Dass Sie 1976 Olympiagold im Skispringen geholt haben, ist ja nun wirklich kein Geheimnis mehr. Was aber nicht viele wissen: Ihr Erbteil und ein Tierarzt sollen dabei eine wichtige Rolle gespielt haben?
KARL SCHNABL: Wie wahr. Beginnen wir mit meinem Erbteil. Das habe ich dazu verwendet, um das Heim im Skigymnasium Stams zu bezahlen. Meine Eltern führten einen Bauernhof in Achomitz, Geld war nicht viel vorhanden. Der monatliche Beitrag für das Heim war für uns enorm hoch, lag bei 1800 Schilling. Erschwerend hinzu kam, dass mir mein Vater den Besuch von Stams verweigerte.

Wirklich? Warum denn das?
Ich hatte gerade mein erstes Lehrjahr als Elektroinstallateur hinter mir. Mein Vater mahnte: „Wenn du die Lehre abbrichst und die Schule in Stams nicht derpackst, hast du gar nichts.“ Franz Wiegele, mein Skisprung-Trainer in Achomitz fand gar drastischere Worte: „Dann endest du unter der Brücke.“

Warum war das Skigymnasium in Stams so wichtig?
Der ehemalige Skispringer Baldur Preiml, er gewann 1968 in Grenoble Olympia-Bronze, wollte in Stams mit den besten Talenten arbeiten. Er meinte, ich wäre ein Rohdiamant, den er nur noch schleifen müsste. Er wollte mich unbedingt haben.

Wie gelang es Ihnen, Ihren Vater doch noch zu überzeugen?
Mir gar nicht. Tatsächlich war es unser Tierarzt, Dr. Theodor Michor. Die Aufnahmeprüfung war bereits vorüber, als Dr. Michor auf unserem Hof eine unsere Kühe behandelte. Und bei der Gelegenheit meinem Vater ordentlich die Leviten las, ihn warnte, mir mein Leben zu vermasseln. Mein Vater lenkte knurrend ein: „Dann soll er es halt machen.“ Ich fuhr nach Stams, holte die Prüfung nach.

Und legten dort die Basis für Ihre späteren, sportlichen Erfolge. Wir kommen an Ihrem Olympiasieg nicht vorbei. Erzählen Sie uns bitte etwas, das noch nicht in der Zeitung stand.
Heute hat der Athlet nur wenige Sekunden Zeit, um sich vom Sitzbalken auf der Schanze abzustoßen, damals unbegrenzt. Nach dem ersten Durchgang lag ich auf Rang drei, weit hinter dem Führenden Toni Innauer. Vor meinem zweiten Sprung saß ich also am Balken, habe geatmet, wie wir es beim autogenen Training gelernt hatten und den Sprung visualisiert. Ich wartete auf den richtigen Zeitpunkt, bis meine Fußsohlen kribbelten. Dann habe ich mich hinauskatapultiert. 32 Sekunden hat dieser Vorgang gedauert. Nach heutigem Regulativ wäre ich für diese lange Zeit disqualifiziert worden.

Nach Ihrem Karriereende mit nur 26 Jahren wurden Sie Arzt und leiteten ab 1994 das Sportmedizinische Institut des Landes Kärnten. Eine aufregende Zeit?
Ja. Ich machte es mir zur Aufgabe, in Klagenfurt ein für den sportlichen Erfolg unabdingbares Olympiazentrum ins Leben zu rufen. Wo Sportler rundum betreut werden: Training, Sportwissenschaft, Sportmedizin, -psychologie und Physiotherapie. Und die Politik rund um Landeshauptmann Haider machte es sich zur Aufgabe, dies zu verhindern. Und das nur, weil ich ihn bei seiner geplanten Wiederwahl nicht unterstützen wollte. Mit Peter Kaiser als Landeshauptmann klappte es, 2014 eröffnete das Olympiazentrum im Sportpark.

Karl Schnabl im Olympiazentrum mit dem sportlichen Leiter Walter Reichel (links) und Psychologen Thomas Brandauer
Karl Schnabl im Olympiazentrum mit dem sportlichen Leiter Walter Reichel (links) und Psychologen Thomas Brandauer © Gerd Eggenberger

2019 endete Ihre berufliche Karriere. Wie gelang es Ihnen, den Pensionsschock zu überwinden?
Anfangs gar nicht. Ein großes Ziel war es, das Institut, das im Klinikum angesiedelt war, mit dem Olympiazentrum zusammenzuführen. Im Jänner 2019 ist es zwar gelungen. Bis dort aber alles so funktioniert hätte, hätte es noch ein Jahr gebraucht. Dann kam aber meine Pensionierung dazwischen. Ich war noch nicht fertig, was mich – ehrlich gesagt – geärgert hat.

Wie haben Sie dennoch Ausgleich gefunden?
Mit dem Olympiazentrum bleib’ ich verbunden, bin die Urlaubsvertretung meiner Nachfolgerin, Christiane Loinig. Das Malen wurde mein neuer Lebensinhalt. Zeitlebens habe ich die Malerei hintangestellt. Der Fokus liegt im Bereich der abstrakten Malerei – im ungegenständlichen Experimentieren (und Komponieren) mit Farbe, Form, Struktur und grafischen Elementen. Das Schöne daran ist, etwas tun zu können, das ich immer schon wollte – und dies, ohne kommerziell davon abhängig zu sein – es ist jedenfalls eine spannende Sache.