Das geplante Schwallausgleichskraftwerk Kolbnitz bleibt ein emotionales Thema. Ziel des Vorhabens der Kelag ist es, die Stromproduktion aus Wasserkraft zu steigern und zugleich die sogenannten Schwall-Sunk-Effekte in der Möll zu entschärfen. Dabei handelt es sich um abrupte Wasserstandsschwankungen durch das An- und Abfahren von Turbinen, die das ökologische Gleichgewicht im Fluss beeinträchtigen. Das Projekt, dessen Kosten mit mehr als 200 Millionen Euro beziffert werden, wurde im Herbst 2022 erstmals vorgestellt.
Während die Kelag als Projektwerberin den technischen Planungsprozess in enger Abstimmung mit Gemeinden und Interessenvertretungen vorantreibt, formierte sich auf zivilgesellschaftlicher Seite die Bürgerinitiative (BI) „Retten wir die Möll“. Sie fordert alternative Lösungen, die ihrer Ansicht nach besser auf Mensch, Natur und regionale Wirtschaft abgestimmt sind.
Variantenstudie als Wendepunkt
Für neue Dynamik sorgte die von sechs Bürgermeistern aus dem Mölltal gemeinsam mit dem Tourismus- und dem Fischereiverband beauftragte Variantenstudie. Diese vergleicht drei technische Ansätze, darunter auch die sogenannte Null-Variante. Ergebnis: Der bestehende Schwallbetrieb belaste die Möll erheblich, eine technische Lösung sei notwendig. Die Kelag wurde damit in ihrem Vorhaben bekräftigt. Bei der öffentlichen Präsentation in Obervellach wurde die Studie kontrovers diskutiert. Kritiker – darunter Vertreter der Bürgerinitiative – warfen den Projektverantwortlichen mangelnde Einbindung der Bevölkerung vor. Die Analyse konzentriere sich zu stark auf energiewirtschaftliche und gewässerökologische Aspekte, während soziale, touristische und landschaftliche Folgen kaum berücksichtigt würden. Drei klare Lager zeichneten sich ab: die Kelag, eine vermittelnde Gruppe aus Bürgermeistern, Tourismus und Fischerei – sowie die ablehnende Bürgerinitiative.
Am Donnerstag übergab die Bürgerinitiative ihre Petition mit 7474 Unterschriften an Landtagspräsident Reinhart Rohr. Die damit verbundene Forderung: Stopp des Projekts und Prüfung alternativer Konzepte. „Jetzt ist die Politik am Zug“, sagte Obfrau Angelika Staats. Sprecher Rudolf Vierbauch ergänzte, dass die Entscheidung über das Projekt weitreichende Folgen für kommende Generationen habe. Kritik übte die Initiative auch an der Methodik der Studie. Diese orientiere sich an einem bundesweiten Leitfaden zur Schwall-Sunk-Sanierung, der jedoch stark von großen Energieversorgern mitgeprägt sei.
Aspekte wie Biodiversität, Mikroklima, Grund- und Trinkwasser sowie das Landschaftsbild seien unzureichend beleuchtet worden. „Es handelt sich nicht um ein Schwall-Ausgleichskraftwerk, sondern um ein Schwall-Ausleitungskraftwerk. Der ökologische Zustand der Möll würde sich durch die 17 Kilometer lange Ableitung und die massive Wasserentnahme deutlich verschlechtern,“ sagt Vierbauch.
Eigene Lösungsvorschläge der Initiative
Neben der Ablehnung präsentierte die Initiative eigene Projektideen: etwa ein hybrides Ausgleichsbecken mit Batteriepark bei Außerfragant und die Umrüstung des bestehenden Kraftwerks Gößnitz zu einem Laufkraftwerk. Sie schlägt vor, weitere Batteriespeicher kärntenweit zu installieren, wodurch die dezentrale Versorgung und Netzstabilität unterstützt wird sowie ein neues Pumpspeicherkraftwerk am Wurtenboden mit höherer Fallhöhe und geringerem Wasserbedarf. Ziel sei es, die ökologische Situation zu verbessern, ohne massiv in das Tal einzugreifen.
Zudem fordert die Bürgerinitiative klare Mindestrestwassermengen, den Schutz der Wasserrechte, keine weiteren Ableitungen im Mölltal und setzt mehr auf Photovoltaik-Ausbau. „Viele haben jetzt schon die Batterie bei sich zu Hause. Es handelt sich hier um eine ‚Win-Win-Win-Situation‘. Erster Gewinn: die Möll. Für uns der wichtigste Gewinn. Für die Kelag wäre es ebenfalls ein Gewinn. Sie kann trotzdem Spitzenstrom verkaufen, hauptsächlich aus den Batteriespeichern in Kombination mit den Turbinen. Als Drittes gewinnt das Land Kärnten. Die Energiewende soll sich auf vielen Schultern verteilen,“ sagt Arnold Angermann von der BI.
Umweltverträglichkeitsverfahren wird eingeleitet
Die Kelag bereitet derzeit die Einreichung der Umweltverträglichkeitserklärung vor. Sie bildet den Auftakt für das Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren. Projektleiter Peter Macher-Lepuschütz betont: „In diesem umfassenden Verfahren werden alle Aspekte des Projektes geprüft, auch jene, die von der Bürgerinitiative angesprochen werden.“ Aus Sicht des Unternehmens sei das Projekt ökologisch und volkswirtschaftlich sinnvoll. „Das Projekt ‚Schwall-Ausgleichskraftwerk Kolbnitz‘ löst die Schwall-Sunk-Thematik und wird in der Möll einen guten ökologischen Zustand schaffen, das hat Franz Greimel in der unabhängigen Variantenstudie bestätigt“, so Macher-Lepuschütz weiter.
Zudem sichere es die Flexibilität der Kraftwerksgruppe Fragant, erzeuge zusätzlichen erneuerbaren Strom aus Wasserkraft und trage mit Investitionen von bis zu 250 Millionen Euro zur regionalen Wertschöpfung bei. Die Kelag verweist auf zahlreiche Anpassungen im Zuge der Projektentwicklung. „Wir haben von Anfang an den Dialog mit Vertretern der Region geführt und eine Reihe von Anregungen berücksichtigt – wie etwa die dynamische Wasserabgabe in die Möll unterhalb des Kraftwerks Gößnitz, das Mitverlegen einer Trinkwasserschiene, die ins Erdreich verlegte Netzanbindung des Kraftwerkes und das Vermeiden von Baustellenverkehr in Ortszentren“, sagt der Projektleiter.
Zwischen den Fronten
Zwischen der Kelag und der BI positionieren sich die Bürgermeister des Mölltals. Stefan Schupfer, Bürgermeister von Reißeck und Sprecher der Bürgermeister, stellt klar: „Wir wollen keine Entscheidungen über die Köpfe der Bevölkerung hinweg fällen, sondern gemeinsam tragfähige Lösungen finden.“ Die von ihnen mitbeauftragte Studie sei objektiv nach bundesweitem Standard erstellt worden. Dass nicht alle Themen darin umfassend behandelt werden konnten, sei bekannt – dafür diene das bevorstehende Umweltverträglichkeitsverfahren. Schupfer begrüßt den Dialog mit der Bürgerinitiative und sieht inhaltliche Schnittmengen. „Nun gilt es, die gewonnenen Informationen in den Gemeindegremien zu diskutieren“, sagt Schupfer.
Wie es weitergeht
In den kommenden Tagen will die Kelag die Ergebnisse der Variantenstudie und weitere Projektunterlagen in das Umweltverträglichkeitsverfahren einbringen. Macher-Lepuschütz: „Wir entwickeln das Projekt seit drei Jahren gemeinsam mit Gemeinden und Stakeholdern. Viele Punkte aus der Bevölkerung sind bereits eingeflossen. Die Umweltverträglichkeitserklärung enthält darüber hinaus zahlreiche Fachgutachten aus 26 Disziplinen, die sich mit Mensch, Raum, Tal und weiteren Aspekten detailliert befassen werden.“ Die Öffentlichkeit wird dabei beteiligt. Mit der Übergabe der Petition ist auch die Landespolitik stärker in den Fokus gerückt: Die Petition wird dem Kärntner Petitionsausschuss vorgelegt. Fest steht: „Wir sprechen uns alle für einen gemeinsamen Dialog aus und wollen miteinander eine Lösung finden sowie alle hoffentlich letztendlich an einem Strang ziehen“, sind sich alle drei Parteien einig.