Ikea macht bereits mehr als ein Viertel seines Umsatzes online. War es die fehlende Web-Strategie, die Kika und Leiner in die Insolvenz getrieben hat?
CORDULA CERHA: Das ist zu kurz gegriffen. Möbelhandel ist per se keine Branche mit hoher Versandeignung. Kaum einer kauft sich klassische Möbelstücke wie eine Couch oder ein Bett, ohne darauf gelegen zu haben. Das stationäre Geschäft ist wichtig. 93 Prozent der Ausgaben für Möbel werden in einem stationären Geschäft getätigt. Der Möbelhandel bietet sich für hybride Konzepte an: Click & Collect zum Beispiel bzw. Reservierung & Collect.

Ikea kommt zugute ...
CERHA: ... dass mit Accessoires viel Umsatz gemacht wird, die Produkte standardisiert und versandgeeignet verpackt sind. Und Ikea hat weniger Filialen, die Flächenproduktivität ist höher. Mit Konzepten wie den Planungsstudios rückt man näher zu den Kunden, entwickelt sich mit seinen Zielgruppen mit.

Ikea Planungsstation (in Villach): "Mit den Zielgruppen mitentwickeln"
Ikea Planungsstation (in Villach): "Mit den Zielgruppen mitentwickeln" © Markus Traussnig

Gibt es den einen entscheidenden Fehler bei Kika/Leiner?
CERHA: Es sind diverse strategische Entscheidungen schon vor dem Einstieg von Signa falsch gelaufen. Ein großer Fehler war das Rebranding – also der Entschluss zum gemeinsamen Marketing der doch verschiedenen Marken Kika und Leiner. So etwas geht nur mit einem Masterplan. Dass das missglückt ist, hat man dann ja selbst gemerkt und es wieder rückgängig gemacht. Parallel haben Ikea und XXXLutz expandiert. Durch immer mehr Mitspieler im Accessoire-Bereich kommt dem Möbelhandel dieses Geschäft abhanden.

Kika war Marktführer.
CERHA: Jetzt ist es die ähnlich positionierte Marke Lutz. Als das Unternehmen sich in XXXLutz umtaufte, klang das äußerst ambitioniert, fast größenwahnsinnig. Aber der Plan ging auf.

Wie wichtig ist die Größe des Sortiments?
CERHA: Im Handel generell ist die Erreichbarkeit der Faktor Nummer eins, die Sortimentsbreite folgt knapp dahinter. Entscheidend ist die Sortimentspräsentation. Nicht nur Couch neben Couch, sondern beispielhafte Einrichtungen für unterschiedliche Zielgruppen: WG-Zimmer oder Wohnzimmer für eine Villa. Diese Store-Experience, wie es im Fachjargon genannt wird, ist im Möbelhandel sehr wichtig.

Wie ist es in Zeiten von Zinssteigerungen und erschwerter Kreditvergabe generell um den Möbelhandel im Land bestellt?
CERHA: Er ist überbesetzt. Die Flächenproduktivität ist zu gering: zu viel Handelsfläche pro Einwohner.