„Es ist ein großer, wegweisender Erfolg für den klima-adaptiven Artenschutz. Die Freude ist groß“, sagt Johannes Fritz, Leiter des Waldrappteams, der es gleichsam als historischen Moment bezeichnet: Erstmals ist ein Waldrapp, der vor zwei Jahren im Zuge der menschengeführten Migration nach Andalusien geflogen ist, selbstständig an den Bodensee zurückgekehrt. „Dr. Saurier“, so der Name des 2023 im Tierpark Rosegg geschlüpften Waldrapps, hat eigenständig die mehr als 3200 Kilometer an den Bodensee zurückgelegt.
Das Weibchen - das Geschlecht wird nämlich erst später genetisch bestimmt - ist am 21. April gestartet und traf am 25. Mai in Überlingen am Bodensee ein. An jenem Ort, wo die damals 35 jungen Waldrappe aus Rosegg auf ihre große Reise vorbereitet worden sind, und wo künftig auch deren Brutgebiet sein wird. Die vier Wochen dauernde Reise sei „typisch für subadulte Waldrappe“, so Fritz: „Diese lassen sich Zeit.“
Es sei nicht auszuschließen, dass andere Vögel es „Dr. Saurier“ nachmachen werden. Da die Vögel besendert sind, kann ihr Standort nachverfolgt werden. Ein weiterer Waldrapp war ebenfalls schon auf dem Weg. „Dieser ist allerdings in Lyon an einem Stromschlag gestorben“, sagt Fritz.
Emotionales Wiedersehen
In Überlingen kam es am 28. Mai auch zu einem Wiedersehen mit den beiden Ziehmüttern der damaligen Migration, Helena Wehner und Barbara Steininger. „Dr. Saurier“ kam ihren Zieheltern „mit freudigem ,Chrup-Chrup‘-Rufen und Kopfnicken entgegengelaufen“. Seit Dezember 2023 hatte der Waldrapp keinen Kontakt mehr zu den beiden Frauen. Das Wiedersehen wurde kurz gehalten, da die Vögel nicht an Menschen gewöhnt werden sollen, so Fritz.
Der seltene Vogel, der einst durch Überjagung verschwunden war, wird im Rahmen eines Artenschutzprojektes in Europa wiederangesiedelt. Ging die menschengeführte Migration über Jahre in die Toskana, so wurde 2023 mit Andalusien eine neue Route für das Wintergebiet erschlossen. Die zweite Zugroute musste aufgrund des Klimawandels gewählt werden. Fritz: „Die Zugvögel starten im Herbst aufgrund der immer ausgedehnteren Wärmeperioden immer später und haben dann mangels Thermik zunehmend Probleme, die Alpen zu überfliegen.“ Funde würden aber belegen, dass die Route nach Spanien über Jahrtausende bereits beflogen wurde, bevor diese Vogelart in Europa ausgerottet wurde.
Auch heuer werden in Rosegg geschlüpfte Vögel nach Andalusien migrieren. Sie werden gerade in Deutschland auf ihre große Reise vorbereitet. In Kürze wird mit dem Flugtraining begonnen.