Es scheint kein gutes Omen zu sein, wenn man Teil des Ärzteteams war, das im August 2020 den ins Omsker Krankenhaus eingelieferten  mutmaßlich vergifteten Alexej Nawalny zu untersuchen hatte: Zwei der behandelnden Ärzte sind bereits verstorben; ein dritter, Alexander Murachowskij, wurde in den vergangenen Tagen als vermisst gemeldet. Er sei von seinem Jagdausflug nicht mehr zurückgekehrt, meldete die Staatsagentur Tass. Am Montag tauchte er nun offenbar doch wieder auf: Murachowski habe selbstständig aus einem Wald in der sibirischen Region Omsk heraus gefunden, hieß es nun.

Stoffwechsel-Erkrankung

Murachowskij leitete bis vor einigen Monaten die Omsker Klinik, in die der mittlerweile im Straflager inhaftierte Kreml-Kritiker Nawalny gebracht wurde, nachdem er im vergangenen August auf einem Inlandsflug zusammengebrochen war. Der Mediziner hatte nach der Untersuchung Nawalnys behauptet, dieser leide lediglich an einer "Stoffwechsel-Erkrankung". Nachdem der ins Koma gefallene Oppositionelle zur Behandlung nach Deutschland gebracht wurde, wiesen Experten in Laboren in Deutschland, in Frankreich und in Schweden in Nawalnys Körper den Nervenkampfstoff Nowitschok nach. Die russische Regierung bestreitet das.  Recherchen des "Spiegel" und des Recherche-Netzwerks Bellingcat machten acht Agenten des russischen Geheimdienstes FSB für den Giftanschlag verantwortlich. Chefarzt Murachowskij wurde in November 2020 zum Gesundheitsminister der Region Omsk befördert.

Das plötzliche Verschwinden des Chefarztes bei seinem Jagdausflug sorgte für großes Aufsehen und breite mediale Berichterstattung. Denn: Bereits am 5. Februar teilte die Omsker Klinik mit, ein Arzt, der Nawalny direkt nach dem Giftanschlag im vergangenen August behandelt hatte, sei tot. Der 56-jährige stellvertretende Chefarzt für Anästhesiologie und Reanimation, Sergej Maksimischin, sei "plötzlich verstorben". Eine Todesursache nannte die Klinik nicht. Medien berichteten, Maksimischin habe einen Herzstillstand erlitten.

Schlaganfall

Am 26. März wiederum ist in Omsk ein zweiter Arzt unter ungeklärten Umständen gestorben, der an der Rettung Nawalnys beteiligt war. Rustam Agischew (63) hatte als Leiter der Notfallstation im August 2020 die lebensbedrohliche Vergiftung erkannt und behandelt. In einer offiziellen Erklärung des Spitals heißt es, Agischew habe bereits im Dezember 2020 einen Schlaganfall erlitten und sei nun an dessen Folgen verstorben. Nawalny-Anhänger wiesen darauf hin, dass jene Ärzte verstorben seien, die bezeugen hätten können, in welchem Zustand sich der Erkrankte tatsächlich befand.

Die Umstände des Todes der beiden Ärzte wurden nicht untersucht; auch zu dem Giftattentat auf Nawalny wird nicht ermittelt, weil das offizielle Russland bestreitet, dass ein solches stattgefunden hat. Die EU und die USA haben Russland immer wieder zur Untersuchung des Verbrechens aufgefordert und Sanktionen gegen das Land verhängt.