So weit auseinander liegen die Konjunkturprognosen von Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo und dem Institut für Höhere Studien (IHS) selten. Wenn das Wifo für 2022 mit einem rasanten Wirtschaftswachstum von 5,2 Prozent rechnet, dann hat das IHS mit 4,2 Prozent doch einen einigermaßen anderen Erwartungshorizont. Allerdings haben beide in ihre aktuellen Prognosen die Virus-Variante Omikron und einen möglichen fünften Lockdown noch nicht eingerechnet. Das bedeutet, dass alle Prognosen mit extrem hohen Unsicherheitsfaktoren behaftet sind.

Wifo-Chef Felbermayr will die 5,2 Prozent auch nicht überbewertet wissen. Er sagt: "Das ist eine Eintagsfliege." Und fällt die Wintertourismus-Saison aus, könnte das einen Prozentpunkt Wachstum kosten, dämpft IHS-Experte Michael Reiter überschwenglichen Optimismus. Reiter zufolge geht das IHS davon aus, dass der Wintertourismus einigermaßen funktioniert und nur rund ein Drittel unter dem Vorkrisenniveau zurückbleibt. Wird wieder dicht gemacht, wird es hier ohne massive Hilfen nicht gehen. Dass sie wirken und Plwitewellen verhindert haben, zeigen die ebenfalls am Mittwoch vom Kreditschutzverband von 1870 veröffentlichten Insolvenzzahlen. 

"Wirtschaft springt relativ schnell wieder an"

Die bisherigen Erfahrungen mit den Lockdowns lassen jedenfalls bei weitem nicht mehr eine Krisenstimmung ausbrechen wie noch im ersten Coronajahr. "Vor einem Jahr waren wir deutlich pessimistischer", ruft IHS-Experte Helmut Hofer in Erinnerung. Heute ist die Lage so, dass viele Wirtschaftszweige längst mit der Pandemie leben gelernt haben. Und sobald Einschränkungen vorbei sind, "springt die Wirtschaft relativ schnell wieder an", sagt auch Reiter. Besonders gut ist es über weite Strecken der Industrie gegangen, wiewohl hier die Dynamik etwas nachlässt, wie beide Institute feststellen. Ein Grund zur Sorge ist das den Experten zufolge nicht, weil die Auftragseingänge hoch sind. Mit einem Abflauen der Lieferkettenprobleme wird ab Mitte 2022 gerechnet. Obwohl diese manche Branchen stark bremsen, werden Österreichs Unternehmen heuer 14 Prozent mehr exportieren.

Die aktuelle Wachstumsdelle durch den Lockdown bezeichnet Wifo-Chef Gabriel Felbermayr als "massive Abbremsung", immerhin schrumpfte die Wirtschaft im vierten Quartal um etwa vier Prozent, was etwa vier Milliarden Euro entspricht. Trotzdem wachse die Wirtschaft im gesamten Jahr um 4,1 Prozent, beim IHS schätzt man das Wachstum auf 4,3 Prozent. Felbermayr geht von einem sehr starken "Rückprall" (Rebound) nach dem Lockdown aus. Was im vierten Quartal etwa an privatem Konsum fehle, verschiebe sich ins nächste Jahr. "Es kommt ein Konsumboom", so Felbermayr, "die angestauten Ersparnisse werden sich entladen". Dazu dürften auch die vergleichsweise sehr gute Lage am Arbeitsmarkt sowie die Effekte aus der nun sofort wirkenden Steuerreform beitragen. Dass ärmere Haushalte am Mittwoch von der Regierung zudem die Nachricht bekommen haben, für die hohe Inflation einen Ausgleich von 150 Euro zu erhalten, kommentiert Felbermayr klar: "Dass das gemacht wird, finde ich gut." Eine solche Einmalzahlung sei sinnvoll. "Das haben wir empfohlen." 

Wifo sieht Inflation bei 2,8 Prozent, IHS bei 3,3

Die hohe Inflation wird Wirtschaft wie Konsumenten noch länger begleiten, das IHS sieht sie allerdings mit 2,8 Prozent im nächsten Jahr im Schnitt genauso hoch wie heuer. Beim Wifo liegt man mit 3,3 Prozent deutlich darüber. Eine Lohn-Preis-Spirale drohe derzeit nicht, beim Wifo mahnt man die Sozialpartner aber zu besonderer Wachsamkeit und Verantwortung.

Das Wifo kann sich als Gegenmaßnahme zu den in die Höhe schießenden Energiepreisen von bereits jetzt schon 14 Prozent auch noch eine Senkung der in Österreich relativ hohen Elektrizitätsabgabe vorstellen – womit auch ein Anreiz für den Umstieg von anderen Energieträgern auf Strom gesetzt werden könnte, argumentiert Felbermayr. "Man muss auf den Strompreis schauen, damit er nicht durch die Decke geht."

Beim IHS hält man wenig von Steuersenkungen, Reiter vertritt diese Ansicht: "Ich würde abraten, die Steuern zu senken, weil der Anstieg der Preise für die Fossilen ein natürliches Element sind, um umzusteigen." Wegen der hohen Energiepreise und des zuletzt von 60 auf 80 Euro gestiegenen CO₂-Preises im Emissionshandel könne man auch mit der Anhebung des vorerst niedrig angesetzten CO₂-Preises für weitere Sektoren ab Jänner etwas abwarten. Reiter: "Es ist vertretbar, das ein bisschen nach hinten zu verschieben."