Eine kleine Seitengasse, das Haus fällt einem nicht sofort ins Auge. Doch man blickt in den Wiener Stadtpark und erfreut sich dieser Tage an den ersten kleinen grünen Trieben und den Vögeln, die auch schon bereit für den Frühling scheinen. Durch das Stiegenhaus geht es zum Eingang über die Pawlatschen, die man auch in Wien nicht mehr so häufig sieht und da wird man auch schon von Onka Allmayer-Beck und ihrer Hündin Knurrli, einem schwarzen Mopsmischling, erwartet und begrüßt.
Wer die Wohnung erst einmal betritt, kommt aus dem Schauen nicht mehr heraus. Dort ein Bild, da ein kleines Objekt, alles speziell und alles mit Charakter. Seit 2016 wohnt sie hier, nachdem sie aus Mailand von ihrer Tätigkeit als Schuhdesignerin beim großen Giorgio Armani nach Wien zurückgekehrt ist. Die Wohnung, ein Zufallsfund, wie sie erzählt. Eigentlich war sie für eine andere, kleinere Wohnung in dem Haus vorstellig geworden, doch durch ein Missverständnis erhielt sie zwei Schlüssel. Die großzügigere Wohnung zog sie sofort in ihren Bann. „Ich mochte sie auf Anhieb, sie liegt zentral und ich liebe die Nähe zum Stadtpark.“
Vom Vorzimmer gelangt man in das großzügige Wohnzimmer, das laut Allmayer-Beck auch ein klein wenig ein „skurriler Raum ist, mit nur einem Fenster“. Dort liegen auf einem alten Notenkasten ihres Urgroßvaters Zeichnungen, eine Stehlampe stammt aus einem Vintage-Geschäft in Mailand, der Couchtisch ist von einem „Ex-Boyfriend“ – ein kleines hineingeritztes Herz erinnert daran. Der große Tisch mit seiner schweren Platte wurde gemeinsam mit Arthur Arbesser, mit dem sie seit vielen Jahren eine innige Freundschaft pflegt, aus einem Keller in Mailand geborgen. „Ich glaube nicht, dass die jemandem gehörte. Sie wiegt fast eine Tonne.“
Ein Tanz für die Gäste
Jetzt ruht sie auf zwei Bauhaus-Böcken und ist die Tafel, wenn Gästen Dinner serviert wird. „Wenn ich Gäste habe, dann mache ich mir schon einen Aufwand. Da gibt es dann ein schönes Tischtuch, von Arthur zum Beispiel. Es gibt Drinks, ich mache immer einen Apperitivo, mit Snacks und Vorspeisen. Manchmal auch eigene Teller oder ich bringe meine kleinen Eisbecherchen. Ich mache für meine Gäste schon einen Tanz.“
Die Wohnung ist eine Fundgrube aus verschiedenen Lebensabschnitten: aus London, wo Allmayer-Beck studierte, aus Mailand, wo sie in der Modebranche tätig war, und aus Wien, wo sie als Keramikkünstlerin Liebling nicht nur der avantgardistischen Gastronomieszene oder von Interior Designern ist. Ihre Keramiken sind Charaktere, in bunten Farben und in freundlichen Formen. „Die Keramiken, die hier in meiner Wohnung stehen, sind oft Hoppalas – Fehlversuche, die mir aber ans Herz gewachsen sind.“
David Lynch auf Russisch
Wie ihr erstes Stück nach ihrer Russlandreise, eine Fabrik, in der sie eine neue Technik lernte, thront stolz auf einem Regal. „In Russland habe ich in einem abgelegenen Ort namens Abramzevo gelernt, meine Keramiken so zu bauen, wie ich es heute tue. Ich lebte in einem riesigen, leeren Hotel mitten im Wald. Es war wie in einem David-Lynch-Film – skurril, aber fantastisch.“
Neben Keramik findet man viele persönliche Erinnerungen: Ein Lampion, den Arthur aus China mitbrachte, ein Poster von „Nag Nag Nag“, dem Club, in den sie in London jeden Donnerstag ging. „Es ist wirklich ein Sammelsurium aus meinem Leben und dem meiner Freunde.“ Während wir uns unterhalten, knotzt sich Knurrli zu uns und trägt zur wohligen Atmosphäre das Ihre bei. „Knurrli ist mein Herzpinki“, sagt Onka. „Sie gibt mir Struktur, zwingt mich dazu, Pausen zu machen und rauszugehen.“
Der neueste Zuwachs im Hause war ein Schwedenofen. Den findet sie ästhetisch zwar nicht so ansprechend, wesentlich war aber, das Feuer sehen zu können. So steht der Fernseher nun auf einem Kästchen mit Rollen, damit er sowohl im Schlafzimmer als auch vor dem Schwedenofen funktioniert.
Wo die Welt in Ordnung ist
Allmayer-Becks Keramiken sind mittlerweile international gefragt. Dass die Leute dennoch nicht müde werden, ihr zu sagen, dass ihr Kind das auch könne und sie in der Volksschule auch getöpfert haben, ärgert sie nicht mehr. „Wenn ich dafür jedes Mal Geld bekommen würde, dann wäre das ein schönes Einkommen.“ Im Moment arbeitet sie gerade an Objekten für den Salone del Mobile in Mailand. Es sollen Wohnobjekte mit Spiegeln und Lichtern werden. Mit dem Salotto Collective hat sie eine Lampe entwickelt und im nächsten Jahr zieht sie für eine Weile für eine Residency nach Gmunden.
Dort kann sie bei den großen Öfen einen ihrer Träume verfolgen – nämlich ganz große Objekte zu machen. „Ich schaue mich immer wieder nach einer größeren Werkstatt um, aber ich brauche eine Trinität, von ebenerdig, Starkstrom und ,Häusl‘. Das klingt nicht so verrückt, aber das ist tatsächlich wie die jungfräuliche Hure. Das ist nicht so einfach zu finden, außer man hat unlimitierte finanzielle Mittel zur Verfügung, die ich nicht habe, weil ich Keramik mache und nicht Erdöl.“
Manchmal zieht es die Künstlerin noch fort. Vor allem, wenn sie auf diesem „vermaledeiten Instagram“ sieht, wo vielleicht jemand anders wohnt. Doch dann stellt sie die Möbel in ihrer Wohnung einfach um, und plötzlich ist die Welt wieder in Ordnung.