Wie immer holte die Kommissionspräsidentin weit aus. Das Weltwirtschaftsforum in Davos bot am Dienstag den würdigen Rahmen für eine „Sonderansprache“ Ursula von der Leyens, die sich in weiten Pirouetten um den neuerlichen Amtsantritt Donald Trumps drehte und zunächst mit dem Dotcom-Boom vor 25 Jahren begann. Wir seien soeben in eine „neue Ära des rauen geostrategischen Wettbewerbs eingetreten“, in der „die größten Volkswirtschaften der Welt um den Zugang zu Rohstoffen, neuen Technologien und globalen Handelswegen“ konkurrieren würden, hieß es danach. Und schließlich ging es nicht nur um China, sondern die USA. Für beide Seiten stehe viel auf dem Spiel: Von allen US-Vermögenswerten im Ausland befänden sich zwei Drittel in Europa, hiesige Unternehmen würden in den Staaten 3,5 Millionen Menschen beschäftigen. Fazit: „Wir werden an unseren Grundsätzen festhalten, aber wir werden pragmatisch vorgehen.“
Die EU verhält sich also ruhig, auch gegenüber den Trump-Freunden und Tech-Riesen Elon Musk und Mark Zuckerberg, die sich mit neuem Rückenwind mit ihren Plattformen (X, Facebook, Instagram usw.) von der europäischen Rechtsstaatlichkeit unbeeindruckt zeigen wollen. „Das laute Schweigen der EU ist mir zu laut“, stellte dazu SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder gestern im EU-Parlament in Straßburg fest. „Die USA haben keine Freunde, nur Interessen. Das müssen wir uns vor Augen führen. Wir brauchen ein selbstbewusstes Auftreten“, sagte die ÖVP-Europaabgeordnete Angelika Winzig unter Verweis auf die erwarteten schweren Handelskonflikte.
Mehr Selbstbewusstsein an den Tag legen
Selbstbewusstsein und Einigkeit an den Tag legen – das halten viele für die richtige Reaktion. Für so manches Argument Trumps stößt man auf Verständnis. Nato-Generalsekretär Mark Rutte habe dieser Tage erst im EU-Parlament gesagt, dass im Verteidigungsbündnis gegenwärtig die Amerikaner 64 Prozent der Ausgaben tätigen und alle anderen Partner zusammen nur 36 Prozent, sagte EU-Abgeordneter David McAllister (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, in Brüssel gegenüber Journalisten. „Das ist kein gesundes Verhältnis“, so McAllister. Insgesamt sei die EU diesmal besser aber auf Trump vorbereitet, als beim ersten Mal.
Auch die Finanzminister der EU-Länder streiften das Thema beim gestrigen Ecofin-Rat in Brüssel. Es gehe nun weniger um die USA, stattdessen mehr um die EU. Nötig seien Einigkeit, bessere Wettbewerbsfähigkeit – die ohnehin schon als Hauptthema anstelle des Green Deal getreten ist – und schließlich weiterhin eine enge Kooperation „im Interesse beider Seiten“. Die EU-Kommissare Dombrovskis und Séjourné betonten, die EU sei gut auf mögliche amerikanische Handelsbeschränkungen vorbereitet. Sie meinten aber ebenso wie Österreichs Finanzminister Gunter Mayr, dass Zusammenarbeit und Einigkeit unter den EU-Partnern nun das Wichtigste seien. „Wir sollten uns unserer eigenen Stärken bewusst machen, wir haben einen sehr umfassenden Binnenmarkt“, so Mayr.
Pariser Klimaabkommen: Ausstieg bereitet Sorge
Kritischer fallen die Reaktionen auf den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen aus. Selbst China zeigte sich besorgt: „Der Klimawandel ist eine gemeinsame Herausforderung für die gesamte Menschheit, und kein Land kann davon unberührt bleiben oder das Problem allein lösen“, sagte Außenministeriumssprecher Guo Jiakun. Außer den USA - weltweit zweitgrößter Treibhausemittent - ist bisher keiner der rund 200 Unterzeichnerstaaten aus dem Abkommen ausgetreten.
Mindestens genauso viel Kopfzerbrechen bereiten die angedrohten Strafzölle. Die EU-Kommission hat dem deutschen Industrieverband BDI zufolge Optionen, entschlossen auf neue Zölle zu reagieren und Gegenmaßnahmen einzuleiten. „Aber das sollte nicht der erste Reflex sein.“ Es gebe Möglichkeiten zum beiderseitigen Nutzen, etwa bei Regulierungsfragen, technischen Standards oder widerstandsfähigeren Lieferketten. Die EU sollte Trump daher Angebote zur Kooperation machen. Auch der deutsche Automobilverband VDA empfahl Zusammenarbeit. Wirtschaftsminister Robert Habeck warnte vor einer höheren Inflation dies- und jenseits des Atlantiks, sollten neue Zölle eingeführt werden. Man werde Trump zwar die Hand ausstrecken. „Wir müssen uns auch nicht rumschubsen lassen.“