Alle spüren es: Es wird enger in den Städten. Sie wachsen – und mit ihnen der Verkehr. Das Lamento über verstopfte Straßen machte in jüngerer Zeit immer öfter Schuldige aus, deren bunte Lieferautos, dem rasch wachsenden Onlinehandel zum Dank, nicht nur allen ins Auge stechen, sondern, so die Klage, auch den Platz verstellen würden: Post und Paketdienste.

Aber stimmt dieser Vorwurf? Die Antwort ist: nein. In den Jahren seit 2013 haben sich etwa eine Handvoll Studien mit der Ökologie des Onlinehandels beschäftigt – und alle kamen zu dem Ergebnis, dass der Kauf im Internet und die Lieferung an die Haustür sogar umweltfreundlicher seien als das individuelle Shoppen im Geschäft.

Effizienz entscheidend

Die Erklärung in einem Satz liefert Sebastian Kummer, Professor der Wirtschaftsuni Wien und Leiter der jüngsten Studie: „Eine Paketzustellung ist logistisch gesehen effizienter als ein Individual-Einkauf.“

Aber nicht nur das. Kummer widerlegte auch den Eindruck, dass Paketdienste die Straßen der Stadtzentren beherrschen würden. In Wien haben sie einen Anteil am Gesamtverkehr von nur 0,8 Prozent. Fahrzeuge von Handwerkern kamen auf eine sieben Mal so hohe Zahl. Den weitaus größten Anteil jedoch machen Pkw mit 86,5 Prozent aus.

Ein Drittel weniger CO2

Freilich kann man an dieser Stelle einwenden, dass die Studie eine Auftragsarbeit der Österreichischen Post ist, die vom Online- und Paketboom massiv profitiert. Doch kam 2013 das renommierte Massachusetts Institute of Technology (MIT) bereits zum Schluss, dass Individualeinkäufer im stationären Handel mehr CO2 verursachen als Onlinekunden.

2015 legte dann das Deutsche CleanTech-Institut (DCTI) eine Studie vor. Und demnach entstehen beim individuellen, stationären Einkauf 460 Gramm CO2 je Artikel, beim Onlinekauf aber nur 300 Gramm, also gut ein Drittel weniger. Dabei rechnete das DCTI sowohl die hohe Retourenquote, die mehrmalige Anfahrt von Paketzustellern als auch einen Fahrrad- und Öffi-Anteil bei Individualkäufern mit ein.

Ausgelastete Fahrtrouten

Die Ergebnisse mögen vor allem jene überraschen, die im Onlinegeschäft ein Umweltproblem sehen. Doch liegt die Erklärung in der Effizienz der Zustelldienste. Mit vielen Onlinebestellungen werden die Fahrtrouten ausgelastet, also viele Pakete in einem Fahrzeug transportiert – während das bei privaten Pkw kaum der Fall ist.

Kummer nennt dies die „Sendungskonsolidierung“ und bezeichnet sie als die Kernkompetenz der Paketdienste. „Im Sinn der Kostenminimierung haben sie größtes Interesse daran, die Lieferfahrzeuge auszulasten.“

Die Schwachstelle

Eine Schwachstelle haben die Studien doch. Bis dato ist nicht untersucht, ob Onlineeinkäufe Autofahrten tatsächlich sparen, oder diese sich eventuell nur verlagern – und die Touren der Zusteller so noch zum Individualverkehr hinzukommen.

Peter Umundum, Logistikvorstand der Post (links) und Sebastian Kummer, WU Wien
Peter Umundum, Logistikvorstand der Post (links) und Sebastian Kummer, WU Wien © Österreichische Post AG

Kummer will die Studie nicht als Angriff auf den stationären Handel verstanden wissen, der ohnehin beide Kanäle bedienen müsse. Der Post rät er zudem zur besseren Abstimmung mit Empfängern, zu branchenübergreifenden Paket- und Lagerstationen, um die Effizienz weiter zu steigern, und verweist auf das CO2-Potenzial alternativer Fahrzeugantriebe.

Und die DCTI-Studie gibt allen, die stationäre Geschäfte in ihrer Region unterstützen und dabei umweltfreundlich fahren wollen, den Tipp, den persönlichen Fahrrad- und Öffi-Anteil zu erhöhen.