Trotz verstärkter Bemühungen um ein Ende der Gewalt geht der Raketenbeschuss zwischen Israel und militanten Palästinensern unvermindert weiter. Bei israelischen Luftangriffen kamen 40 Menschen im Gazastreifen ums Leben. Die Armee bombardierte das Haus des Chefs des politischen Flügels der Hamas im Gazastreifen. Ob Yahya al-Sinwar bei dem Angriff getötet wurde, ist unklar. Nach palästinensischen Angaben waren es die bisher schwersten Luftangriffe. In der Stadt Gaza wurden nach Augenzeugenberichten fünf Häuser zerstört. Die israelische Armee teilte mit, dass die zivilen Opfer "unbeabsichtigt" gewesen seien.

Auch Ost-Jerusalem geriet am Sonntagnachmittag neuerlich in den Fokus des Konflikts. Im Viertel Sheikh Jarrah wurden bei einem Anschlag mit einem Auto mehrere Menschen verletzt, darunter vier Polizisten, teilte die israelische Polizei mit. Insgesamt habe es sieben Verletzte gegeben. Nähere Einzelheiten lagen zunächst nicht vor.

Ägypten öffnet die Grenze

Ägypten öffnete am Sonntag den Grenzübergang Rafah zu Gazastreifen, um verletzten Palästinensern den Transport in Krankenhäuser zu ermöglichen. Eigentlich war die Grenzöffnung erst für Montag geplant gewesen, hieß es aus Kairo. Insgesamt sind seit Beginn des Konflikts in der Vorwoche bereits 188 Menschen im Gazastreifen ums Leben gekommen seien, darunter 55 Kinder. 1230 Palästinenser seien verletzt worden. In Israel kamen durch Raketenbeschuss militanter Palästinenser bisher zehn Menschen ums Leben, 282 wurden verletzt. Seit Wochenbeginn wurden rund 3000 Raketen in Richtung Israel abgefeuert.

Rauchwolke über Hamas-Büro

Auf Twitter veröffentlichte die israelische Armee ein Video, auf dem ein durch ein Bombardement schwer beschädigtes Haus zu sehen war, aus dem Rauchwolken aufstiegen. In dem Gebäude in Khan Younis im Süden des Küstengebiets habe sich auch das Büro des Hamas-Chefs im Gazastreifen befunden. Es habe als "militärische Infrastruktur der Terrororganisation Hamas" gedient, teilte die Armee mit. Auch das Haus von Sinwars Bruder Mohammed, ebenfalls ein ranghohes Mitglied der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas, sei angegriffen worden.

Nach Angaben der Armee wurden weitere Büros und Häuser wichtiger Hamas-Mitglieder attackiert. Als Teil der fortwährenden Angriffe auf das unterirdische Tunnelnetzwerk der Hamas, der sogenannten Metro, seien 30 weitere Ziele bombardiert worden. Außerdem habe die Luftwaffe Dutzende Waffenlager und Raketenabschussrampen beschossen. Binnen 24 Stunden habe die Luftwaffe 90 Ziele militanter Palästinenser attackiert.

UN-Sicherheitsrat tagt

Die UNO, die USA und die EU riefen angesichts der steigenden Opferzahlen dringend zur Deeskalation auf. Am Vormittag beriet der UNO-Sicherheitsrat bereits zum dritten Mal innerhalb weniger Tage in einer Sondersitzung. Bei den vorherigen Beratungen hatte es keine Einigung auf eine gemeinsame Erklärung gegeben. Dies lag Teilnehmern zufolge an den USA, die eine Verurteilung ihres Verbündeten Israel ablehnten.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres warnte zum Auftakt der Ratssitzung, es drohe eine "unkontrollierbare" Krise in der ganzen Region. "Dieser sinnlose Kreislauf aus Blutvergießen, Terror und Zerstörung muss sofort aufhören", sagte er. "Ich bin entsetzt über die immer größere Zahl palästinensischer Zivilisten, darunter viele Frauen und Kinder, die durch israelische Luftangriffe in Gaza getötet wurden. Ich bedaure auch die Todesfälle Israels durch Raketen, die aus dem Gazastreifen abgefeuert wurden", sagte Guterres. Als besorgniserregend bezeichnete er auch die Zusammenstöße in Ost-Jerusalem. Guterres erwähnte dabei auch die mögliche Vertreibung einiger palästinensischer Familien aus ihren Häusern, die als einer der Auslöser der gegenwärtigen Krise gilt.

EU berät am Dienstag

Die EU kommt am Dienstag zu einer Krisensitzung zusammen. Bei der Videokonferenz werde es darum gehen, wie "die EU am besten zu einem Ende der derzeitigen Gewalt beitragen" könne, teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell auf Twitter mit. Die Zahl der zivilen Opfer durch die gegenseitigen Angriffe bezeichnete er als "inakzeptabel". Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) forderte einen Drei-Stufen-Plan zur Deeskalation des Konflikts. "Es braucht nun: 1. Einen Stopp des Raketenterrors, 2. Ein Ende der Gewalt und 3. Die Rückkehr zu Gesprächen zwischen Israelis und Palästinensern und über eine Zweistaatenlösung", schrieb er auf Twitter.

Israels Premier Benjamin Netanjahu sagte, die Militärkampagne werde "mit aller Macht" fortgesetzt. Israel werde alles tun, um die Ordnung wiederherzustellen. Er hoffe, dass das nicht allzu lange dauern werde. Bereits am späten Samstagabend hatte er in einer Ansprache gesagt, man befinde sich noch mitten im Einsatz. Dieser werde "so lange wie nötig" fortgesetzt. Hamas-Chef Ismail Haniyeh sagte vor einer Menschenmenge in Katars Hauptstadt Doha, die Schlacht, der Krieg und der Aufstand trügen den Namen "Jerusalem". Dort hatten vor gut einer Woche im Ostteil an der Al-Aqsa-Moschee heftige Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften begonnen.