Es sind gerade einmal 30 Meter, doch die sind eine große Errungenschaft: Dem Naturschutzbund ist es mit Unterstützung der Privatklinik Ragnitz gelungen, ein Stück Bach im Grazer Stadtgebiet zu renaturieren. „Hauptsächlich haben wir hier die großen Felsblöcke entfernt, mit denen das Ufer befestigt wurde, und Weiden und Schwarzerlen gepflanzt, die für eine natürliche Uferbefestigung sorgen sollen“, sagt Projektleiter Oliver Zweidick. Eine Sohlschwelle wurde teilweise herausgenommen und die angrenzende Sohlpflasterung aufgebrochen. Entstehen soll hier ein wichtiger Lebensraum – die „Wurzelbärte“, also die feinen, ins Wasser ragenden Wurzeln der Uferpflanzen, sind wichtig für Insektenlarven, ganz besonders die Köcherfliegenart „Adicella balcanica“, die sonst, wie der Name schon verrät, am Balkan zu finden ist. Vor fünf Jahren wurde sie hier am Ragnitzbach erstmals in Österreich nachgewiesen. Die Larven knabbern an den feinen Wurzeln, bilden aber auch ihre zylindrischen Wohngehäuse („Köcher“) daraus.
Umgesetzt wurden die aus Spenden finanzierten Maßnahmen in wenigen Stunden. „Davor haben wir aber ein ganzes Jahr lang verhandelt“, erzählt Andrea Pavlovec-Meixner, die Vizepräsidentin des Naturschutzbunds Steiermark. Bedenken hatte es nicht etwa wegen einer etwaigen Hochwassergefahr gegeben – darauf haben die Maßnahmen nämlich kaum Auswirkungen –, sondern es ging um die Sorge vor Verklausungen, die aber entkräftet werden konnte. Geplant und begleitet wurden die ökologischen Strukturierungsmaßnahmen vom Naturschutzbund, der Fischereipächter des Gewässers ist. Die Mavie Med. Holding GmbH als Eigentümerin der Privatklinik Graz Ragnitz hat den Veränderungen im Bereich ihres wasserrechtlich bewilligten Anlagenbereichs nicht nur zugestimmt, sondern das Projekt, das auch im Sinn des im Vorjahr heiß diskutierten EU-Renaturierungsgesetzes („Nature Restoration Law“) umgesetzt wurde, auch gefördert.
Ein Stück weit soll der Bach so auch zurück zu seinem natürlichen Verlauf finden – heißt nicht so gerade wie jetzt, sondern viel stärker mäandrierend. „Das hat man ab den 1850er Jahren geändert, man hat Flüsse mit Steinen begradigt und sie hart verbaut, vor allem, um so nutzbares Land zu gewinnen“, sagt Zweidick. Die ökologischen Auswirkungen seien den Verantwortlichen damals nicht bewusst gewesen, jetzt sei der Rückbau sehr mühsam und insbesondere im Stadtgebiet kaum noch möglich. „Die Interessen, was das Land angeht, haben sich freilich auch nicht geändert“, so Zweidick.
Dennoch rückt die Wiederherstellung naturnaher Fließgewässerabschnitte jetzt für den Naturschutzbund, der neben dem Ragnitzbach auch am Mariatroster-, Stifting- und Leonhardbach Fischereipächter ist, stärker in den Fokus. Bislang hat man sich überwiegend darauf konzentriert, bauliche Maßnahmen von Anrainerinnen und Anrainern an und in den Bächen auf ihre ökologischen Auswirkungen zu prüfen. „Bei neuen Hochwasserschutzmaßnahmen sollte die Stadt Graz künftig verstärkt auf die Ufersicherung durch heimische Bäume statt Wasserbausteinen setzen“, fordert Pavlovec-Meixner.
Wie viel die Maßnahmen im Ragnitzbach bringen, will man mit einer erneuten Beprobung evaluieren. „Es wäre super, wenn wir mit diesem Projekt eine Vorbildwirkung hätten“, sagen Zweidick und Pavlovec-Meixner unisono.