Es geht um Hundertstelsekunden. Das Protokoll, das Polizeisprecher Harald Sörös vorlegt, zeichnet minutiös den Polizeieinsatz von Montagnacht nach. 48 Sekunden nach 20 Uhr verzeichnet das Protokoll einen „Schusswechsel“ in der Seitenstettengasse. „Schießereien werden jeden Tag mehrmals gemeldet, meistens sind es Falschmeldungen“, sagt er. Doch diesmal wird eine halbe Minute später auf Priorität 1 geschaltet. Kurz darauf taucht das Wort „Schrotflinte“ erstmals in einem Anruf auf. Langwaffen, erklärt Sörös, haben eine höhere Durchschlagskraft. Die Kollegen auf Streife springen aus dem Wagen und helfen einander dabei, die ballistische Weste über die Stichschutzweste zu ziehen, legen Helme an und springen wieder ins Auto. 15 Wega-Streifen jagen jetzt zum Tatort. Drei Minuten und 21 Sekunden nach acht der erste Schusswechsel mit dem Täter. Aus dem Wega-Stützpunkt in der Rossauer Kaserne stoßen weitere Einsatzkräfte dazu.

Die Einsatzkräfte versuchen, den Angreifer von den Zivilisten abzulenken. Vier nach acht meldet das Protokoll, ein Kollege wurde getroffen. Die erste Täterbeschreibung trifft fünf nach acht ein. Dazwischen, im Abstand weniger Hundertstelsekunden, Anrufe von Zeugen, die als „Auff.“ vermerkt werden, als Aufforderer. Fünf nach acht steht fest, dass der Täter eine automatische Waffe, also militärisches Gerät mit sich trägt. Das erhöht die Gefahr enorm.

Ab jetzt mischen sich bei den Anrufern Beobachtungen des Täters und Verwechslungen mit Einsatzkräften. Manche von ihnen eilen in Zivil zu Hilfe, mit rasch übergezogener Gesichtsmaske. Anrufer verwechseln sie mit Tätern, was heillose Verwirrung stiftet. Die Meldung elf nach acht: „Täter liegt am Boden“ ist kein Grund zur Entwarnung. Ist der Sprengstoffgürtel des Toten echt? Gibt es noch weitere Täter? Ein Anrufer spricht von einem Leblosen beim Stadtpark, aus Rumänien meldet jemand eine Geiselnahme in der Mariahilfer Straße.

Die Wega rast hin, Fehlalarm. Nicht umsonst heißt der Beginn einer Fahndung „Chaosphase“. „Das ist keine Kritik am Anrufer“, stellt Sörös klar, Verwechslungen lassen sich nicht vermeiden. 20 Minuten nach acht kommt die erste Meldung von einem Toten, der nicht der Täter ist. Am Ende der hektischen Einsatznacht werden es vier sein und 22 Verletzte.


Nun arbeitet die Exekutive an der Auswertung der Protokolle, sucht nach Verbesserungsmöglichkeiten. Der Einsatz war jedenfalls die Feuertaufe für ihren Antiterror-Einsatzplan.