Der Wiener Aktienmarkt hat seine Talfahrt vom Vortag am Freitag noch einmal beschleunigt fortgesetzt. Die umfangreichen Zollankündigungen des US-Präsidenten Donald Trump sorgten zum Wochenausklang unverändert für eine düstere Stimmung an den Börsen weltweit. Nach der Ankündigung von Vergeltungszöllen der chinesischen Regierung wurden die bereits massiven Kursverluste noch einmal ausgeweitet.
Im Vergleich zum schwachen europäischen Umfeld fielen die Abschläge in Wien aufgrund der hohen Gewichtung der Bankaktien zudem noch einmal deutlich stärker aus. Der ATX sank um 5,95 Prozent auf 3.762,81 Punkte. Das ist der größte Tagesverlust seit den Bankenturbulenzen in den USA und der Credit Suisse im März 2023.
Darüber hinaus verbuchte der Leitindex einen herben Wochenverlust von 9,9 Prozent, das ist die schlechteste Wochenbilanz seit Beginn der russischen Offensive in der Ukraine 2022. Mit einem Rückgang von mittlerweile mehr als 13 Prozent vom Mehrjahreshoch von Mitte März sehen Charttechniker den Leitindex zudem im Korrekturbereich. Ein Großteil der bisherigen Kursgewinne des laufenden Jahres ist bereits weggeschmolzen. Für den ATX Prime ging es am Freitag um 6,08 Prozent auf 1.888,16 Zähler hinab.
„Wir sind mittendrin in der Eskalationsspirale“
Chinas Gegenzölle auf US-Importe in Höhe von 34 Prozent seien ein „deutliches Zeichen, dass wir mittendrin sind in der Eskalationsspirale“, kommentierte Carsten Brzeski von der Bank ING. Damit nehme die Gefahr zu, dass andere Länder, oder auch die EU, dem Beispiel folgen werden.
In Wien gerieten ansonsten zyklische Aktien deutlich unter die Räder und gaben einen großen Teil der Gewinne von Februar und März wieder ab. Porr und Strabag fielen um 7,5 beziehungsweise 10,4 Prozent, die beiden Bauaktien waren im ersten Quartal die unangefochtenen Spitzenreiter am heimischen Markt.
Vergleichsweise geringe Verluste verbuchten lediglich einige defensive Werte. Telekom Austria schlossen mit minus 1,6 Prozent als bester ATX-Wert.
DAX mit Wochenminus von 8,1 Prozent
Auch die europäischen Leitbörsen haben am Freitag erneut mit tiefroten Vorzeichen geschlossen. „Spätestens heute hat der nächste Handelskrieg begonnen. Und an den Börsen flüchten die Anleger in Scharen“, schreibt Christian Henke vom Broker IG. Die Anleger befürchten, dass das gewaltige Zollpaket des US-Präsidenten die Weltwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen könnte.“Wir erwarten, dass der von den USA verkündete Zollschock weitreichende negative Konsequenzen für die gesamte Weltwirtschaft und alle Länder der EU haben wird. Auf Ebene der Branchen sind vor allem der Maschinenbau-, Pharma- und Automobilsektor in Europa besonders exponiert. Vorerst ist die Pharmabranche von US-Zöllen jedoch ausgenommen, was aufgrund der wesentlichen Bedeutung für die EU wenigstens eine gute Nachricht ist“, schreiben die Experten der Erste Group.
Zuletzt berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, dass Trump allerdings auch für diesen Bereich Pläne hat. „Ich denke, dass die Pharmazölle in einem Ausmaß eingeführt werden, wie man es noch nie zuvor gesehen hat“, sagte Trump vor Reportern an Bord der Air Force One laut Reuters.
Der Euro-Stoxx-50 schloss um 4,60 Prozent schwächer auf 4.878,31 Punkten und verbuchte damit ein Wochenminus von 8,5 Prozent. Der deutsche DAX beendete die Sitzung um 4,95 Prozent tiefer auf 20.641,72 Zählern. Der britische FTSE-100 verlor 4,95 Prozent auf 8.054,98 Einheiten. Auf Wochensicht ging es in Frankfurt um 8,1 Prozent und in London um 7 Prozent nach unten.
Auch an den US-Börsen selbst zeigten die Pfeile – nach den heftigen Verlusten vom Donnerstag – im Handelsverlauf am Freitag abermals steil nach unten.
„Marktvertrauen massiv erschüttert“
Analyst Salah-Eddine Bouhmidi vom Broker IG sprach von einem „Schwarzen Freitag“ an den Märkten: „Die Ankündigung neuer Zölle durch Präsident Trump hat das Marktvertrauen massiv erschüttert.“ Lori Calvasina, die US-Chefstrategin der kanadischen Investmentbank RBC, spürt inzwischen regelrechte Wachstumsangst an der Wall Street - so wie in den Jahren 2010, 2011, 2015 bis 2016 und 2018. Auch die US-Börsen zeigten sich am Freitag erneut mit kräftigen Kurseinbußen.
Mit Blick auf das Branchentableau in Europa wiesen wie bereits am Vortag Bankwerte die größten Verluste auf. Hier belasteten fallende Marktzinsen, da Marktteilnehmer damit rechnen, dass die Notenbanken bei einer schwächelnden Weltwirtschaft mit Zinssenkungen gegensteuern müssen.
Der europäische Branchenindex Stoxx Europe 600 Banks sackte 8,4 Prozent hinab und radierte so seine Kursgewinne der vergangenen zwei Monate aus. Branchengrößen wie die Banco Santander, Unicredit, BBVA, Societe Generale und Deutsche Bank rasselten jeweils zwischen 8,8 und 10,5 Prozent hinab. Ebenfalls tiefrot schlossen zyklische Sektoren wie Grundstoffe, Reisewerte und Öl- und Gastitel.