Tausende Kündigungen drohen bereits dieser Tage ausgesprochen zu werden – trotz Neuregelung der Kurzarbeit?
RENATE ANDERL: Wir müssen mit beidem rechnen: Dass viele größere Betriebe künftig Kurzarbeit machen. Es gibt aber auch viele kleinere Unternehmen wie Friseure oder Blumengeschäfte, die Beschäftigte kündigen werden. Notwendig ist das aber nicht: Die neue Kurzarbeit ist für alle da. Es gilt dafür eine Staffelung – je nach Einkommen erhält man 80 bis 90 Prozent des Nettogehalts. Diese Corona-Kurzarbeit gilt nur in der Zeit der Coronakrise.

Wer gekündigt wird, bekommt vom AMS aber viel weniger.
Ja, das ist problematisch. Es wäre daher gut, wenn es Möglichkeit geben würde, einen Krisenbonus draufzusetzen, damit die Leute nicht bei 55 Prozent ihres Einkommens landen. Lebenserhaltungskosten müssen ja auch alle Beschäftigten leisten, die ihren Job verlieren.

Weil ja auch gekündigte Mitarbeiter liquide bleiben müssen – wie die Unternehmen?
Wir begrüßen, dass die Unternehmen Soforthilfe bekommen, es muss aber auch dafür Sorge getragen werden, dass alle Beschäftigen ein Einkommen haben. Man muss einen Krisenbonus auf das Arbeitslosengeld drauflegen, damit sich nicht eine Riesenzahl von Menschen wie Alleinerzieherinnen ihren Lebensunterhalt nicht mehr leisten kann. Wobei mein Appell an die Unternehmen ganz klar lautet, das Modell der Kurzarbeit anzuwenden, bevor man Beschäftigte kündigt. Es ist wichtig, diese Vereinbarung so rasch als möglich abzuschließen, damit das AMS die Gelder auch so rasch als möglich auszahlen kann.

Wie reibungslos sind die Verhandlungen für das Paket zwischen den Sozialpartnern gelaufen?
Jeder war bemüht, zu einer raschen Lösung zu kommen, jeder hat dafür Abstriche gemacht. Wir insofern, als dass jene, die mehr als die Hälfte der Bemessungsgrundlage verdienen, 80 Prozent ihres Nettogehalts in der Kurzarbeit bekommen und alle Alturlaube aufgebraucht werden müssen. Auch vorhandene Zeitguthaben müssen aufgebraucht werden. Der Jahresurlaub muss aber bestehen bleiben. Sollte nach drei Monaten eine Verlängerung nötig sein, muss man dann ein oder zwei Wochen des bestehenden Urlaubs konsumieren.

Viele sorgen sich, weil auch in den weniger essenziellen Bereichen viele Betriebe offenhalten und eine Arbeitspflicht herrscht. Für Sie nachvollziehbar?
Ich gehe davon aus, dass die Betriebe sehr großzügig sind und sehr unterstützend sind und dort, wo es möglich gibt, Homeoffice anbieten. Wir sagen auch, dass gleichzeitig Homeoffice und Kinderbeaufsichtigung nicht gehen wird. Wer Vollzeit zu Hause arbeiten muss, kann nicht gleichzeitig die Kinderbetreuung machen. Hier muss man zurückstecken. Eine ihre Kinder beaufsichtigende Mutter kann man nicht Vollzeit zu Hause arbeiten lassen.

Was wird noch auf die Arbeitnehmer zukommen?
Ich habe keine Glaskugel vor mir. Wir haben einen unsichtbaren Gegner – einen, von dem wir nicht wissen, wie lange er vorhat bei uns zu bleiben. Es gilt jetzt, den Gegner einzuengen.

Das Sofortpaket mit vier Milliarden Euro wird nicht reichen?
Nein, die vier Milliarden Euro werden nicht reichen.