Genau 100 Tage nach Ihrer Präsentation als Geschäftsführer wird am Dienstag Sturm-Trainer Christian Ilzer präsentiert. Welche Bilanz ziehen Sie nach 99 Tagen Amtszeit?
ANDREAS SCHICKER: Ich habe zu Beginn gesagt, dass ich nicht weiß, wie ich reagiere, wenn es von allen Seiten reinregnet. Das ist jetzt passiert. Wir haben neun von zehn Spielen verloren, ein komplett neues Trainerteam und auch sehr viele Abgänge in der Mannschaft. Viel mehr kann nicht mehr passieren. Ich glaube aber, dass ich, auch wenn es schwierig war, die Ruhe bewahrt habe.

Haben Sie sich schon gefragt: „Warum tue ich mir das an?“
SCHICKER: Ganz und gar nicht. Hier kann ich etwas bewegen, das taugt mir. Ich habe schnell gemerkt, dass diese Rolle nach Ende meiner aktiven Karriere genau das ist, was ich machen will. Für mich ist es eine super Herausforderung. Ich mag keine 08/15-Tage, das ist hier nicht der Fall. Jetzt geht es erst richtig los.

Was wurde übersehen, dass man sportlich so abstürzt?
SCHICKER: Der Zeit nach dem Cupsieg 2018 war der Schlüssel. Man macht im Erfolg die größten Fehler. Da wird man zu oberflächlich und glaubt, es geht immer so weiter. Die Transfers in dieser Zeit haben nicht so gesessen. Und dann hat man viel zu kurzfristig gedacht und war auf den schnellen Erfolg aus. Deshalb hat es auch etwas Gutes, Sechster geworden zu sein. Damit ist allen bewusst, dass es so nicht mehr weitergehen kann.

Was fehlt dem SK Sturm?
SCHICKER: Kontinuität bzw. langfristige Planungen mit Spielern und Trainern. Aber das geht nicht von heute auf morgen, das braucht Geduld. Darum wird es eine ganz schwierige Saison.

Warum hat Christian Ilzer einen Dreijahresvertrag bekommen?
SCHICKER: Weil ich total überzeugt von ihm bin, wir idente  Vorstellungen haben und er perfekt zu unserem Weg passt. Der Trainer ist das entscheidende Puzzleteil, damit alles funktioniert. Wir müssen aber auch eine funktionierende Mannschaft zusammenzustellen.

Christian Ilzer
Christian Ilzer © GEPA

Warum soll Ilzer besser funktionieren als seine Vorgänger?
SCHICKER: Weil er nicht vo Tag eins den Druck hat wie andere Trainer. Wir verfallen sicher nicht mehr in Panik, wenn ein Rückschlag kommt und wir nicht in der Meistergruppe sind. Dazu genießt er mein Vertrauen und hat meine volle Rückendeckung.

Was passiert mit Ilzer, wenn es 2020/21 nur für die Qualifikationsgruppe reicht und kein Europacupplatz herausschaut?
SCHICKER: Dann geht er als Sturm-Trainer auch in die Saison 2021/22.

Inwiefern besteht angesichts laufender Verträge die Gefahr, dass die Erwartungshaltung der Fans nicht mit der Realität übereinstimmen wird?
SCHICKER: Wir müssen vorsichtig sein. Es braucht niemand glauben, dass wir nächste Saison nur mit jungen Spielern bestreiten. Das wird noch dauern. Es wird aber so sein, dass die Denkweise im Scouting schon ganz klar in diese Richtung geht. Ich werde sicher nicht vier 28- bis 30-Jährige holen. Aber es kann natürlich sein, dass ich einen Führungsspieler hole, wenn wir von diesem überzeugt sind. Wir brauchen aber definitiv mehr Spieler mit Verkaufspotenzial. Was man auch nicht vergessen darf: Unser Budget ist stark reduziert im Vergleich zum Vorjahr. Wir sind im Bundesliga-Vergleich auch nicht mehr unter den Top vier wie früher. Der LASK und der WAC haben im Gegensatz zu uns sehr viel Geld im Europacup kassiert.

Wer hat eigentlich Ihre Rolle als Chefscout übernommen?
SCHICKER: Diese Aufgabe sehe ich schon in meinem Aufgabenbereich – mit Unterstützung von Bruno Friesenbichler und Paul Pajduch. Ich habe aufgrund meiner Tätigkeit in den vergangenen eineinhalb Jahren sehr viele Spieler im Blick. Wichtig ist es mir, nicht passiv zu scouten, indem wir angebotene Spieler unter die Lupe nehmen, sondern aktiv. Wir müssen jederzeit wissen, wer zu unserem Fußball passt und wie die Vertragslage aussieht. Ich will nur Spieler holen, die zu Sturm passen. Denn ein falscher Transfer ist das Schlimmste. Da ist es besser, keinen zu tätigen.

Werden Sie nur Spieler holen, die Ihr Trainer auch will?
SCHICKER: In der Vergangenheit war das nicht immer optimal. Aber es geht nur gemeinsam. Zwischen Trainer und Geschäftsführer darf kein Löschblatt passen.

Günter Kreissl und Andreas Schicker
Günter Kreissl und Andreas Schicker © GEPA

Bei Ihrem Vorgänger Günter Kreissl war das nicht immer der Fall. Sie werden gerne als sein Lehrbub bezeichnet. Wie gehen Sie damit um?
SCHICKER: Ich habe grundlegende Sachen von ihm gelernt. Aber ich gehe ganz klar meinen eigenen Weg.

Was machen Sie neben dem langfristigen Plan anders als Kreissl und was haben Sie schon verändert?
SCHICKER: Für mich ist wichtig, dass der Trainer seine Vertrauten um sich hat. Dank der Kooperation mit Kapfenberg haben wir nun eine Durchgängigkeit von der Regional- bis in die Bundesliga. Dazu will ich einen geregelten Tagesablauf einführen, alles strukturierter und professioneller aufstellen. Wir haben jetzt einen Gemeinschaftsraum mit Frühstücksmöglichkeit, damit die Mannschaft mehr Zeit gemeinsam verbringt und wieder eine Einheit wird. Auch das Präventivtraining werden wir verstärken mit einem begleitendem Fitnesstrainer.

Bleibt Jon Gorenc-Stankovic der einzige Neuzugang?
SCHICKER: Wenn wir einen Spieler abgeben, können wir einen neuen holen. Ansonsten wird es sehr schwierig.

Jon Gorenc-Stankovic
Jon Gorenc-Stankovic © (c) imago images/PA Images (Richard Sellers)

Lukas Grozurek, Markus Lackner und Emeka Eze sollen weiter den Klub verlassen?
SCHICKER: Ja, das ist der Plan.

Und Lukas Spendlhofer?
SCHICKER: Zu diesem Thema ist genug gesagt worden.

Hat der SK Sturm genug talentierte Nachwuchsspieler?
SCHICKER: Davon bin ich überzeugt. Es ist aber entscheidend, wie diese Spieler die Vorbereitung bei uns und einige dann die Plattform Kapfenberg nützen. Sie müssen schon liefern, sonst wird es zu wenig sein für Sturm.

Wie stehen Sie zu einem möglichen Zweitligaaufstieg mit den Amateuren, sollte Mattersburg die Bundesliga-Lizenz verlieren?
SCHICKER: Angesichts unserer Kooperation mit Kapfenberg tendieren wir dazu, in der Regionalliga zu bleiben. Dort werden ab Herbst viele Spieler des Jahrgangs 2003 dabei sein. Im Idealfall schafft ein 18-Jähriger über Kapfenberg den Sprung zu unseren Profis. Es wäre zudem wünschenswert, wenn in Zukunft ein 18-Jähriger als junger Spieler gilt und er mit 20 schon reichlich Bundesliga-Erfahrung hat.

Wo steht der SK Sturm in Ihrer Idealvorstellung in drei Jahren?
SCHICKER: Ich will, dass wir mutigen Offensivfußball spielen, dazu den einen oder anderen jungen Spieler eingebaut und auch verkauft haben – denn davon leben wir. Im Idealfall sind wir schon wieder eine Nummer in Österreich. Und: Sturm-Fans müssen sich wieder voll und ganz mit dem Klub identifizieren können.