Marktbeobachter sehen die Automobilindustrie auf dem Weg in eine schwere Krise – zu Recht?
GÜNTHER APFALTER: Ich glaube, das ist übertrieben. Man muss sich ja auch die Entwicklung seit der Krise im Jahr 2009 ansehen, seit damals gab es einen stetigen Anstieg im Markt, im Schnitt um ein bis drei Prozent pro Jahr, in China noch deutlich stärker, um sechs bis sieben Prozent. Jetzt hat sich der Markt abgeflacht und etwas eingetrübt, das ist aber kein „broken business“, also kein kaputtes Geschäft.

Ist der Rückgang vor allem auf China zurückzuführen?
Nein, auch China kann nicht ewig wachsen, die Bevölkerung geht dort auch schon etwas zurück. Der Wohlstand hat sich auch entsprechend ausgebreitet, jetzt geht der Markt einmal etwas zurück. In Nordamerika ist er relativ stabil, in Europa geht er insgesamt um zwei, drei Prozent zurück.

Hat diese Eintrübung eine Konsequenz für Magna?
Das hat rein operative Konsequenzen, wenn weniger Autos verkauft werden, braucht man weniger Material.

Aus Deutschland gibt es von Zulieferern ja Hiobsbotschaften.
Einsparungsmaßnahmen gibt es, das macht jeder, schadet manchmal auch nicht, genauso, wie man persönlich manchmal abnehmen sollte, sollte man auch die Firma immer wieder verschlanken.

Das ist also auch bei Magna ein Thema?
Ja, aber das ist immer ein Thema, wir haben laufend Programme, um zu schauen, dass wir uns keine zusätzlichen Kosten aufbauen. Meistens kommen oben Aufgaben dazu, man vergisst aber, unten Dinge wegzuschneiden, die man so nicht mehr machen muss.

Also kein zusätzliches Einsparungspaket, das aufgrund von Eintrübungen notwendig wird?
Nein, das ist ein laufendes Programm.

In Graz hat Magna Steyr aufgrund der neuen Aufträge der jüngeren Vergangenheit ja rund 3000 Beschäftigte neu eingestellt und den Mitarbeiterstand auf 10.000 gesteigert. Ist das ein Niveau, das beibehalten wird?
Wir stehen jetzt bei knapp unter 10.000 Beschäftigten hier in Graz und mit diesem Niveau fahren wir jetzt jedenfalls einmal die nächsten Monate, dann werden wir sehen, wie sich die Fertigungsvolumen entwickeln, und passen das entsprechend an. Wie immer schon in der Vergangenheit.

Die globale Konjunktur leidet unter dem Handelskonflikt zwischen China und den USA, wie sehen Sie diese Entwicklungen, ist das der Hauptgrund für die Eintrübungen?
Das ist makroökonomisch sicher einer der Faktoren. Grundsätzlich sind wir für den freien Handel und das, was da derzeit abgeht, ist sicher nicht förderlich.

Gibt es zu den bestehenden Fertigungsjobs in Graz bereits Nachfolgeaufträge, über die Sie sprechen können?
Unsere Vertriebsabteilung ist dazu da, neue Aufträge zu akquirieren, und ist auch dabei. Wir müssen wettbewerbsfähig sein, geben Angebote ab und bekommen hoffentlich auch Zuschläge, das ist für die Kontinuität in Graz wichtig.

Laufen Gespräche mit bestehenden Kunden oder auch mit neuen Herstellern?
Sowohl als auch. Wobei ich Graz immer im Verbund mit Slowenien sehe, da sind 75 Kilometer dazwischen, das ist ein Werksverbund.

Es gab Spekulationen, wonach Skoda Fahrzeuge in diesem neuen Werk fertigen lassen könnte. Ist das vom Tisch?
Das müssen Sie Skoda fragen.

Jaguar hat in Graz viel Geld investiert, lässt mit E-Pace und I-Pace zwei Modelle fertigen, wird künftig aber auch selbst E-Autos in Großbritannien bauen. Könnte Jaguar den ersten elektrischen Land Rover in Graz bauen lassen?
Das müssen Sie Land Rover fragen. Kundenspezifische Themen kann ich nicht kommentieren.

Im ersten Halbjahr wurden in Graz knapp 90.000 Fahrzeuge gefertigt, wie viele werden es mit Jahresende sein?
Das Jahr ist durchgeplant, zwischen 170.000 und 180.000.

Der radikale Kurs hin zum reinen Elektroauto, wie ihn etwa Volkswagen eingeschlagen hat, verunsichert die Branche. Halten Sie diesen bedingungslosen Weg für gefährlich?
Man muss mit Augenmaß vorgehen. Am Ende entscheidet der Endkunde, ob er sich ein Elektroauto kauft oder nicht. Der dramatische Kurswechsel ist in den bisherigen Zahlen noch nicht ablesbar. Im ersten Halbjahr sind europaweit 168.000 Elektroautos verkauft worden. Die E-Mobilität ist aber die richtige Lösung für die urbane Mobilität.

Das Jahr 2030 gilt auch in der Autobranche als Zeithorizont für wesentliche Veränderungen in der Mobilität. Wo werden Elektromobilität und Wasserstoffantriebe bis dahin stehen?
Die Verbrennungskraftmaschinen, inklusive Hybrid, also Verbrenner mit Batterie, werden nach wie vor die absolute Mehrheit bilden. Wir schätzen, dass die reinen Elektroautos 2030 global auf rund zehn Prozent Anteil kommen werden, nicht mehr. Und der Wasserstoff wird dann beginnen. Wobei 2030 ja nicht so fern ist.

Hat die Klimadebatte bei Magna zu Veränderungen geführt?
Wir haben einen Nachhaltigkeitsreport, wir werden ab 2022, auch bedingt durch unsere Kunden, CO2-neutral produzieren. Das ist unser tägliches Geschäft, an dem wir uns ausrichten müssen und wo auch wir unsere Klimaziele verfolgen.

In dieser Woche wird in Frankfurt die Internationale Automobilmesse eröffnet. Magna ist mit einem Stand vertreten. Aber sieht man von den großen deutschen Autobauern ab, hat nahezu die gesamte Branche abgesagt. Fallen die klassischen Autosalons auch dem Wandel zum Opfer?
Wir waren in Frankfurt jahrelang nicht dabei, jetzt sind wir seit vier Jahren wieder dabei – und jetzt werden wir beobachten, wie sich diese Messe entwickelt, und danach entscheiden, ob wir nächstes Jahr wieder vertreten sind.

Wie groß ist Magna mittlerweile in China?
Wir haben dort mehr als 50 Werke und 27.000 Beschäftigte.
Wie viele Komplettfahrzeuge werden künftig dort gebaut?
Ab 2021 haben wir eine mögliche Kapazität von 150.000 Einheiten pro Jahr.

Sehen Sie eine Chance für ein chinesisches Auto in Europa?
Vor 50 Jahren ist Toyota aus Japan nach Europa und Nordamerika gekommen, vor 30 Jahren waren es die Koreaner, wann kommen die Chinesen? Diese Frage haben wir uns gestellt, aber irgendwann werden sie kommen.

Aufgrund der politischen Situation in Österreich und den Neuwahlen sind Reformvorhaben für den Wirtschaftsstandort halb gar liegen geblieben. Welche Standortimpulse erwarten Sie von einer neuen Bundesregierung?
Wir erwarten uns Kontinuität in der Regierungsarbeit und nicht einen ständigen Wechsel der Spieler.