Mehrere Kapitel der aktuellen Sonderausstellung des kärnten.museum befassen sich auch mit dem Raum Spittal sowie Spittaler NS-Tätern und Opfern des Nationalsozialismus. Bis 26. Oktober läuft „Hinschaun! Poglejmo. Kärnten und der Nationalsozialismus. Koroška in nacionalsocializem“ noch. Als Kuratoren fungieren der aus Berg im Drautal stammende Historiker und Politikwissenschaftler Peter Pirker sowie das Wiener Büro section.a mit Andreas Krištof und Ina Sattlegger, die ebenfalls aus Berg stammt.
„In jenem Raum des kärnten.museum, der sich den sowjetischen Kriegsgefangenen widmet, zeigen wir das Kriegsgefangenenlager STALAG XVIII B auf dem Gelände der heutigen Türkkaserne, wo wahrscheinlich mehrere tausend Kriegsgefangene an ihrer grausamen Behandlung durch die Wehrmacht zugrunde gegangen sind“, schildert Peter Pirker. Die Massengräber in Aich und Tangern, beide Orte liegen im Osten Spittals, sind laut Pirker die größten Massengräber von NS-Opfern in Kärnten, man vermutet bis zu 6000 verscharrte Opfer. Spittal verzeichnete zwischen 1941 und 1945 die meisten Opfer des Nationalsozialismus in Kärnten.
Zwangsarbeiter in Spittal halfen beim Autobahnbau
Pirker: „In Spittal gibt es leider bis dato, abgesehen von den Obelisken der Roten Armee aus dem Jahr 1945 auf den zum Teil unzugänglichen Massengräbern, keine Informationen dazu. Das ist ein wirklich beträchtliches Defizit der Erinnerungskultur in Kärnten, zumal hier die größte Opfergruppe des Nationalsozialismus in Kärnten, die sowjetischen Kriegsgefangenen, betroffen sind. Im STALAG XVIII B wurden auch jüdische Kriegsgefangene selektiert, dann der Gestapo übergeben und im KZ Dachau sofort ermordet.“
In der Sonderausstellung wird auch auf die vielen Zwangsarbeitslager unter anderem jenes der Gestapo bei Spittal (Arbeitserziehungslager Kraut) hingewiesen. Sie sind eigens für den Autobahnbau errichtet worden. „Auch dazu gibt es kaum Forschungen und keinerlei Erinnerungszeichen vor Ort, obwohl zahlreiche Opfer zu verzeichnen waren“, betont der Historiker.
Die Ausstellung beschäftigt sich auch intensiv mit dem Partisanenwiderstand in Kärnten, Slowenien, Italien und Istrien zwischen 1943 und 1945. „Dabei weisen wir auf die Kriegsverbrechen hin, in die der Spittaler SS-Offizier Helmut Prasch involviert war. Wir thematisieren auch seine Nachkriegsbiografie und Karriere als vielfach ausgezeichneten Direktor des Volkskundemuseums in Spittal und Verfasser zahlreicher Spittaler Chroniken, bei gleichzeitigem völligen Verschweigen seiner SS-Karriere und Involvierung in Kriegsverbrechen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass genau dort, wo die Kriegsgefangenen gestorben sind, eine Straße nach ihm benannt wurde. Mittlerweile wurde die Tafel entfernt - ohne öffentliche Diskussion über die Gründe“, zeigt Pirker auf.
Das Titelsujet der Ausstellung ist ein Foto, das im März 1938 in Dellach im Drautal aufgenommen wurde. „Es zeigt die Entwürdigung des langjährigen christlichsozialen Dorflehrers Lorenz Lexer durch lokale Nationalsozialisten und Gendarmen. „Lokale Nationalsozialisten holten im März 1938, es waren die Tage der Machtübernahme der NSDAP, den ehemaligen Lehrer der Volksschule, Lorenz Lexer, von seinem Dienstort Maria Luggau im Lesachtal, wohin er 1937 versetzt worden war, um ihn öffentlich zu demütigen.
„Lorenz Lexer wurde aus dem Schuldienst entlassen. Nach der Befreiung, im Oktober 1945, nahm er seinen Beruf in der Volksschule Sirnitz im Gurktal wieder auf. Im Schuljahr 1947/48 bekam er seine alte Dienststelle in Dellach im Drautal zurück. Dort unterrichtete er an der Volksschule bis zu seinem Freitod im Jahr 1964“, schildert Pirker, der das Foto von einem seiner ehemaligen Schüler erhalten hatte.
In der Ausstellung wird außerdem Stefanie Hassler aus Dellach im Drautal porträtiert, die trotz massiver Verfolgung vom Land Kärnten völlig ungerechtfertigt als kriminell abgestempelt wurde und nie Opferfürsorge erhalten hat. Um den ermordeten Widerstandskämpfern des Oberen Drautal im Zweiten Weltkrieg eine Öffentlichkeit zu geben, initiierte der Wissenschafter als Obmann des Vereins Aegide ein von Hans-Peter Profunser gestaltetes Denkmal in Greifenburg.
Fahrradexkursion zu den Schauplätzen
Im Rahmen des Begleitprogrammes im Gedenkjahr fanden in Rangersdorf und Gmünd bereits „Tischgespräche“ zur Kriegs- und Nachkriegszeit statt. Am Samstag, dem 6. September, findet eine Fahrradexkursion zu den Schauplätzen in Spittal und Umgebung statt. Unter dem Titel „Der Lagerkosmos von Spittal an der Drau“ wird auf die Gräueltaten auf dem Gelände der heutigen Türkkaserne sowie in den Ortschaften Aich und Tangern eingegangen. Aufgrund der begrenzten Teilnehmerzahl ist die Exkursion bereits ausgebucht. Eine weitere soll folgen.