Mäuschen müsste man sein, in Tagen wie diesen. Etwa bei all den Gesprächen, die sich seit Tagen mit und noch mehr über Harald Mahrer stattfanden. Dessen Rücktritt war nach den zahlreichen unverhohlenen Aufforderungen aus den eigenen Reihen schon am Mittwoch besiegelte Sache, nur eben noch nicht in allen Details. Am Donnerstag, gegen 17 Uhr, machte der Präsident von Wirtschaftskammer und Wirtschaftsbund dann selbst reinen Tisch und erklärte via Facebook seinen Rücktritt. Er sehe nach den Entwicklungen der letzten Tage, keine Möglichkeit mehr, einen Beitrag für Wirtschaft und Standort zu leisten.
Warum so spät? Dazu muss man wissen: Beim Abgang wird über Entscheidendes verhandelt und diejenigen, die ihren Hut nehmen müssen, gelingt es manchmal noch in den letzten Tagen und Stunden, den Kurs ihrer Nachfolger zumindest ein bisschen mitzubestimmen.
Schwierige Suche nach einem Nachfolger
Genau darum dürfte es auch in der Hängepartie um den Zeitpunkt gegangen sein, zu dem Mahrers Rücktritt öffentlich verkündet wurde. Als sicher darf allerdings auch gelten, dass der langjährige Strippenzieher in der ÖVP bis zuletzt um einen Verbleib gekämpft hat. Dass keiner aus der zweiten oder dritten Reihe wirklich nach dem Amt greifen wollte, spielte Mahrer zusätzlich in die Hände, weil es den Prozess in die Länge zog. Schlussendlich dürfte die Entscheidung als interimistische Nachfolgerin auf Martha Schultz, die Vizepräsidentin der WKO und Tiroler Seilbahn-Unternehmerin, gefallen sein. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür aber noch nicht. Es werde eine geordnete und zeitnahe Übergabe geben, so Mahrer.
Zuvor hatte sich schon Karlheinz Kopf, der Präsident der Vorarlberger Wirtschaftskammer und langjährige ÖVP-Politiker mit Händen und Füßen gewehrt, als 68-Jähriger noch einmal zurück nach Wien übersiedeln zu müssen. Andere öffentlich genannte Kandidaten wie etwa die ehemalige Kammer-Mitarbeiterin und aktuelle Tourismus-Staatssekretärin Elisabeth Zehetner waren von vornherein unwahrscheinlich. Denn eigentlich sucht und braucht die WKO in ihrer jetzigen miserablen Lage einen gestandenen Unternehmer, eine gestandene Unternehmerin an der Spitze.
Lautstarke Forderungen nach Reformen
Wichtiger als die Person sind aber allemal die Reformen, die jetzt von allen Seiten der Wirtschaftskammer abverlangt werden. Für die auf Pflichtmitgliedschaft der Unternehmen beruhende Institution gilt es jetzt, schleunigst den Furor ihrer eigenen Basis einzufangen. In den vergangenen Tagen wurden etliche Initiativen ins Leben gerufen, die zum Boykott der Beitragszahlungen aufrufen und angesichts von Rücklagen in der Höhe von rund 2 Milliarden Euro deren Kürzung einfordern. Jährlich kommt die WKO mit ihren 5.800 Beschäftigten auf Gesamteinnahmen von 1,3 Milliarden Euro. Zudem steht die umstrittene Erhöhung der Funktionärsentgelte im Visier der Kritiker. Gelingt keine Beruhigung durch glaubwürdige Veränderung, steht mehr auf dem Spiel als ein Präsident der Wirtschaftskammer.
Genau das forderte denn neben vielen anderen auch ÖVP-Obmann und Kanzler Christian Stocker in seiner ersten Wortmeldung seit Beginn der Affäre: In diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten erwarte er sich „eine rasche Neuaufstellung im Sinne der österreichischen Wirtschaft und des gesamten Staates“.
Auch ÖVP-Wähler für Rücktritt
Wie sehr nicht nur die Kammer und Mahrer, sondern die gesamte ÖVP unter Druck geraten waren, zeigt auch das Ergebnis einer aktuellen Umfrage von Peter Hajek im Auftrag von ATV. Demnach spricht sich eine deutliche Mehrheit von 56 Prozent der Befragten für einen Rücktritt aus, nur sieben Prozent plädierten dabei für einen Verbleib. Diese Zahlen entsprechen grosso modo auch dem Stimmungsbild unter ÖVP-Anhängern. Ein Alarmzeichen für die Kanzlerpartei.