Wo früher der „singende Wirt“ musizierte und Gäste in der kleinen Urstube zusammensaßen, wird bald wieder Leben einkehren: Der Lenzerhof in Schachnern in Heiligenblut wird derzeit umfassend saniert. Dabei geht es nicht um einen Neubeginn, sondern um eine Rückkehr zu den Wurzeln – mit einer sanften Modernisierung. Inmitten unberührter Natur, mit freiem Blick über das Mölltal bis hinauf zum Großglockner, liegt der traditionsreiche Gasthof. Wer hierherkommt, lässt Hektik und Alltag weit hinter sich. Der jahrhundertealte Gasthof, einst Herzstück eines größeren Hofverbunds, steht für gelebte Geschichte – doch war in die Jahre gekommen. Nach dem Verkauf der umliegenden Gebäude blieb nur mehr der Lenzerhof selbst im Besitz der Eigentümerfamilie. Als schließlich auch die letzte Besitzerin ins Ausland zog, musste sie sich schweren Herzens von dem Haus trennen.
Doch sie wusste: Ihr Familienerbe sollte in gute Hände kommen. Diese fand sie in Ralph Pöhlmann, einem langjährigen Freund der Familie und Unternehmer aus Fürth in Deutschland. Er kennt Heiligenblut seit Kindheitstagen, pflegt seit mehr als 50 Jahren enge Verbindungen zum Ort und zur Familie, die den Lenzerhof über Generationen führte. „Als klar war, dass hier nichts mehr passiert, habe ich beschlossen: Ich lasse dieses Haus nicht verfallen“, sagt Pöhlmann. Mit viel persönlichem Einsatz setzt er nun ein Herzensprojekt um – die Wiederbelebung eines Gasthofs, der seinen ursprünglichen Charakter behalten, aber dennoch zeitgemäß ausgestattet sein soll.
Altbau mit Raffinesse
Zuständig für die Planung und Umsetzung ist der Spittaler Baumeister Leopold Steiner, ein Experte für Sanierung und Revitalisierung, der an der Donau-Universität Krems genau das studiert hat, was das Projekt nun verlangt: ein sensibles Gespür für das Alte – und die Fähigkeit, es in die heutige Zeit zu überführen. „Der Lenzerhof war das einzige Gasthaus in dieser Gegend“, erklärt Steiner beim Lokalaugenschein. Der Name „Lenzer“ selbst ist Programm. „Das heißt so viel wie schräg, nicht ganz fertig, besonders – das ist durchaus liebevoll gemeint. Und genau das wollen wir beibehalten“, betont Steiner. Dabei folgt er einem klaren Prinzip: „Schon ein bisschen zurück zum Ursprung bauen – aber halt mit modernen Ansätzen.“
Im Inneren bleibt vieles erhalten: Die sogenannte Urstube mit dem alten Ofen, dem Tellerwärmer und den traditionellen Bänken wird neu tapeziert, doch im Stil der bäuerlichen Stuben. „Ich bin auch Stückrestaurator. Die Bauern hatten früher wenig, sie haben sich einfache Ansätze von Schmuckelementen geleistet – und genauso dezent wird es wieder“, beschreibt Steiner das Konzept. Originaltüren mit Verzierungen und historischen Schlössern werden restauriert, nicht ersetzt. Auch die bemalten Schranktüren, die Möbelverzierungen und alten Böden sollen erhalten bleiben. „Die Türen sind nicht kunstvoll bemalt, aber sie haben Charakter. Da hat jemand vor vielen Jahren sein Handwerk verewigt und so soll es bestehen bleiben.“
Gasthaus mit 24 Betten geplant
Im Sinne der Sicherheit wird außen ein neues Stiegenhaus errichtet. Geplant ist, dass der Lenzerhof künftig wieder als Gasthaus betrieben wird – mit 24 Betten. Interessierte Pächter gebe es bereits, auch wenn die Lage abseits des Ortszentrums eine Herausforderung darstellt. „Die Betreiber brauchen ein spezielles Konzept. Sie müssen einfach da sein. Wenn jemand kommt, gibt es was – wenn niemand kommt, ist es halt ruhig“, beschreibt Steiner die Anforderungen. Trotz der historischen Ausrichtung wird das Gebäude technisch auf den neuesten Stand gebracht. Außen wird gedämmt und die Fassade erneuert, die Balkone sind bereits saniert worden. Die gesamte Technik im Haus wird ebenfalls auf den neuesten Stand gebracht – inklusive WLAN, dies jedoch versteckt. „Man sieht keinen WLAN-Kasten – es soll ja der urige Charakter bleiben – aber alles ist da“, sagt Steiner. Auch die Küche erhält ein modernes Pendant und wird vergrößert. Früher kochte hier der „singende Wirt“ für 40 Gäste in einer winzigen Kombüse. Nun soll eine großzügige Küche entstehen, mit modernen Geräten.
Seit dem Jahr 2019 war der Lenzerhof unbenutzt, die letzte Gewerbeberechtigung wurde 2019 eingezahlt. Für Pöhlmann, der sich trotz der schwierigen Lage zum Projekt bekannte, sei es eine Herzensangelegenheit. Und Steiner selbst? „Die Planung sowie die Behörden-Angelegenheiten laufen jetzt bereits seit eineinhalb Jahren. Es braucht viel Zeit und ist ein Haufen an Arbeit. Aber solche Projekte machen mir Freude.“ Die Verantwortung direkt vor Ort liegt ganz bei dem Baumeister. „Wir setzen auf regionale Materialien, auf Handwerk und auf Nachhaltigkeit“, so Steiner weiter. So wird unter anderem 150 Jahre altes Holz wiederverwendet, das bereits im Gebäude verbaut war. Niedrige Decken, steile Stiegen und alte Mauern machen die Arbeit zwar aufwendig, aber auch besonders. Gearbeitet wird in Eigenregie und mit kleineren, flexiblen Firmen, die Steiner persönlich kennt. Genächtigt wird während der Bauarbeiten am Hof. Steiner: „So sparen sich die Arbeiter und ich weite Anreisen. Der weitere Vorteil ist: Ich bin täglich vor Ort und kann bei Fragen oder Problemen gleich reagieren.“
So kennt er die Abläufe auf der Baustelle und kann rasch Entscheidungen treffen. Diese Unabhängigkeit sei ihm wichtig, weil etwa beim Abriss der alten Terrasse, die ursprünglich erhalten bleiben sollte, wurde der schlechte Zustand erkannt und so jetzt komplett erneuert. Hier soll dann eine große Sitzterrasse mit rund 40 Plätzen und eine zusätzliche Liegeterrasse mit Sonnenstühlen entstehen. Den Gästen wird künftig mehr Raum zum Genießen geboten – mit direktem Blick ins Panorama und der Möglichkeit, sich kulinarisch verwöhnen zu lassen. Außerdem werden sie in ihre Kindheit zurückversetzt: Coca-Cola- und Eskimo-Sonnenschirme sowie karierte Tischdecken sollen ein nostalgisches Gefühl erwecken.
Investition aus Überzeugung
Ein zusätzliches Angebot soll die „Honeymoon Suite“ werden. Ein bisher wenig genutzter Bereich wird zu einem Panorama-Domizil mit Garten und großem Balkon umgestaltet. Bestehende Elemente wie die alte Tür oder die Holzverkleidung bleiben erhalten, kombiniert mit neuen Böden und hellen Wänden. Unterhalb wird ein kleiner Kinderspielbereich eingerichtet, hier können Kinder ein „naturpur Erlebnis“ ohne Heizung, Strom und Wasser erleben. Außerdem wird in Sachen Energieversorgung und Nachhaltigkeit vorausschauend geplant: Auf dem neuen Dach wird eine Photovoltaikanlage installiert, die eine Wärmepumpe und die Fußbodenheizung betreiben soll. Ziel ist es, den oberen Bereich des Lenzerhofs künftig energieautark zu gestalten. Bewehrte Erde, eine Bauweise, die Boden mit Verstärkungselementen, wie Geogitter oder Geotextilien, kombiniert, um dessen Tragfähigkeit und Stabilität zu erhöhen, dient zur Hangsicherung. Auch E-Lade-Stationen für Autos und E-Bikes sind vorgesehen. Der Lenzerhof soll damit nicht nur ein Ort der Erholung, sondern auch ein Zeichen für zukunftsorientierte Gastfreundschaft sein. „Es ist wirtschaftlich kein rentables Projekt“, sagt Pöhlmann offen. „Aber das ist mir nicht wichtig. Mir liegt es am Herzen, dass hier wieder ein sozialer Mittelpunkt entsteht. Dass man sich trifft, ein Bier trinkt und sich austauscht. So wie früher.“
Denn rund um den Lenzerhof ist es ruhig geworden. „Von der Glocknerstraße bis Apriach gibt es fast kein Wirtshaus mehr“, erklärt Pöhlmann. Umso größer der Wunsch, wieder einen Treffpunkt zu schaffen – für Einheimische wie für Gäste. Wann der Lenzerhof fertig wird, ist derzeit noch offen. Baumeister Steiner hofft, den Innenausbau bis Ende des Jahres abzuschließen. Der Rest hängt vom Wetter ab – und davon, wann ein Pächter gefunden wird, der die Idee mit Herzblut weiterträgt. „Es ist uns sehr wichtig, dass jemand kommt, der das Vorhaben zu schätzen weiß“, sind sich Pöhlmann und Steiner einig. Als Chance für den Gasthof sieht Steiner den vorbeiführenden Alpe-Adria-Trail, so können Wanderer künftig beim Lenzerhof einkehren oder sogar nächtigen und die Etappen anders planen.
Und so entsteht auf knapp 1600 Höhenmetern ein besonderer Ort – einer, der Ursprünglichkeit mit modernen Ansätzen verbindet und dem alten Lenzerhof neues Leben einhaucht. Ein Platz zum Verweilen, der das Mölltal um eine soziale Mitte bereichert. Denn wie jeder hier weiß: Nach der roten Brücke in Winklern beginnt eine andere Welt.