Ich wollte mich vor dem Interview selbst testen, mit den Kits, die Sie der Bevölkerung versprochen haben. In den zehn Apotheken, wo ich war, waren sie vergriffen. Warum versprechen Sie Dinge, die Sie nicht halten können?
Es hat keine leeren Versprechen gegeben. Wir haben immer gesagt, für die erste Wochen stehen 600.000 Tests zur Verfügung, nächste Wochen sind es drei Millionen, dann vier bis sieben Millionen. Das ist weltweit einzigartig. Künftig wird jeder Haushalt Selbsttests bei sich zu Hause haben wie heute ein Fieberthermometer.


Am Montag haben Regierung und Landeshauptleute die Öffnung der Gastgärten versprochen, jetzt wackelt alles. Sie haben wieder falsche Hoffnung geweckt?
Ich war der Vorsichtigste und habe gesagt: Wir dürfen nichts, was die Pandemie anheizt, beschließen. Andere wollten eine frühere und umfassendere Öffnung in der ersten März-Hälfte. Wir haben uns auf Ende März, kleine Öffnungsschritte und Schutzmaßnahmen verständigt. Und Vorarlberg ist wegen der stabilen Entwicklung und der geografischen Lage für ein Pilotprojekt prädestiniert.


Was ist in Vorarlberg vorstellbar? Eine Totalöffnung?
Es wird keine Vollöffnung geben, es sollte größere Schritte geben, sonst wäre es kein Pilotprojekt. Es geht um kontrollierte Öffnungsschritte, im Jugendbereich, bei Selbsthilfegruppen, der Kultur und in anderen Bereichen. Die Öffnungen müssen epidemiologisch begründbar sein. Entscheidend sind die virologischen Auswirkungen und die rechtliche Machbarkeit.

Wie groß ist das Risiko, dass alle Öffnungen abgeblasen werden?
Wir sehen derzeit leider eine alarmierende Infektionslage wie im Oktober, als die Lage kurze Zeit später explodiert ist. Ich will einen zweiten Herbst vermeiden, als wir täglich 100 Tote hatten. Wir waren in den Intensivstationen an der Kippe. So was will ich nicht noch einmal erleben. Der Vorteil jetzt ist, es wird immer wärmer. Die Impfungen beginnen zu wirken, wir haben erstmals innerhalb von 24 Stunden keine Toten in Alten- und Pflegeheimen. Bis Ostern werden es die schwierigsten Wochen. Von uns allen hängt es ab, ob nächste Öffnungsschritte hin zu Gastgärten, Kultur möglich sind.

Die „entscheidenden Wochen“, das glaubt doch niemand mehr?
Es ist aber so, dass es in der schwersten Pandemie immer wieder Weichenstellungen gibt. Die Mutationen marschieren in einem extremen Tempo durch. Alle Öffnungsschritte hängen von der Infektionslage ab.

Wird es einen vierten Lockdown geben?
Ich hoffe nicht, dass es einen vierten Lockdown gibt. Es müssen sich bis zum 15. März die Werte stabilisieren. Sonst müssen wir vieles überdenken.

Hat man im Fall von Hermagor aus Rücksicht auf die Gemeinderatswahl zu lang zugewartet?
Ich schaue nach vorne. Künftig wird es so sein, dass jede Region mit einer Inzidenz über 400 Ausreisetestungen vornehmen muss. Man wird nur mit einem negativen Test den Bezirk oder die besonders belastete Gemeinde verlassen können. Damit verhindern wir die Ausbreitung des Virus aus einer hochbelasteten Region heraus.

Einen Gratis-Container mit Impfdosen wird es nicht geben?
Nein, in Schwaz soll ja geschaut werden, wie die Impfung auf die Südafrika-Variante wirkt. Die Idee kam von Virologen wie Florian Krammer oder Dorothee von Laer. Schwaz ist ein Sonderfall, ein erstes europäisches Forschungsprojekt.


AstraZeneca ist jetzt für die Senioren zugelassen. Hat man es aus politischen Gründen getan, weil Bund und Länder bei der Durchimpfung der Senioren ins Hintertreffen geraten sind?
Nein, es gab bisher zu wenig aussagekräftige Studien für die Altersgruppe. Mit AstraZeneca kann man zum Beispiel sehr gut Personen, die nicht mobil sind, in entlegenen Regionen durchimpfen, wo es mit Biontech Probleme wegen der Kühlung geben könnte. Das wird unsere Impfkampagne noch deutlich beschleunigen.

Wenn Sie die Wahl haben zwischen Biontech oder AstraZeneca, welchen Impfstoff nehmen Sie? Seien Sie ehrlich?
Das soll der Arzt entscheiden, der mich impft. Ich nehme jeden Impfstoff und freue mich.

US-Präsident Biden erklärte am Mittwoch, bis Mai seien alle Amerikaner durchgeimpft sein. Wann werden Sie und der Kanzler vor die Öffentlichkeit treten? Vor dem Sommer oder vor Weihnachten?
Merkel hat gesagt: Wir garantieren, dass es bis zum 21. September ein Impfangebot für alle Deutschen gibt. Ich glaube, wir sind schneller.

Im August?
Realistisch ist im Laufe des Sommers. Mich freut, dass sich die Stimmung total gedreht hat in Richtung Impfung.

Es gibt Kritik an der Testpflicht für Lehrer. Warum die Verschärfungen?
Es gibt die Testpflicht für Schüler, es muss die Gleichbehandlung geben. Das ist das gelindere Mittel, um Lockdowns zu vermeiden.

Wann kommt es in Österreich zur Totalöffnung?
Sicherlich nicht vor dem Ende der Impfkampagne.

Und der Grüne Pass?
Vor dem Sommer. Das ist kein Impfpass, sondern ein Immunitätsnachweis. Im freiwilligen Bereich, etwa Fitnesscenter, wird er Anwendung finden. Wo man hinmuss, etwa in die Apotheke, wird es ihn nicht geben. Wir müssen datenschutzrechtlich auf der sicheren Seite sein.

Wann werde ich Ihnen nach einem Interview wieder die Hand geben können?
Wenn wir mit dem Impfprogramm durch sind, also im September. Hoffe ich.