Lea Reheis steht mit einem Putztuch auf einer Leiter vor einem Bus der Kärntner Linien und wischt damit fein säuberlich die Windschutzscheibe ab. Was aussieht wie die regelmäßige Busreinigung, ist in Wahrheit Teil eines wissenschaftlichen Projekts. Denn was die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Innsbruck danach mit dem Putztuch macht, hat mit einer klassischen Reinigung nichts mehr zu tun. Sie filtert kleinste Teilchen aus dem Schmutz und sichert so die DNA von hunderten Insekten, die sich im Laufe des Tages auf der Windschutzscheibe gesammelt haben.
Was das bringt? „Denn derzeit muss man für ein Insektenmonitoring eigene Fallen aufstellen. Das ist aufwändig und man ist örtlich eingeschränkt. Das Insekten-Busmonitoring (IBM) hingegen bietet erstmals eine großflächigere Dokumentation der in Österreich vorkommenden Fluginsekten-Bestände und ihrer Artenvielfalt“, erklärt Projektleiter Michael Traugott vom Institut für Zoologie der Universität Innsbruck, der gemeinsam mit Marjana Ljubisavljevic und seinem Team auch mit der Abteilung für Angewandte Tierökologie zusammenarbeitet.
In vier Bundesländern
Nach einem ersten Pilotversuch in Tirol wurde die Studie auf vier Bundesländer - Kärnten, Tirol, Ober- und Niederösterreich - ausgerollt. Durch die Kooperation mit den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) und der Postbus AG haben die Forscherinnen und Forscher die Möglichkeit, in regelmäßigen Abständen Proben von den Busscheiben zu nehmen. Im Sommer wurden drei Mal pro Monat Proben entnommen. Um eine möglichst gute Streuung zu haben, wurden Busse im Stadtverkehr, in ländlichen Regionen und in den Bergen beprobt.
In Kärnten waren das etwa die Buslinien im Stadtverkehr Spittal/Drau, im Mölltal, am Millstättersee und im unteren Drautal. Sobald diese am jeweiligen Probetag am Postbusbahnhof in Spittal/Drau ankommen, beginnt Lea Reheis mit ihrer Arbeit. Nachdem sie die Insektenreste mit dem Tuch abgewischt hat, kommen diese in einen Eimer. Anschließend zieht sie ihre Laborhandschuhe an und schließt eine Pumpe an, die die Flüssigkeit durch einen Filter transportiert. Damit die DNA nicht verloren geht, wird in die Probe eine Pufferflüssigkeit injiziert, die dafür sorgt, dass die DNA auch erhalten bleibt. Anschließend packt Reheis ihre Utensilien sowie die Probe zusammen und macht sich auf den Weg zurück nach Innsbruck.
Von Mure überrascht
Die Beprobungen, die nun abgeschlossen sind, bargen auch einige Tücken. „Wir suchten uns für die Beprobung immer Tage aus, an denen Schönwetter vorhergesagt ist. Aber das muss natürlich nicht immer zutreffen“, erklärt Ljubisavljevic. Mehrmals kamen Busse nicht oder verspätet, weil sie in ein Gewitter geraten waren. Weil dabei der Scheibenwischer viele Insekten weggewischt hatte, fielen die Ergebnisse weniger ergiebig aus. Und manchmal fiel die Beprobung ganz aus: „In Tirol warteten wir einmal lange auf einen Bus, der nicht ankam. Plötzlich hieß es, der steht am Berg. Dort war eine Mure abgegangen.“ Sechs Meter hohe Geröllmassen verlegten die Straße und das ganze Tal war gesperrt.
Beprobung abgeschlossen
Die Probephase ist nun abgeschlossen. Im Oktober werden alle Proben im Labor untersucht. Anschließend dauert es noch mehrere Monate, bis die Ergebnisse analysiert und validiert wurden. Was man schon jetzt weiß: „Man wird sicher die DNA von mehreren hundert Insektenarten feststellen können, darunter auch invasive und geschützte Arten. Beim Pilotversuch konnten wir auch die DNA von anderen Tieren, wie Vögeln und Reptilien, nachweisen. Aber darauf liegt nicht unser Fokus“, erklärt Traugott.
Die so Ergebnisse könnten dann etwa Behörden oder Forschungsinstituten zur Verfügung gestellt werden, die daraus zum Beispiel Maßnahmen zur Eindämmung von invasiven Stechmückenarten, die gefährliche Krankheiten verbreiten, oder Schutzmaßnahmen für gefährdete Arten ableiten können. Traugott und sein Team hoffen daher, dass das Monitoring, das vom Klimaschutz- und Umweltministerium über den Biodiversitätsfonds und durch NextGenerationEU-Mittel finanziert wird, fix installiert und in Zukunft regelmäßig - zumindest einmal pro Jahr - durchgeführt wird.