In den Logistikzentren Hagenbrunn und Inzersdorf arbeiten wieder ausschließlich Beschäftigte der Post: Ziehen Sie Konsequenzen daraus, dass das Bundesheer aushelfen musste?
GEORG PÖLZL: Wir schärfen laufend unsere Sicherheits- und Hygienekonzepte nach. Das Bundesheer für je zwei Wochen hinzuzuziehen war ein bewusster Schritt, um die Gesundheit unserer Mitarbeiter zu sichern. Die Maßnahme war nicht behördlich angeordnet. In der Diskussion mit den Gesundheitsbehörden haben wir aber beschlossen, die Infektionsketten, die sich abgezeichnet haben, zu durchbrechen, indem wir die gesamte Mannschaft austauschten. Ich erinnere daran, dass wir in Österreich 15 Logistikzentren haben, die alle nach denselben Vorschriften geführt werden.

Warum kam es dann ausgerechnet in zwei Zentren zu massiven Ausbrüchen von Covid-19?
Hier ist eine abschließende Beurteilung noch nicht erfolgt. Wir haben die Krankheitshäufungen sehr früh erkannt. Die Frage war, woher bekommen wir kurzfristig für 14 Tage 300 Mitarbeiter her? Da sind wir auf die Möglichkeit gekommen, das Bundesheer zu fragen, das dankenswerterweise sehr schnell und professionell reagiert hat.

Am Beginn der Krise ist die Post ähnlich wie der Handel gefeiert worden. Der Bundesheer-Einsatz kehrte das um, weil die Leiharbeit in den Fokus rückte. Berechtigte Kritik oder Polemik?
Die Post steht in allem, was sie tut, sehr stark im Interesse der Öffentlichkeit. Es gelingt immer, sich über die Post zu profilieren. Wir sind hier in ein parteipolitisches Hickhack geraten und wurden mit Vorwürfen konfrontiert, die einfach lächerlich sind. Das geht bis zur Ankündigung, den Post-Vorstand wegen organisierter Schwarzarbeit anzuzeigen. Das ist absurd und haltlos. Es wurden alle Zeitarbeitsfirmen mit aufs Korn genommen und die Gewerkschaft hat versucht, politisches Kleingeld auf dem Rücken der Post zu wechseln.

Hätte die Post die Kommunikation anders machen müssen?
Meines Erachtens nicht. Wir sind in der elften Woche eines Ausnahmezustandes und sind gefordert wie kaum ein anderes Unternehmen durch Paketmengen, die auf das Niveau von Weihnachten explodiert sind. Eingerichtet sind wir auf eine Kapazität in der Größenordnung von 400.000 bis 500.000 Stück am Tag. Wir sind jetzt deutlich darüber – bei 600.000 bis 700.000 Stück. Wenn wir also die Normalkapazität über Wochen um 50 Prozent überschreiten, führt das in jedem Betrieb zu einer extremen Herausforderung. Wenn das Ganze aber auch noch unter hygienischen Maßnahmen in einem eingeschränkten Betriebszustand passiert, ist das wirklich schwierig. Wir haben in der gesamten Zeit die Zustellung aufrecht erhalten, auch in Quarantänegebieten. Wir sind ein „Last Man Standing“ in der Versorgung der Bevölkerung.

Sind die Kritiker des Heereseinsatzes an Sie herangetreten?
Ich führe die Diskussion gerne mit jedermann, aber mit der Post führt die ja niemand, sondern sie wird lieber über die Medien ausgetragen. Gewisse Parteien und Gewerkschaften nutzen diese für ihre Zwecke und verwenden die Post und die Coronakrise als Trägerrakete. Damit kann ich aber leben, da ich es gewohnt bin, ein so wichtiges Unternehmen nach außen zu vertreten.

Zur Zeitarbeit stehen Sie?
Ja natürlich. Es geht nicht anders. Wir greifen immer wieder darauf zurück.

Die Gewerkschaft fordert eine gesetzliche Beschränkung von Leiharbeit. Sinnvoll?
Ich würde das begrüßen. Von unserem Paketvolumen werden etwa 20 Prozent von nicht bei der Post angestellten Mitarbeitern ausgeliefert. Wenn das eine Regel wird, der sich alle Paketfirmen unterwerfen müssen, haben wir sicher das geringste Problem damit. Denn es gibt Wettbewerber, da sind es 100 Prozent.

Wird das aktuelle Niveau im Paketbereich die neue Normalität?
Wir haben heuer schon mit einem Wachstum gerechnet und wurden nun freilich überrascht. Ich glaube, dass das neue Niveau etwas unter dem aktuellen liegen wird – im heurigen Jahr. In den kommenden Jahren werden wir auf dieser Basis ein weiteres Wachstum sehen.

Was heißt das für die Post?
Das hängt immer stark von der Frage ab, wie unsere Wettbewerber aufrüsten. Wir wissen, dass Amazon die Eigenzustellung ausbaut, wir kennen die Aktivitäten von anderen. Das ist ein dynamischer Markt. Ich gehe davon aus, dass wir das Paketvolumen auf einem höheren Niveau als ursprünglich angenommen erleben werden.

Die Post investiert bereits massiv in die Paketlogistik. Muss man dennoch nachschärfen?
Wir haben ein sehr ambitioniertes Ausbauprogramm. Ein Großteil der circa 160 Millionen Euro, die wir 2020 investieren, gehen in die Paketlogistik. Als nächstes wird das neue Logistikzentrum in Kalsdorf bei Graz im Sommer in Betrieb genommen. Das ist ein großer Schritt und weitere werden folgen.

Spüren Sie den Trend zur Regionalität?
Ja. Hier setzen wir seit Jahren durch unsere Plattform shöpping.at ein klares Zeichen. Als der Trend von E-Commerce-Bestellungen aus dem Ausland stärker wurde, haben wir shöpping.at mit dem Ziel aufgebaut, österreichische Händler zu unterstützen.

Bis Corona galt shöpping.at nicht als Erfolgsmodell.
shöpping.at ist ein Start-up und ich bin immer wieder überrascht, dass man vom ersten Tag an Gewinne erwartet. Der Aufbau ist ein schwieriges Unterfangen, aber seit unserem Marktlaunch entwickelt es sich positiv. Durch Corona bekam shöpping.at starken Rückenwind, aber auch davor waren wir gut in der Spur. Ich habe immer gesagt, gebt diesem Unternehmen Zeit.

Welches Ziel setzen Sie?
Bis in den Herbst wollen wir gut 1000 Händler an Bord haben. Der Umsatz soll sich deutlich erhöhen und so soll es weitergehen: mehr Händler, breiteres Sortiment, mehr Attraktivität.

Wirtschaftsministerin Schramböck will ein digitales „Kaufhaus Österreich“ aufbauen. Ist eine Zusammenarbeit geplant?
Selbstverständlich. Das „Kaufhaus Österreich“ gibt es mit shöpping.at schon, wir sind in guten Gesprächen mit dem Ministerium und offen für jede Art der Kooperation.

Wird es eine weitere Plattform geben?
Österreich ist zu klein, dass man zu viele Aktivitäten nebeneinander finanzieren könnte. Ich weiß, was es heißt, diese Plattform aufzubauen und was es kostet. Es würde keinen Sinn machen, das parallel noch einmal zu machen.

Seit Kurzem ist die Post auch wieder eine Bank – wie läuft der Start der bank99?
Wir haben bereits über 30.000 Konten – nicht einmal zehn Wochen nach dem Start. Die bank99 ist eine komfortable Online- und Filialbank, in Summe eine positive Überraschung. Das habe ich unter Corona-Bedingungen nicht erwartet.

Das Konzept?
Wir wollen die Bank für jene sein, die einfache, verständliche, faire Bankprodukte haben wollen, das Ganze ergänzt mit Filialen österreichweit – das kommt offenbar gut an. Während sich andere Banken aus der Fläche zurückziehen, meinen wir, dass die Kombination aus Postdienstleistungen und Bankdienstleistungen ein Angebot ist, das zu diesen Kosten niemand sonst darstellen kann. Wir sind eine Retailbank, die die Grundbedürfnisse abdeckt.

Wenn sich andere Banken davon zurückziehen, warum macht die Post es?
Die Österreichische Post bietet seit 140 Jahren Bankdienstleistungen an, das wollen wir auch künftig tun. Nicht nur online, wie die meisten Wettbewerber, sondern auch in gewohnter Weise vor Ort in unseren 1800 Filialen und Post-Partnern. Dieses Poststellennetz wollen wir ja auch für unser Paket- und Briefgeschäft aufrechterhalten.