Eher unbeabsichtigt ist Justizministerin Alma Zadić zum ersten großen Thema ihrer Amtszeit gekommen: In den vergangenen Tagen ist die Frage, ob und wie die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) umgebaut werden soll, ins Scheinwerferlicht gerückt. Im Regierungsprogramm ist unter dem Titel „Stärkung der Korruptionsbekämpfung“ die Rede von Evaluierung und „Präzisierung der Zuständigkeiten der WKStA“.

Die rund 40 Staatsanwälte sowie etliche Finanz- und Computerexperten starke Behörde war in den vergangenen Jahren mehrfach in die Kritik geraten. Einerseits überlanger Verfahren wegen; andererseits, weil sie in den Ermittlungen gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung die vom Kabinett des damaligen Innenministers Herbert Kickl (FPÖ) geforderten Untersuchungen unterstützt und bis zur Hausdurchsuchung im BVT mitbetrieben hatte.

Löger, Pröll und Rothensteiner im Visier

Das ist die eine Erzählung. Die andere: Durch ihre Arbeit in Korruptionsverfahren haben sich die Staatsanwälte in der Politik wenige Freunde gemacht.

Zuletzt eben in der ÖVP, weil im Rahmen der Postenschacher- und Gesetzeskaufs-Ermittlungen rund um die Casinos Austria auch der ehemalige Finanzminister Hartwig Löger sowie Casinos-Aufsichtsräte und Raiffeisen-Funktionäre, Josef Pröll und Walter Rothensteiner, ins Visier der Ermittlungen gekommen sind – und Details dieser Ermittlungen ihren Weg an die Öffentlichkeit gefunden hatten. (In der Regel passiert so etwas über Anwälte, die Akteneinsicht haben.)

Dass Pröll und Rothensteiner vor Kurzem einen Termin bei Christian Pilnacek hatten, dem Leiter der Strafrechtssektion – der, wie Anfragen von Neos-Abgeordneter Stephanie Krisper zeigen, nicht nur die Aufsicht über das Verfahren innehat, sondern auch eine Arbeitsgruppe zur Evaluierung der WKStA führte –, stärkt den Verdacht der Opposition, die Reform solle auf eine Schwächung der Behörde hinauslaufen (was die ÖVP dementiert).

Protest kommt von der Vereinigung der Staatsanwälte: Den Beschuldigten in der Casinos-Affäre stehe frei, Rechtsmittel gegen die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft zu ergreifen, heißt es in einem offenen Brief an Kanzler Sebastian Kurz am Mittwoch: „Wenn jemand der Meinung ist, dass Ermittlungen zu Unrecht geführt werden, ist der Rechtsweg zu beschreiten.“

Die Justizministerin beruhigt: Die WKStA arbeite „objektiv und unabhängig“, sagt Zadić – die Regierung ziele auf eine Stärkung ab. Eine Einschränkung der Zuständigkeit der WKStA für Wirtschaftsprozesse sei „nicht geplant“.

Was dagegen in Zadićs Ressort geplant ist:

  • Ressourcen: Neben dem Verteidigungsressort gilt die Justiz als jenes, das am stärksten unter Geldmangel leidet: Rund 90 Millionen Euro mehr pro Jahr brauche es, um nur den Betrieb aufrechtzuerhalten, so Zadićs Vorgänger Clemens Jabloner. Budgetverhandlungen laufen.
  • Digitalisierung: Nachholbedarf hat die Justiz in Sachen Digitalisierung: Unter anderem sieht das Regierungsprogramm vor, dass bis Ende 2022 alle Verfahren digital verwaltet werden; Verfahrensakten sollen online einsehbar sein. Parallel sollen Gebühren evaluiert werden.
  • Flexiblere Richter: Zwischen ordentlichen und Verwaltungsrichtern soll es mehr Durchlässigkeit und einheitliche Ausbildungsstandards geben. Das Dienstrecht von Richtern und Staatsanwälten soll angepasst werden, um bisher unattraktive Jobs wie Familienrichter aufzuwerten.
  • Neue Anstalten: Die überlasteten Justizanstalten sollen saniert und modernisiert werden – Entlastung sollen Verhandlungen über „Haft in der Heimat“ bringen. Außerdem stehen seit Jahren Reformen des Maßnahmenvollzugs für Rückfalls-, Sucht- und geistig abnorme Straftäter an.
  • Hass im Netz: Bisher hat die Justiz noch keinen einheitlichen Umgang mit Hassbotschaften in digitalen Medien gefunden. Unter anderem sollen Opfer künftig besser unterstützt, die Expertise in Staatsanwaltschaften gebündelt und in bestimmten Fällen Ermittlungspflicht eingeführt werden
  • Sicherungshaft: Eine mit der Verfassung konforme neue Haftform, die „Sicherungshaft zum Schutz der Allgemeinheit“, soll als Konsequenz des Mordes an einem Asylbeamten in Dornbirn geprüft werden – was der ÖVP sehr wichtig ist, für die Grünen problematisch. Das Justizressort soll evaluieren.
  • Lücken im Strafrecht: Auch im Strafrecht steht eine Reihe von Evaluierungen an: Unter anderem sollen Lücken in der Umweltkriminalität, dem Unternehmensstrafrecht und dem NS-Verbotsgesetz geschlossen werden. Auch eine Reform des weit gefassten Untreue-Wirtschaftstatbestandes wird geprüft