Harald Mahrer (ÖVP) hat am Donnerstagnachmittag seinen Rückzug als Präsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) bestätigt. Der Druck auf ihn wurde über die letzten Tage zu groß, es ging um eigene Mehrfachbezüge, Gehälter in der Kammer, Gagenerhöhungen für Präsidiumsmitglieder und die zugehörige missglückte Kommunikation. Zur Nachfolge äußerte sich Mahrer bei seinem Videostatement, das auf Facebook veröffentlicht wurde, nicht.
„Ich sehe derzeit keine Möglichkeit, verantwortungsvolle Beiträge für eine positive Zukunftsentwicklung zu leisten“, sagte Mahrer im Video. Er werde sowohl in der Kammer als auch im Wirtschaftsbund für eine „geordnete und zeitnahe“ Übergabe sorgen.
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Nachfolgefrage
Als Nachfolgerin Mahrers an der WKÖ-Spitze wurde die Tiroler Unternehmerin und WKÖ-Vizepräsidentin Martha Schultz medial kolportiert. Doch manch Medium glaubt auch an einen erst losbrechenden Machtkampf um die Mahrer-Nachfolge in der WKÖ. Die WKÖ ist einer der Sozialpartner und federführend bei den KV-Lohnverhandlungen involviert.
Mahrer ist auch Chef des ÖVP-Wirtschaftsbundes. Auch dort will Mahrer die Nachfolge bald geklärt haben. Zuletzt war der Wirtschaftsbund-Präsident stets auch WKÖ-Präsident, der Bund regiert in der Kammer absolut. Der Chef des bedeutenden Volkspartei-Bundes ist auch Mitglied im ÖVP-Bundesparteivorstand.
Als OeNB-Präsident Rückzug schon früher angekündigt
Den Rückzug als Präsident der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) hatte Mahrer schon am Montag verkündet. Offensichtlich gelang es damit nicht, die Lage zu beruhigen. Das galt auch für die Ankündigung zu Analysen und Reformen innerhalb der Kammer. Zuletzt verlor Mahrer mehr und mehr an Rückhalt in den eigenen Reihen - seien es Länderkammerchefinnen oder wichtige ÖVP-Politikerinnen und -Politiker.
Offen wurde sein Rücktritt eingefordert, spätestens am früheren Donnerstagnachmittag galt dieser als fix, doch war vorerst noch nicht bestätigt. Hinter ihn stellte sich etwa noch Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer und die Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium Elisabeth Zehetner (beide ÖVP).
Mahrer wendete sich direkt an Unternehmer und Mitarbeitende
Mahrer wendete sich direkt an die Unternehmerinnen und Unternehmer, also seine Kammermitglieder sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kammer. Er verwies auf vieles, was man für die Mitglieder erreicht habe - im In- und Ausland. Das alles sei auf dem Fundament der gesetzlichen Interessenvertretung „einer liberalen Idee der Interessenvertretung“ erfolgt.
Die Diskussion der vergangenen Tage kritisierte Mahrer, er habe sich zu Reformen in der Kammer bekannt und stets die Notwendigkeit sehr großer Reformen in Österreich betont. Doch „persönliche Ressentiment und Populismus haben die mediale Debatte der letzten Tage bestimmt - ohne Mehrwert für die Wirtschaft und unser Land: Das ist nicht mein Spielfeld.“
Video: Mahrer bestätigt Rückzug
Dank vom Kanzler, kritischer Finanzminister
Bundeskanzler und ÖVP-Chef Christian Stocker teilte der APA schriftlich mit, dass Mahrer „in einer auch für ihn sehr schwierigen Situation eine persönliche Entscheidung getroffen hat, die zu respektieren ist. Ich bedanke mich bei ihm für seine Verdienste um die Republik als Staatssekretär, Bundesminister und Präsident der Österreichischen Wirtschaftskammer.“ Mahrer habe in all diesen Funktionen großen Einsatz für Österreichs Wirtschaft und Standortpolitik bewiesen, „zuletzt auch in der schwierigen Phase der Regierungsbildung“. Vom wichtigen Sozialpartner Wirtschaftskammer erwartet der Bundeskanzler „in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine rasche Neuaufstellung im Sinne der österreichischen Wirtschaft und des gesamten Staates, um bestmöglich für den Aufschwung arbeiten zu können“. Aus den Reihen der Volkspartei mehrten sich am frühen Abend die Danksagungen an Mahrer.
Kritisch zu den Vorgängen äußerte sich Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ), der aus der Arbeiterkammer kommt, kurz vor Mahrers Rücktritt bei seinem Eintreffen zur Landeshauptleute-Konferenz in der Steiermark: „Die Schwäche der Wirtschaftskammer ist sicher problematisch für die Sozialpartnerschaft und schlecht für Österreich.“ Dauerhaft sieht er aber keine Gefährdung: „Ich glaube, das ist vorübergehend.“
Oppositionsparteien
Den Freiheitlichen reicht der Rücktritt Mahrers nicht. „Der Rücktritt hat an der Sachlage und am Skandal selbst nichts geändert“, so Generalsekretär Michael Schnedlitz via Aussendung. „Es ist Feuer am Dach, weil nahezu sämtliche Präsidenten der Wirtschaftskammer in Bund und Ländern und auch deren Vizepräsidenten dabei aufgeflogen sind, dass sie sich Gagen-Erhöhungen um teils jenseits der 50 Prozent genehmigen und das mitten in einer Krise und auf Kosten der Unternehmer.“
Sabine Jungwirth, Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft in einer Aussendung: „Der Zorn der Unternehmer:innen über den aufgeblähten, teuren Apparat der Wirtschaftskammer ist nun offen zutage getreten. Die Situation ist jedoch keineswegs neu, sondern hat sich über die vergangenen Jahre kontinuierlich zugespitzt. Insbesondere Ein-Personen-Unternehmer:innen, die rund 60 Prozent der Kammermitglieder ausmachen, fühlen sich nicht vertreten.“ Auch die UNOS, die NEOS in der WKÖ, fordern weiterhin eine Kammerreform. Diese müsse jetzt folgen.
IV will Entwicklung für Reformen nutzen
Die Industriellenvereinigung (IV) forderte Strukturreformen und Entlastungen - dafür gehörte die Entwicklung in der Wirtschaftskammer genutzt. Präsident Georg Knill bedankte sich für Mahrer für dessen Einsatz.