Die Bundesregierung hat in ihrer "Aussprache" mit Standesvertretern der Staatsanwälte heute Vormittag offenbar deren Bedenken nach "Attacken" seitens der ÖVP zerstreuen können: "Wir betrachten diese Vorwürfe als ausgeräumt", sagt ein Standesvertreter in einem Statement nach dem Termin mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Justizministerin Alma Zadić (Grüne) und Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP).

"Wir verurteilen jede parteipolitische Einflussnahme", so Cornelia Koller, Vorsitzende der Vereinigung der Staatsanwälte - die Justiz arbeite jedoch unabhängig von jeglichen Zurufen.

Edtstadler nennt drei Punkte, die sich infolge des Gesprächs unter Zadićs Ägide ändern sollen:

  • Lange Verfahrensdauern sollen reduziert werden
  • Der Rechtsschutz soll ausgebaut werden, "damit sowas wie BVT nicht mehr passiert" - gemeint war die telefonische Genehmigung der Hausdurchsuchung durch einen gestressten Journalrichter
  • Maßnahmen, um "Leaks" aus Verfahren hintanzuhalten

Die türkis-grüne Koalition ist zu ihrer Aussprache mit Vertretern der Staatsanwälte heute um 10 Uhr im Bundeskanzleramt nicht mit ganz leeren Händen angerückt – sondern mit der Zusage, künftig mehr Geld für die Justiz in die Hand zu nehmen. „Ich will, dass die Justiz mit mehr Budget ausgestattet wird. Daher habe ich mit dem Finanzminister besprochen, mehr Mittel im Budget vorzusehen“, sagt Bundeskanzler Sebastian Kurz der Kleinen Zeitung.

Um wie viel der Justiz-Etat steigen soll, will Kurz noch nicht sagen. Als Messlatte stehen rund 90 Millionen Euro mehr im Raum (bei einem Gesamtbudget von zuletzt rund 1,6 Milliarden Euro), mit denen Übergangsjustizminister Clemens Jabloner den Bedarf beziffert hatte, „damit der Betrieb nicht stehen bleibt“. Damit will sich Kurz nicht begnügen: „Ich erwarte mir, dass dieses Mehr an Geld auch zu schnelleren Verfahren insbesondere im Bereich der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft führt.“

Dieses Ergebnis der Auseinandersetzung, in die die Koalition nach informeller Kritik des Kanzlers an der WKStA in den vergangenen Tagen eher ungeplant geschlittert war, dürfte für alle Seiten gesichtswahrend sein. Kurz, der besonders Ermittlungen gegen Ex-Finanzminister Hartwig Löger kritisiert hatte, will, dass „Verbrecher schnell bestraft werden und auf der anderen Seite Personen, die sich nie etwas zuschulden haben kommen lassen, nicht jahrelang etwas vorgeworfen wird“.

Justizministerin Alma Zadić (Grüne) hingegen kann bereits früh in den laufenden Budgetverhandlungen einen absehbaren Sieg für ihr Ressort verbuchen und auf die im Regierungsprogramm fixierte „Stärkung der Korruptionsbekämpfung“ verweisen. Auch die Vertreter der Staatsanwälte, die nach Bekanntwerden von Kurz’ Kritik um die heutige Aussprache gebeten hatten, hatten im Vorfeld mehr Mittel gefordert.

Ob diese Zusage reicht, um den „Angriff auf die Justiz“, den die Staatsanwälte in den Attacken von Kurz (der Kanzler hatte auch SPÖ-Einfluss auf die Justiz in den Raum gestellt) sehen, in ihren Augen zu entschärfen, bleibt abzuwarten.

Amtsmissbrauch-Anzeigen

Zwei Anzeigen hat die Auskunft von Bundeskanzler Kurz (ÖVP) Montag nach der Justiz-"Aussprache" zur Folge, zwei "hochrangige" Journalisten hätten ihm gesagt, dass ihre Medien Akten durchaus auch von Staatsanwälten bekommen hätten. FPÖ und NEOS witterten Amtsmissbrauch und bringen Anzeige gegen - unbekannte - Staatsanwälte ein. Die SPÖ richtet an Kurz eine parlamentarische Anfrage.

Wenn Journalisten aus der Staatsanwaltschaft Informationen über Verfahren erhalten, wäre das "mutmaßlicher Amtsmissbrauch". Da Kurz diesen "nach eigenen Angaben bisher vertuscht und nicht zur Anzeige gebracht hat, wird das die FPÖ übernehmen", kündigte Klubobmann Herbert Kickl in einer Aussendung an. "Unbekannte Täter aus dem Bereich der Staatsanwaltschaft" will die FPÖ bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft anzeigen - und dafür Kurz und zwei "von ihm unter Wahrheitspflicht bekannt zu gebende Journalisten" als Zeugen anbieten.

"Darf nicht vertraulich bleiben"

Auch NEOS werden Anzeige wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs gegen Unbekannt erstatten, mit Kurz als Zeuge. "Wenn er öffentlich sagt, dass ihm Medienvertreter erzählt haben, dass sie Infos aus der StA erhalten, dann darf das nicht vertraulich bleiben", meinte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger auf Twitter.

Die SPÖ fordert Kurz in einer schriftlichen Anfrage auf, seine Behauptungen "zu belegen oder sie öffentlich zu widerrufen". Unter Hinweis, dass Kurz zur wahrheitsgemäßen Beantwortung verpflichtet sei, fragt ihn die SPÖ, welche Journalisten wann und in welchem Rahmen diese Äußerungen getätigt hätten - und warum er nicht Anzeige erstattet habe. Außerdem weist die SPÖ Kurz darauf hin, dass "der fälschliche Vorwurf einer strafbaren Handlung selbst eine strafbare Handlung darstellt (Verleumdung)".

Kurz würde "natürlich" aussagen

In der Justizdebatte hat Kurz am Montag betont, dass er "natürlich unter Wahrheitspflicht aussagen" würde. Im Interview mit "Puls 24" reagierte Kurz damit auf die von FPÖ und NEOS angekündigten Anzeigen wegen Amtsmissbrauch gegen Unbekannte, die den Bundeskanzler als Zeugen laden wollen, weil er erklärt hatte, zwei Journalisten hätten ihm erzählt, Akten von Staatsanwälten bekommen zu haben.

Wenn er als Zeuge einvernommen werde, dann werde er wie jeder andere auch unter Wahrheitspflicht aussagen, betonte Kurz. Er geht aber davon aus, dass es nicht dazu kommen werde, "weil es zu unspezifisch ist". Außerdem hält es der Bundeskanzler für "nicht sinnvoll", einen Journalisten zu outen, "nur weil er besonders mutig war und sich in den Dienst der Sache gestellt und mir das gesagt hat".

Kickl: "Unehrliche Debatte"

Kickl kritisiert die "Unehrlichkeit der Debatte" rund um die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). ÖVP-Minister hätten von 2008 bis Mitte 2019 das Justizministerium geführt und es seien nie lange Verfahren, Personal- und Geldmangel noch parteipolitische Besetzungen Thema gewesen, sagte Kickl bei einem Pressetermin am Montag in Wien.

"Ich habe nie ein Wort der Kritik gehört", so Kickl. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte die WKStA bei einem Journalisten-Hintergrundgespräch im Zusammenhang mit den Ermittlungen um die Causa Casinos kritisiert und damit eine Justizdebatte ausgelöst. "Es ist nicht verboten an der Justiz Kritik zu üben", sagte der FPÖ-Klubobmann bei einer Pressekonferenz anlässlich der Landwirtschaftskammerwahlen. Es gehe aber um "die Art und Weise, wie man es macht und wer es macht. Natürlich vertraue ich der Justiz, dass unterscheidet uns vom gegenwärtigen Bundeskanzler".