Noch vor seiner Angelobung hat der designierte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein angekündigt, nicht vor einem bundesweiten Lockdown zurückzuschrecken. Tags darauf bekam er von mehreren Landeshauptleuten heftigen Gegenwind zu spüren. Geht er damit bewusst von Beginn an auf Konfrontationskurs?
KATRIN PRAPROTNIK: Rudolf Anschober hat mit Fortdauer der Pandemie seine Strategie geändert und auf gemeinsame Verhandlungen mit den Landeshauptleuten gesetzt, um Lösungen auf eine breite Basis zu stellen. Mückstein kann als Gesundheitsminister wie sein Vorgänger rechtlich eigenhändig einen Lockdown in ganz Österreich verhängen. Die Landeshauptleute haben aber eine sehr große Macht, die meisten von ihnen sind parteipolitisch mit der ÖVP verbunden. Es wird sich erst zeigen, inwieweit das durchführbar sein wird.

Wovon wird das abhängen?
Der Knackpunkt wird sein, wie sich die Bundes-ÖVP verhält und inwiefern Mückstein von ihr Rückhalt bekommt und dadurch auch Rückhalt von den Landeshauptleuten hat. Anschober hat bei seinem Abschied betont, dass durch die Verhandlungen auf Länderebene erhebliche Mühlen entstanden sind. Jene mit Niederösterreich haben etwa zuletzt gezeigt, dass die Interessenkonflikte größer geworden sind. Die ÖVP kennt natürlich auch ihre Umfragewerte und ist sich der Pandemiemüdigkeit innerhalb der Bevölkerung bewusst. Es wird die Frage sein, inwiefern eine andere Person im Amt auch ein Umdenken bei der ÖVP bewirken kann.

Besteht die Gefahr, dass auch Mückstein als Minister verheizt wird?
Am Ende des Tages muss man sich fragen, wie viel in Zeiten einer Pandemie eine einzelne Person leisten kann. Neben der Sacharbeit und der Arbeit mit den einzelnen Akteuren auf den unterschiedlichen Ebenen kommt auch noch die klare Kommunikation nach außen dazu, die nicht vernachlässigt werden darf. Bei der durchschnittlichen Anzahl an Ministern pro Regierung befindet sich Österreich im westeuropäischen Vergleich am unteren Ende. Gerade während einer Pandemie hätte man sich überlegen können, die Agenden aufzuteilen oder eine Doppelspitze zu installieren, um die Verantwortung auf mehrere Schultern aufzuteilen. Politikerinnen und Politiker sind auch nur Menschen, das darf man nicht vergessen.

Welche politischen Fähigkeiten bringt Wolfgang Mückstein als Minister neben seiner Expertise als Arzt mit?
Ein Pluspunkt ist sicher, dass er beim Koalitionsabkommen für die Bereiche Gesundheit und Soziales auf grüner Seite mitverhandelt hat. Auch in der Ärztekammer hat er als Funktionär schon Erfahrung gesammelt. Abgesehen davon ist er aber ein politischer Quereinsteiger, der aus einem Grundberuf als Allgemeinmediziner einen Riesenschritt in die erste Reihe der politischen Bühne wagt.

Worin liegt die große Herausforderung in seiner Aufgabe?
Er steht mitten in einer Pandemie einem Mega-Ressort mit den Themen Gesundheit, Soziales, Pflege, Konsumentenschutz und Tierschutz vor. Kommunikativ ist er von Beginn an innerhalb des Hauses, mit den Bundesländern und auch auf europäischer Ebene gefordert. Hier ohne Kontakte und der Kenntnis von Strukturen auch noch ordentlich zu verhandeln, ist eine Mammutaufgabe.

Über wie viel Hausmacht verfügt er ohne die Kenntnis der Abläufe im Ministerium und der parteipolitischen Arbeit?
Das gute Zusammenspiel zwischen ihm und seinem Ministerium wird gerade in der jetzigen, sehr kritischen Phase der Pandemie ein wesentlicher Inhalt seiner Arbeit sein. Im Gesundheitsministerium kam es zuletzt immer zu Verstimmungen, die im Abgang von Clemens Martin Auer gegipfelt sind. Hier wird es für ihn darum gehen, die Wogen zu glätten. Er braucht gute Verbindungen zu seinen Mitarbeitern. Die Zeit dafür wird er derzeit aber nur sehr schwer finden, weil er ohne Schonfrist einsteigt.

Mückstein ist nicht die erste Person, die in dieser Regierung als Experte ohne politische Erfahrung zu Ministerehren kommt. Was ändert das an der Arbeit in der Koalition?
Man hat bei Mückstein in seinen ersten Äußerungen gemerkt, dass er seine Rolle als Experte in den Vordergrund stellt. Auf Dauer ist das natürlich nicht ausreichend. Er sitzt genauso im Ministerrat, wo alle Themen der Regierung besprochen und auch mit dem Einstimmigkeitsprinzip beschlossen werden. Für die Regierungsspitze kann es strategisch sinnvoll sein, auf Experten zu setzen. Die haben ihre Fachkenntnis in einem Bereich, gleichzeitig fehlen dadurch politische Schwergewichte, die einem selbst gefährlich oder bei innerparteilichen Konflikten zu stark werden können.