Unsere Leserin wohnt in einem Mehrparteienhaus an einer Straßenecke. Für das Gebäude gibt es also zwei Postanschriften mit unterschiedlichen Straßennamen. "Nun haben wir seit zirka einem Jahr einen neuen Briefträger im Rayon, der die Post offenbar nach Lust und Laune einwirft", sagt unsere Leserin, die ständig Zuschriften in ihrem Postfach findet, bei denen weder Adressat noch Straßenname stimmen. "Wir verstehen uns innerhalb der Wohnanlage ganz gut, aber was passiert, wenn die Post einmal mehrere Wochen bei einem anderen liegenbleibt und dabei Fristen auslaufen?", fragt sich die Frau, die dabei an sogenannte RSb- und  RSa-Briefe denkt. Konkret musste sie schon einmal einen höheren Betrag für eine Verkehrsstrafe einzahlen, weil sie das Schriftstück aus den beschriebenen Gründen erst verspätet in die Hände bekam.

Unsere Leserin bringt das Dilemma folgendermaßen auf den Punkt: "Ich weiß, dass mit dem ,gelben Zettel', also der Hinterlegung, ein Brief an sich als zugestellt gilt. Aber wenn der Briefträger, aus welchem Grund auch immer, ständig falsch einwirft, wie kann sich der richtige Empfänger dann zur Wehr setzen? Wie kann man nachweisen, dass nur ein Nachbar die Hinterlegungsanzeige bekommen hat?"

Wir haben den Grazer Rechtsanwalt Stefan Kohlfürst dazu befragt. Er erklärt: "Es stimmt, dass die Zustellung eines fristauslösenden Schriftstückes auch durch Hinterlegung erfolgen kann. In einem solchen Fall beginnt die jeweilige Frist mit dem ersten Tag der Abholungsfrist zu laufen." Ist man aber ortsabwesend (etwa auf Urlaub) und hat das auch der Post gemeldet (per Abwesenheitsmitteilung), gelte eine Hinterlegung jedenfalls nicht als Zustellung und die Frist beginne noch nicht zu laufen.

Aber auch, wenn man nicht ortsabwesend war, das fristauslösende Schriftstück bzw. die Benachrichtigung über die Hinterlegung aufgrund eines eventuell überforderten Briefträgers zu spät oder gar nicht erhalte, sei nicht „alles verloren“. Kohlfürst: "Wenn man durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne eigenes Verschulden von einer Zustellung keine Kenntnis erlangt hat, kann man die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bei der jeweiligen Behörde beantragen. Dies allerdings nur binnen 14 Tagen ab Wegfall des Hindernisses – sohin ab Kenntnis der versäumten Frist."

Im Wiedereinsetzungantrag muss man, wie der Anwalt betont, die Umstände für die Wiedereinsetzung behaupten und durch Beweise belegen. "Dies stellt allerdings in dem von Ihrer Leserin beschriebenen Fall kein Problem dar", betont Kohlfürst. Weiters müsse man mit dem Wiedereinsetzungsantrag auch gleich die versäumte Prozesshandlung – zum Beispiel Einspruch gegen einen Zahlungsbefehl, Beschwerde gegen Bescheide und Ähnliches  – nachholen. "Das Gericht entscheidet über den Antrag mit Beschluss. Wird die Wiedereinsetzung bewilligt, fällt der Zahlungsbefehl, der vollstreckbare Bescheid oder Ähnliches weg und es beginnt das ,ordentliche Verfahren'."

Der Weg zur Poststreitschlichtung

Ungeachtet dessen empfiehlt Kohlfürst unserer Leserin jede Fehlzustellung bei der Post sofort schriftlich zu reklamieren. "Bringt dies keine Besserung – wie es hier offensichtlich der Fall ist – können Sie sich an die Poststreitschlichtung wenden." Diese Stelle vermittelt kostenlos bei Streitfällen zwischen der Post und ihren Kunden. "Der Schlichtungsantrag ist binnen eines Jahres, nachdem die Beschwerde an die Post abgeschickt wurde per E-Mail an poststreitschlichtung@rtr.at oder per Brief einzubringen. Im Schlichtungsantrag sind alle wesentlichen Umstände zur Bearbeitung des Falles anzuführen und die Antwort der Post auf die eingebrachten Beschwerden beizulegen."