Bei Stefanie Herkner ist der erste Bezirk so, wie er sein soll – weniger Gucci, mehr Wien. Ein wunderbarer Spaziergang führt durch die Ballgasse, vorbei am Franziskanerplatz und dem legendären Kleinen Café, hinein in die Weihburggasse, wo sich hinter einem lauschigen Eingang ein Laden mit „Waren für die schönen Dinge des Lebens“ verbirgt. In einem typisch wienerischen Altbau ohne Lift geht es die Stockwerke hinauf – und schon strahlt einem Stefanie Herkner entgegen. „Achtung, kleine Stufe, nicht drüberfallen“, warnt sie mit einem Augenzwinkern. Man merkt sofort, hier wird man bestimmt umsorgt.
Die Wohnung ist ein Ort, an dem man spürt, dass hier jemand lebt, der mit viel Liebe zum Detail seine Umgebung gestaltet. Man tritt ein in einen Raum mit einer Form wie eine Art Oktogon, der auch gleich die offene Küche beherbergt – wie passend für eine Köchin. Zur linken Seite laden zwei Leoparden-Sessel und ein Tischchen mit Narzissen zum Platznehmen, eine Lichterkette über dem Fenster taucht den Raum in ein sanftes Leuchten. Durch das Fenster fällt der Blick in den Innenhof – oder, wenn man sich richtig platziert, sogar bis zum Stephansdom. „Nur der liebe Herrgott kann bei uns reinschauen“, sagt Herkner verschmitzt.
Auf Umwegen in die Gastronomie
Die gebürtige Wienerin ist im siebten Bezirk aufgewachsen, hat in London studiert und lange am Naschmarkt gelebt. Erst seit kurzer Zeit nennt sie diese Wohnung ihr Zuhause – ein Glücksgriff, wie sie sagt. „Am Naschmarkt war es wie eine Bärenhöhle – kuschelig, aber auch dunkel. Jetzt genieße ich das Licht beim Aufwachen.“
Wiener Original, alte Seele – Stefanie Herkner ist beides. Ihr Vater war der berühmte Koch Heinz Herkner, den sie bereits im Alter von 13 Jahren verlor. Dass sie selbst in die Gastronomie gehen würde, war nicht geplant. Ihre Eltern rieten ihr davon ab, also studierte sie Kunst- und Kulturmanagement. Doch dann kam eine dieser magischen Wiener Nächte. „Eine b’soffene G’schicht“, lacht sie. An einem Abend mit einem Freund in der Loos Bar fasste sie den Entschluss, ein Lokal zu eröffnen. Drei Monate später hatte sie gekündigt. Ihre Mutter war entsetzt, doch ohne sie hätte Stefanie bestimmt schon hingeschmissen. „Sie ist ein Profi, steht seit über 50 Jahren in der Küche. Ihre Hilfe ist unbezahlbar.“
Im Wohnzimmer trifft Wiener Gemütlichkeit auf ausgewählte Stücke. Ein Tisch von Thonet mit Holzplatte und Metallbeinen, Sessel von Philippe Starck, die ihre Mutter für die erste Studentenwohnung fand, Bilder und Objekte von Künstlerfreundinnen und -freunden, ein Sideboard von Salotto Collective. Ein sizilianischer Kopf im Schlafzimmer, ein Geschenk ihres Freundes, zählt zu ihren liebsten Stücken. Viele ihrer Möbel und Accessoires erzählen von Reisen. Ihr Geschirr ist von Rosenthal, ein schlichter Entwurf von Walter Gropius. Feinheiten, die zeigen, dass hier jemand mit Sinn für das Besondere lebt.
Zu Hause serviert Herkner Essen mit Seele: Grießnockerlsuppe, Krautfleckerl, überbackene Schinkenfleckerl, Lasagne, Shepherd’s Pie. „Der Geschmack meiner Kindheit ist das, was ich mache. Immer. Es geht mir darum, das wiederzuhaben – für mich und für andere.“ Und: „Es muss immer genug da sein. Ich war einmal eingeladen, es hat mir geschmeckt – aber es gab keine zweite Portion. Das ist ja furchtbar!“ Selbst deckt sie gerne den Tisch schön ein, serviert einen guten Wein. „Es braucht nur dieses Gefühl. Das Gastgeben ist etwas sehr Mütterliches, ich gebe etwas von mir. Es hat auch etwas Nährendes.“
Lokal im ehemaligen Installateurbetrieb
In ihrem Wirtshaus „Zur Herknerin“ kocht sie in einem umgebauten Installateurbetrieb mit Wohnzimmerflair ursprüngliche Wiener Küche. „Es geht nicht ums Ego am Teller. Es geht darum, dass die Menschen sich wohlfühlen.“ Ihr Lokal ist wie eine Verlängerung ihrer Wohnung: warm, einladend, voller persönlicher Stücke. „Beleuchtung ist mir wichtig. Nie von oben, immer rundherum, mit Kerzen. Das ist eigentlich simpel.“ Und natürlich gehört ein guter Martini-Cocktail dazu. „Früher konnte ich fünf trinken, heute nur mehr einen“, lacht sie. „Aber er ist wie Medizin. Genau wie meine Grießnockerlsuppe. Beides kann Leben retten.“
Nach zwölf Jahren in der Gastronomie hat sie ihre Öffnungstage reduziert. „Jetzt fängt es an, mir richtig Spaß zu machen. Es wird so lange gehen, wie meine Mama fit ist. Für sie ist es wichtig, eine Aufgabe zu haben, mit uns jungen Leuten in der Küche zu stehen. Das ist schön. Ein Luxus.“
Die Wohnung ist ihr Rückzugsraum, der Ort der Stille nach einem langen Tag. „In der Früh höre ich den Brunnen am Franziskanerplatz. Das liebe ich.“ Die alten Fenster mit ihren hölzernen Blenden, die Ruhe, die Geschichte, die in jedem Winkel steckt – hier fühlt sie sich angekommen. Und doch, irgendwann, wird es sie vielleicht aufs Land ziehen. „Jetzt liebe ich die Stadt aber viel zu sehr.“