Herr Ries – Sie arbeiten für B Medical Systems, seit 40 Jahren Weltmarktführer im Bereich der Kühlkette für Impfstoffe: Was sind die die Probleme bei Corona-Vakzinen?
GILLES RIES: Hauptproblem ist, dass sie derzeit meist unterschiedliche Temperaturanforderungen stellen. Daher sind für die verschiedenen Impfstoffe verschiedene Arten von Kühl- und Gefrierschränken nötig. Vakzine wie die von Biontech/Pfizer und Moderna benötigen sehr niedrige Temperaturen, um sicher gelagert werden zu können: -70°C bzw. -20°C. Die neue mRNA-Technologie, die so schnelle Impfstoffentwicklung ermöglicht hat, hat zu extrem thermosensiblen Produkten geführt. Angefangen bei der Sicherstellung, dass genügend Impfstoffe für alle zur Verfügung stehen, ist auch deren Verteilung eine massive Herausforderung: Viele der bereits verfügbaren Impfstoffe gegen verschiedene Krankheiten sind thermosensitiv, das heißt, wenn sie falschen Temperaturen ausgesetzt werden, können sie ihre Wirksamkeit verlieren. Daher ist es wichtig, dass von der Herstellung des Impfstoffs bis zu seiner Verabreichung eine lückenlose Kühlkette vorhanden ist.

Wie kommt das Vakzin unbeschadet an? Auch in Indonesien ein großes Thema
Wie kommt das Vakzin unbeschadet an? Auch in Indonesien ein großes Thema © B Medical Systems

Wie kann das aber in ärmeren Ländern funktionieren?
RIES: Nicht jeder Ort auf der Erde hat eine zuverlässige Energieversorgung, wenn überhaupt, und es kann eine große Herausforderung sein, Kühlkettenlösungen für diese Gebiete bereitzustellen und die dort lebenden Menschen zu impfen. Es ist jedoch nicht unmöglich.

Gilles Ries ist Chief Technology Officer bei BMS
Gilles Ries ist Chief Technology Officer bei BMS © B Medical Systems

Die Corona-Impfstoffe welcher Hersteller sind besonders heikel, welcher "pflegeleichter"?
RIES: Generell gilt: Je kälter ein Impfstoff gelagert werden muss, desto schwieriger ist es, ihn auf der richtigen Temperatur zu halten. Kältere Temperaturen, wie die -70°C, die für den Impfstoff von Pfizer/BioNTech benötigt werden, bedeuten, dass mehr Spezialausrüstung verwendet werden muss und mehr Aufmerksamkeit bei jeder Bewegung der Vakzine erforderlich ist. Impfstoffe, die bei Temperaturen zwischen 2°C und 8°C gelagert werden können wie der von AstraZeneca, sind aus Sicht der Lagerung und des Transports viel einfacher zu handhaben.

Auch in Peru werden keine Mühen gescheut, damit Vakzine einwandfrei ihr Ziel erreichen
Auch in Peru werden keine Mühen gescheut, damit Vakzine einwandfrei ihr Ziel erreichen © B Medical Systems

Bitte erklären Sie in aller Kürze, wie das Equipment funktioniert und was es dafür braucht...
RIES:
Ein Impfstoff-Kühlschrank funktioniert nach dem gleichen Arbeitsprinzip wie ein Kühlschrank im Haushalt: Die Hauptaufgabe besteht darin, die Temperatur eines bestimmten Gegenstands (in diesem speziellen Fall Impfstoffe) unter die Temperatur der Umgebung zu senken und genau innerhalb des zulässigen Temperaturbereichs des Impfstoffs zu halten. Ein "Ultra-Low-Freezer" hat ein etwas anderes kältetechnisches Arbeitskonzept, da der geforderte Temperaturbereich unter -40°C sinkt und extrem niedrige Temperaturen bis zu -86°C erreicht. Hier basiert das Prinzip der Tiefkühlung auf der Verwendung eines zweistufigen Kaskadensystems (oder einer ähnlichen Technologie), das die Vorteile eines kombinierten Wärmeaustauschs zwischen den beiden Stufen nutzt.

Manche Kühlgeräte arbeiten auch mit einem Energie-Gewinnungssystem
Manche Kühlgeräte arbeiten auch mit einem Energie-Gewinnungssystem © B Medical Systems

Welche Innovationen gab es in den letzten Jahren?
RIES: Besonders interessant ist unser Energie-Gewinnungssystem (siehe Bild über diesem Absatz, Anmerkung). Das hat nichts direkt mit der Kühlkette zu tun, ist aber eine Batterie, die mit der überschüssigen Energie der Solargeneratoren geladen wird. Dieses Gerät kann nicht nur im Zusammenhang mit Kühlschränken verwendet werden, sondern es kann andere Geräte laden und hat zusätzlich einen Deckenventilator, der jederzeit eingesetzt werden kann. Im Ganzen ein sehr interessantes Gerät für Entwicklungsländer.

Kühllogistik von BMS in der Demokratentischen Republik Kongo
Kühllogistik von BMS in der Demokratentischen Republik Kongo © B Medical Systems

Wie eng arbeiten Sie mit Unicef, WHO etc. zusammen – und was sind die konkreten Aufträge in Sachen Corona-Pandemie, die Sie derzeit von dort erhalten?
RIES: Wir sind seit 40 Jahren Lieferant der globalen humanitären Einrichtungen wie WHO und UNICEF und haben in den letzten 10 Jahren weltweit mehr als vierhunderttausend Geräte installiert. Aus Gründen der Vertraulichkeit können wir uns aber nicht zu den COVID-19-bezogenen Aufträgen äußern.

Ein "Ultra-Low-Freezer" hat ein anderes kältetechnisches Arbeitskonzept als ein Kühlschrank im Haushalt
Ein "Ultra-Low-Freezer" hat ein anderes kältetechnisches Arbeitskonzept als ein Kühlschrank im Haushalt © B Medical Systems

Gibt es "Impfnationalismus", wie die WHO das anprangert?
RIES: Es ist wichtig, dass niemand zurückgelassen wird, wenn es um Corona-Impfstoffe geht. Eine gerechte Verteilung des Impfstoffs ist wichtig, um die Pandemie zu stoppen und zur Normalität zurückzukehren. Impfbemühungen müssen global sein.