Es war ein Moment im März 2021, in dem die Gräben zwischen Anschober-Kabinett, Beamtenschaft und Außenwelt immer deutlicher sichtbar wurden.

Die politische Entscheidung, mitten in der Pandemie ein Fach wie die Angiologie de facto abzuschaffen – die befristete Ausbildungsverordnung wurde nicht verlängert, deshalb werden keine neuen Angiologen ausgebildet –, stand für das medizinische Unwissen des Kabinetts von Anschober, für die Gleichgültigkeit von Beamten, die jeden Widerstand gegen politische Vorgaben aufgegeben hatten, und für die Fassungslosigkeit in der Ärzteschaft und bei Experten.

Die Angiologie, sie beschäftigt sich mit Gefäßproblemen und ist ein Schlüsselfach in der Bekämpfung von Corona-Erkrankungen, wurde zum Synonym für einen Dauerzustand: Es ging nichts mehr in diesem Gesundheitsministerium – und vor allem bei heiklen Themen ging es nicht um die Sache. 

Anschobers Nachfolger Wolfgang Mückstein steht vor einer Reihe von Baustellen. Die sechs wichtigsten im Überblick: 

1. Anschobers Kabinett und Beamten-Querelen

Das Pandemie-Jahr sowie ungeschickte politische Kabinettsvorstöße und interne Beamten-Querelen haben das Gesundheitsministerium ausgehöhlt: Wissensträger stehen im Abseits oder sind weg, wichtige Abteilungen sind nicht oder nur interimistisch besetzt. Der neue Minister wird aber das Vertrauen der Beamten brauchen, um wichtige Entscheidungen umzusetzen. Er wird als Friedensstifter klären müssen: Welche Arbeit wird auf Kabinettsebene vollzogen und welche auf Beamtenebene? Diese Trennung wurde zuletzt völlig verwässert. Und: Der Umbau der Ministeriums-Sektionen mitten in der Pandemie hat mehr geschadet als genützt.

2. Corona-Ampel bis zur Screening-Datenbank

Die Politik der Ära Anschober hat zwar viele Ideen hervorgebracht – bloß die Umsetzung gelang oft nicht. Die Ideen bewahrten Bundesländer wie Wien nicht vor der prekären aktuellen Situation mit den überfüllten Intensivstationen. Mückstein wird einige Überschriften aus der Ära Anschober streichen müssen – sie kosten Ressourcen, helfen aber in der aktuellen Umsetzung nicht. Auch die Vernetzung der unterschiedlichen Player im System (Ages, GÖG etc.) ist zu überarbeiten. 

3. Der wirkungslose E-Impfpass

Dieser hält nicht, was versprochen wurde, obwohl man Ressourcen und Geld in das Projekt pumpte. Weder kann man damit epidemiologische Forschungen betreiben, noch kann man den E-Impfpass aktuell mit anderen Datenbanken vernetzen. Auch hier wird Mückstein entscheiden müssen, wie und ob es überhaupt weitergeht. 

4. Entwirrung der Verordnungslandschaft

Keiner kennt sich bei den unzähligen Verordnungen aus. Der neue Minister wird gut beraten sein, mit den Bundesländern Strategien aus deren Erfahrungen im Umgang mit der Pandemie zu erarbeiten. Zum Beispiel haben die Länder unterschiedliche Impfstrategien angewandt. Welche Strategie bringt den besten Erfolg, worauf kann man aufbauen? Die Länder, durch Anschober-Ankündigungen und EU-Probleme bei der Impfstoffbeschaffung ohnehin genervt, muss Mückstein ins Boot holen. 

5. Pandemie-Plan und Impfplan

Wie geht es im Herbst und im Winter weiter? Wie baut man einen Pandemie-Plan auf? Wie kann man das Contact Tracing so weiterentwickeln, dass es tatsächlich Wirkung zeigt? Entscheidend wird sein, dass Mückstein die niedergelassenen Ärzte voll und damit stärker integriert. Sie wissen zum Beispiel, wer geimpft werden muss, sie können Differenzierungen innerhalb der Risikogruppen vornehmen, weil sie die Patienten kennen, und so Ungerechtigkeiten vermeiden. 

6. Finanzierung des Gesundheitssystems

Die wohl größte Baustelle: Mückstein wird strategische Aussagen treffen müssen, nicht unbedingt gänzlich neue Lösungsansätze bringen. Wie bindet man niedergelassene Ärzte in Pandemiezeiten ein (Tests, Impfungen etc.)? Reicht die Intensivbettenanzahl? Muss man Kapazitäten erweitern und die Spitäler für Pandemien neu aufstellen? Ist die Normalbettensituation ausreichend? Wie entwickelt man die Pflege weiter, die Pflegeschulen sind oft nicht ausreichend besucht. Das Versprechen, mehr Pflegemitarbeiter in die Spitäler zu bringen, ist nicht zu halten. Erst wenn Mückstein geklärt hat, auf was man sich konzentriert, kann er das Geld verteilen.