Mit dem Ende des Schichtbetriebes ist so etwas wie Normalität in den Schulen eingekehrt. Erhalten bleiben den Schülerinnen und Schülern die Hygienemaßnahmen, die Nasen-Mundschutz- bzw. FFP2-Masken sowie das Testen jeweils am Montag, Mittwoch und Freitag.

Doch wie gestaltet sich die Lage hinsichtlich Infektionsgeschehen an den heimischen Schulen? Derzeit ist zu beobachten, dass die Inzidenzen bei jungen Menschen in den Altersgruppen von 5 bis 24 Jahren höher sind als jene der fortgeschritteneren Gruppen. „Die grundsätzliche Entwicklung ist positiv, über alle Altersgruppen hinweg sind die Inzidenzen rückläufig“, sagt Peter Willeit. Der Epidemiologe forscht an der Medizinischen Universität Innsbruck und arbeitet gemeinsam mit Michael Wagner an der „Gurgelstudie“. Diese wird in mehreren Durchgängen an 250 Schulen in ganz Österreich durchgeführt, getestet wurde mittels Gurgel-PCR-Tests und bislang wurden vier Runden abgeschlossen.

Lage an den Schulen: Regionale Unterschiede

Die Lage bei den Kindern und Jugendlichen sei im Moment nicht dramatisch, sagt Michael Wagner, Molekularbiologe an der Universität Wien und Initiator der „Gurgelstudie“. Aber eben auch nicht ganz einfach zu bewerten, da regional während der letzten Wochen und Monate unterschiedliche Maßnahmen ergriffen worden seien. Während in Wien etwa Lockdown war, stand in der Steiermark, zumindest in den Volksschulen, durchgehend Präsenzunterricht am Stundenplan.

In der dritten Runde der Gurgeltests, durchgeführt wurde diese im März, war ein deutlicher Rückgang der Prävalenz in den Schulen zu erkennen. „Der Schichtbetrieb und die regelmäßigen Antigentests haben hier sicher eine Rolle gespielt“, sagt Peter Willeit. Das bedeutet, dass auch vor dem Hintergrund des Ende des Schichtbetriebes nicht auf flankierende Maßnahmen verzichtet werden darf.

Ist ein Anstieg zu erwarten?

Ist nun, mit Rücknahme des Schichtbetriebs, ein Anstieg zu erwarten? Komplexitätsforscher Peter Klimek (Complexity Science Hub) erwartet einen moderaten Anstieg. „Es ist nicht zu erwarten, dass sich die positive Dynamik umkehrt, weil die Entwicklung insgesamt stabil ist.“

Zwar wird aktuell gerade die vierte Runde der „Gurgelstudie“ ausgewertet, konkrete Zahlen sind erst in einigen Tagen zu erwarten. Allerdings weist Willeit auf zwei zentrale Erkenntnisse aus den vorherigen Runden hin. Erstens: In Regionen, in welchen die Inzidenz allgemein höher ist, ist sie auch an Schulen höher. Das bedeutet, dass Schulen auch in gewisser Weise Abbild der regionalen Lage sind. Zweitens sind soziale Unterschiede zu beobachten. An Schulen, die vorrangig von Kindern mit hoher sozialer Benachteiligung besucht werden, sind Inzidenzen höher als an Schulen, die von Kindern mit sozialer Benachteiligung besucht werden.  

Schichtbetrieb bis Ende des Schuljahres

Aus Wagners Sicht hätte der Schichtbetrieb bis Ende des Schuljahres gelten sollen. Der Grund: Kinder und Jugendliche können aktuell nicht geimpft werden, sie sind, im Gegensatz zur geimpften Bevölkerung noch nicht geschützt. „Kinder können an Covid erkranken, auch wenn viele einen relativ leichten Verlauf haben, ist die Gefahr von Long Covid auch bei Kindern eine reale“, so Wagner. Ebenso nicht außer Acht lassen dürfe man das Risiko der Übertragungen von Kindern auf die zurzeit zum guten Teil noch nicht geimpften Eltern. „Es sind die Innenräume, die das Problem sind“, spricht Wagner die Aerosol-Übertragung an. „Ich hätte mir auch gewünscht, dass es für alle ein Impfangebot gibt, bevor Gastronomie in Innenräumen, Fitnesstudios etc. geöffnet werden.“

Denn es gibt mittlerweile Studiendaten aus England, die zeigen, dass die geimpfte Eltern auch ihre ungeimpften Kinder schützen. „Wir können hoffen, [..] dass das den Schulbetrieb schützt und dass wir dann uns vielleicht auch leisten können, vollkommen frei und vollkommen offen die Schulen zu gestalten“, sagte Virologe Christian Drosten im Podcast „Coronavirus Update“.

Es braucht weiter Maßnahmen vor dem Herbst

Solange aber die Inzidenzen noch höher sind und auch die Durchimpfungsrate der erwachsenen Bevölkerung nicht hoch genug ist, braucht es flankierende Maßnahmen. Willeit nennt hier im Hinblick auf die Aersol-Übertragung das regelmäßige Lüften als eine wichtige Maßnahme. Denn das Risiko der Übertragung in Innenräumen ist größer als an der frischen Luft. Das bedeutet: Je weniger Aerosole sich in der Luft befinden, desto geringer ist das Risiko einer Ansteckung. Auch CO2- Messgeräte oder Luftfilteranlagen können hier hilfreich sein.

Ebenso aktuell und wahrscheinlich auch noch im Herbst wird regelmäßiges Testen in den Klassenzimmern notwendig sein. Gerade weil die Antigentests mit dem Nasenabstrich im vorderen Bereich nicht so sensitiv reagieren, ist hier die Regelmäßigkeit wichtig. Denn durch das wiederholte Testen werden die infizierte Personen früh identifiziert.

PCR-Tests in ganz Österreich

Abgesehen von den Impfungen, die eventuell im Laufe des Sommers auch für Kinder über 12 Jahren zugänglich werden, braucht es weitere Vorbereitungen für den Herbst. Wagner plädiert hier für eine großflächige Ausrollung der viel empfindlicheren PCR-Tests, wie es etwa aktuell in Wien schon der Fall ist. „Man braucht eine gewisse Vorlaufzeit, aber bis zum Herbst wäre das machbar“, so Wagner. Die Laborkapazitäten würden demnach in Österreich ausreichend sein.

Doch die Vorbereitungen müssen rasch getroffen werden, um erneuten Schulschließungen im Herbst vorzubeugen. Denn diese haben unweigerlich Auswirkungen auf Kinder und Eltern. Auch wenn man aktuell nicht seriös vorhersagen kann, wie sich die Situation im Hinblick auf Covid-19 im Herbst im Detail darstellen wird, eines ist für Peter Willeit klar: „Diese Pandemie wird im Herbst nicht abgeschlossen sein.“

Mehr zum Thema