"Es ist ein Krieg, ein Kampf bis aufs Messer, um jede Straße, jeden Gemeindebau, jede Stadt und jedes Land Europas“, hat sich Martin Sellner für eine Rede 2015 notiert, die er in jenem Haus in Linz plante, das nun als Beweis der Verbindung des Vereins zur FPÖ gilt. Und weiter: „Damit dieser Krieg gewonnen werden kann, muss er begonnen werden – auch von unserer Seite!“

Der Kleinen Zeitung liegen bisher unveröffentlichte Unterlagen aus dem Grazer Gerichtsakt gegen die Führungsebene der Identitären vor. Sellner und 16 andere wurden Mitte 2018 vom Vorwurf der kriminellen Vereinigung und Verhetzung freigesprochen. Die Unterlagen geben Einblick in die Organisation und sektenhafte Geisteswelt des Vereins – und seine Beziehung zu den Freiheitlichen, die nun um Abgrenzung ringen.

"...wenn nötig mit dem Leben für sie einzutreten"

Ein bei einer Hausdurchsuchung sichergestelltes Organisationskonzept schildert etwa die Hierarchie der Identitären. An der Spitze steht eine Führungsriege, in Anlehnung an griechische Bürgermilizen „Hopliten“ genannt: „Wer zu diesem Kreis gehören will, muss einen Schnitt in seine Biografie machen und sein gesamtes Leben nach der Identitären Bewegung ausrichten“, heißt es in der statutenartigen Formulierung. Und weiter: „Pflicht sind (...) wehrhaftes Auftreten, Schulung von Geist und Körper, Verteidigung der Ehre und des Ansehens der IBW zu jeder Zeit, Bereitschaft mit Gesicht und Namen für die Sache zu stehen und wenn nötig mit dem Leben für sie einzutreten.“

Eine Stufe darunter sieht die Hierarchie „Spartiaten“ vor: „Die Fäuste der IBW – sie tragen unsere Aktionen auf die Straße“: Demoteilnehmer und Mitarbeiter, die Verteilaktionen und andere Aktivitäten durchführen. Als dritte, letzte – und breiteste – Kategorie sind „Sympathisanten“ vorgesehen: „Der Sympathisantenkreis verankert unsere Gruppe im Volk“, heißt es in dem Papier: Ihre Mitgliedschaft ist nicht formalisiert, sondern passiv.

FPÖ-Medien als Teil des Plans zur Gegenöffentlichkeit

Zutage gefördert hat der Prozess auch eine 2015 ausformulierte Kampagne „Die Integrationslüge“ – ein Dokument, das offenbart, wie strategisch die Identitären geplant haben: „Aufbau einer Gegenöffentlichkeit“ wird ebenso als Ziel genannt wie „Ablösung der herrschenden Ideologie durch Erosion und Subversion oder revolutionären Prozess“. Als Szenarien waren etwa die Ausrufung eines „Bürgerparlaments“ oder die Besetzung von Pressegebäuden und Rundfunk vorgesehen.

Aus sichergestellten Plänen geht auch hervor, wie eng die „Bewegung“ den Paarlauf mit der FPÖ plante: Im Rahmen der „Gegenöffentlichkeit“ werden als Kanäle FPÖ- bzw. FPÖ-nahe Medien genannt, die „mit Wording und Berichten gefüttert“ werden. Darunter etwa „Info-Direkt“, „Zur Zeit“, „Aula“, „unzensuriert“, „Strache Facebook“, „FPÖ-TV“.

Themenwechsel aus Rücksicht auf FPÖ-Regierung

FPÖ-Politiker (und ein vom Team Stronach gewechselter Kurzzeit-ÖVP-Parlamentarier) werden in den Kampagnenplänen als „Lobby“ bezeichnet, die vorab über Aktionen informiert werden sollen, um Druck auf Ministerien und Politiker auszuüben. Außerdem planten die Identitären einen eigenen FPÖ-E-Mail-Verteiler.

Nach dem Regierungswechsel zu Türkis-Blau hat der Verein Anfang 2018 beschlossen, aus Rücksicht auf die FPÖ gemäßigter aufzutreten: „Da die FPÖ als Regierungspartei ihre Vorfeldorganisationen zurückhalten wird, wird die IB (...) als einzige (...) patriotische Organisation übrig bleiben. Aus Rücksicht wurde daher Offene Debatte und nicht Remigration heuer als Kampagnenthema gewählt.“