Hundert Jahre Bauer wurden noch groß am Firmenstandort in Gries gefeiert, dann folgten turbulente Zeiten in der Grazer Schnapsfabrik: Die lukrative Jägermeisterabfüllung wurde bekanntlich aus Graz abgezogen, während den Österreich-Vertrieb der ehemalige Bauer-Geschäftsführer Oliver Dombrowski mit seiner neuen Firma Liquid Spirits in Werndorf übernahm. Die Firma Bauer selbst startete nach einer Insolvenz mit neuen Eigentümern neu durch – die zuvor geplante „Schnapserei“ am Joanneumring wurde abgesagt, später auch das Firmengelände an der Ecke Prankergasse und Idlhofgasse, mitten in Gries, verkauft.

„Haben Bauer wieder auf die Überholspur gebracht“

Distillery Krauss: Der Mitgesellschafter und Geschäftsführer Marco Glawitsch, flankiert von den Produktionspartnern Carmen und Werner Krauss

Die Produkte von Bauer werden längst nicht mehr in Gries, sondern im weststeirischen Sulmtal gebrannt und abgefüllt, dort stellt man mit der vielfach international ausgezeichneten „Distillery Krauss“ die steirische Produktion sicher. „Bauer hatte vor der Pandemie einen Marktanteil von 30 Prozent, daran wollen wir wieder anschließen“, sagt Brennerin Carmen Krauss. Dabei sei man auf einem guten Weg, so Geschäftsführer Marco Glawitsch. Man fokussierte auf das Kerngeschäft und strukturierte die Produktion neu. Der Sitz von „Bauerspirits“ ist nun in Pachern, jener der Marken- und Rezeptur-Verwaltungs GmbH am Grazer Joanneumring.

Ein großer Schritt war im Juli das Joint Venture mit der Tiroler Beverage Company, die unter anderem den enorm beliebten Likör „Berliner Luft“ in Österreich vertreibt und von deren starkem Vertriebsnetz man profitieren will. „Damit haben wir wieder eine so starke Vertriebsstruktur, wie wir sie mit Jägermeister hatten“, so Glawitsch. Er ist sich sicher, dass man damit „Bauer wieder auf die Überholspur gebracht“ habe: Mit der optimierten Produktion und einem starken Vertriebspartner seien alle Bausteine für einen langfristigen Erfolg gesetzt. Das Ziel: Bauer als führende Marke in Österreich zu festigen und international zu expandieren.

Jägermeister wanderte zurück nach Deutschland – und zu neuer Firma

Apropos Jägermeister: Von 1967 bis 2020 hatte die Destillerie Bauer in Graz den Kräuterlikör auf Lizenzbasis abgefüllt. Mittlerweile passiert das wieder in der Jägermeister-Zentrale im deutschen Wolfenbüttel sowie im Jägermeister Werk im ostdeutschen Kamenz. Die österreichische Distribution und das Marketing von Jägermeister hat im September 2020 die neu gegründete Liquid Spirits GmbH übernommen – hinter dem Unternehmen steckt Oliver Dombrowski, der zuvor jahrelang die Geschäftsführung der Destillerie Franz Bauer innehatte.

Die Liquid Spirits GmbH ist mittlerweile in Werndorf beheimatet, wo man gerade den Firmensitz kräftig ausgebaut und die Fläche in Zusammenarbeit mit L.S.D. Gastronomiekonzepte (u. a. El Gaucho-Restaurants) auf 1000 Quadratmeter verdoppelt hat. „Mit dem Ausbau unseres Standorts investieren wir sowohl in die Zukunft unseres Unternehmens, als auch in ein Arbeitsumfeld, das Kreativität, Zusammenarbeit und den direkten Austausch mit unseren Kunden fördert“, erklärt Oliver Dombrowski, Geschäftsführer. Herzstück ist eine multifunktionale „Townhall“ mit integrierter Bar. Diese dient sowohl als Treffpunkt für Teammeetings als auch als Bühne für Tastings, Masterclasses und Kundenevents. Auch Angebote für Endkonsumenten – etwa „Bar Basics“-Workshops – sind in Planung.

„Das eröffnet uns völlig neue Möglichkeiten, unsere Marken greifbar zu machen und unser Haus zu einem echten Kompetenzzentrum für hochwertige Spirituosen weiterzuentwickeln.“ Neben Jägermeister betreut man auch die Marken Diplomático, Jack Daniel‘s, Gin Mare oder Woodford Reserve. Die Zeichen stehen also auf Expansion: Neben Raum für mehr Kreativität hat man nun auch Platz für neue Mitarbeitende – das Unternehmen wurde schon zum dritten Mal in Folge als Great Place to Work ausgezeichnet. „Ein inspirierendes Arbeitsumfeld ist für uns ein wesentlicher Erfolgsfaktor“, so Dombrowski. „Wir wollen einen Ort für Kreativität schaffen, an dem sich unser Team wohlfühlt und entfalten kann.“

Was am ehemaligen Standort in Gries passieren soll

Und der alte Standort in Gries? Die Firmenzentrale, die über die Jahrzehnte immer weiter ausgebaut wurde und sich über mehrere Häuser und vor allem auch deren Keller erstreckt, soll künftig gemischt, unter anderem für Wohnungen, genutzt werden. Seitens der neuen Eigentümer gibt es derzeit zur Nachnutzung noch nichts Spruchreifes. „In diesem Viertel sind derzeit mehrere Bebauungspläne in Vorbereitung“, sagt Stadtplanungschef Bernhard Inninger, deshalb würde demnächst eine stadträumliche Leitplanung erstellt werden, vor allem, was Erfordernisse an den öffentlichen Raum angehe.