Österreich verwehrt sich nicht gegen einen etwaigen Import-Stopp von russischem Erdöl. "Österreich ist bereit, ein Öl-Embargo auch konsequent mitzutragen, wenn die Kommission und die Mitgliedstaaten sich dafür entscheiden", sagte Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Montag am Rande eines Sondertreffens der EU-Energieminister in Brüssel. Das Land sei vorbereitet, versicherte Gewessler. Bereits seit März sei in Österreich kein russisches Öl mehr verarbeitet worden.

Die Lage sei aber in den anderen Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich. Es müsse eine Lösung für alle gefunden werden. "Es ist Grundvoraussetzung, dass wir das gemeinsam tragen können", sagte Gewessler. Russlands Präsident Wladimir Putin dürfe es nicht gelingen, "Europa in dieser Frage zu spalten".

Ungarn stellt sich vehement gegen die Pläne

Ungarn drohte unterdessen mit einem Veto. Der ungarische Kanzleramtsminister Gergely Gulyás sagte am Sonntagabend im regierungsnahen Fernsehsender Hir TV, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtete: "Um es klar und deutlich zu sagen: Wir werden Sanktionen (in Hinblick auf Öl- und Gaslieferungen) niemals unterstützen." In der EU ist für solche Sanktionen grundsätzlich die Zustimmung aller Mitgliedsstaaten erforderlich.

Gyulás sagte dazu: "Da man sie nur einstimmig beschließen kann, hat es keinen Sinn, wenn die Europäische Kommission Sanktionen vorschlägt, die die derzeitigen ungarischen Importe einschränken würden." Derzeit könne niemand die russischen Öl- und Gaslieferungen ersetzen. Für eine Umstellung bräuchte es fünf Jahre und "Unmengen von Geld". Die Kommission gebe Ungarn aber nicht nur kein Geld, sondern halte es zurück.

Gulyás spielte auf Finanzhilfen aus dem Corona-Wiederaufbaufonds an, die die EU-Kommission bisher nicht ausbezahlt, weil sie Bedenken wegen der rechtmäßigen Verwendung hat. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán benutzt nach Ansicht von Kritikern EU-Mittel dazu, um Oligarchen zu begünstigen. Zugleich hat Orbán die Abhängigkeit seines Landes von russischen Energieimporten verstärkt. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs trug Ungarn alle bisherigen EU-Sanktionen gegen Moskau mit, lehnt eigene Waffenlieferungen aber strikt ab.

Womöglich Ausnahmen für Ungarn und Slowakei

Insidern zufolge könnte es für die besonders auf Importe angewiesenen EU-Mitgliedsländer Ungarn und Slowakei Sonderregelungen geben. Um die Einheit unter den 27 EU-Staaten zu wahren, werde die EU-Kommission Ungarn und der Slowakei womöglich "eine Ausnahme oder eine lange Übergangsperiode" zugestehen, sagen zwei EU-Vertreter gegenüber Reuters. Ein Öl-Embargo würde ohnehin voraussichtlich phasenweise eingeführt und höchstwahrscheinlich erst ab Anfang kommenden Jahres vollständig greifen.

Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck sieht noch keine generelle Festlegung innerhalb der EU auf einen russischen Öl-Boykott. "Ob ein Öl-Embargo insgesamt jetzt ansteht, das weiß ich nicht", sagte er am Montag in Berlin, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete. Er höre da in der EU unterschiedliches. Deutschland selbst halte es zwar für handhabbar, andere Länder seien aber noch nicht so weit. Man wolle keine ökonomischen Katastrophen auslösen. Ein sofortiger Einfuhrstopp würde aber auch für Deutschland Folgen haben. Das würde Preissprünge oder auch Engpässe bei der Versorgung auslösen. "Dort wird es rumpelig werden, wenn es jetzt stattfinden würde."

Bisher gelten nur noch Ungarn, die Slowakei sowie Spanien, Italien und Griechenland als Bremser eines Boykotts.

Das Problem der Abhängigkeit

Österreich bezog bis zum Frühjahr schon kaum noch Öl aus Russland. Anders als etwa für Deutschland, das mehr als ein Drittel seiner Ölimporte aus Russland bezieht, wäre das für Österreich sogar vergleichsweise einfach: Laut Daten der Statistik Austria und des Fachverbandes der Mineralölindustrie stammten 2021 nur 7,8 Prozent bzw. 596.000 Tonnen der österreichischen Öleinfuhren aus Russland.

FPÖ-Obmann Herbert Kickl forderte unterdessen, dass Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) für Österreich einem Embargo eine klare Absage erteilen müsse. "Denn ein solches würde die Kostenlawine weiter anheizen" und einen Wohlstandsverlust in noch nie da gewesenem Ausmaß verursachen, teilte Kickl in einer Aussendung mit. "Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern ist Österreich mehr auf Erdöllieferungen aus Russland angewiesen." Die Regierung dürfe dem Druck auf EU-Ebene keinen Millimeter nachgeben, sondern müssten sich auf ihre Verpflichtung gegenüber der österreichischen Bevölkerung besinnen, so Kickl.

Wegen des russischen Kriegs in der Ukraine hatten die EU-Staaten bereits ein Importverbot für russische Kohle beschlossen. Die Ukraine und EU-Staaten wie Polen und die baltischen Länder fordern seit Längerem eine Ausweitung auf Öl und Gas. Viele Länder sind allerdings sehr abhängig von russischen Energieimporten.