auch Herdenschutzhunde: „Sie brauchen von ihrer Genetik her eine Aufgabe, einen großen Hof, müssen etwas schützen und behüten können“, solche Plätze seien schwierig zu finden.

Probewohnen - auf Wunsch vom Profi begleitet

Seit vielen Jahren bietet die Arche Noah auch die Möglichkeit des Probewohnens. Nach dem Kennenlernen des Interessenten und zumindest einem Spaziergang mit dem Hund darf der Hund mit nach Hause. Erst nach einigen Wochen zeigt er seinen wahren Charakter. „Erst dann kann man eine gute Entscheidung treffen, ob der Hund in mein Umfeld, meinen Alltag, meine Familie passt“, erklärt Gründl. Wenn gewünscht, begleitet die tierschutzqualifizierte Hundetrainerin Nadja Steiner die Eingewöhnungsphase.

Der größte Fehler, der leider am häufigsten passiere, sei es, sich selbst zu überschätzen und dem Hund nicht genügend Zeit zu geben. Gründl: „Jeder Hund hat seinen Charakter, seine Anlagen - und wenn unsere Ratschläge nicht befolgt werden, der Hund gleich mal am Sofa liegt, beim Fressen gestört wird, verzweifeln wir schon.“ Wahre Liebe sei hingegen liebevolle Konsequenz und Grenzen, ihm einen Rahmen zu geben und damit für Sicherheit zu sorgen. Zu oft würden Leckerlis mit Liebe verwechselt.

Brutus hat sich inzwischen ausgetobt. Fürs professionelle Posieren für die Kamera sind seine Leckerlis wohlverdient, bevor er in seinem Zwinger wieder zur Ruhe kommen darf. Und wohl sehnsüchtig von einem kuscheligen Für-Immer-Zuhause träumt.