Innovativer, begehrter und profitabler als Mercedes und BMW wollte Audi stets sein, und zwischendurch gelang es der Marke mit den vier Ringen auch. Die Premium-Schmiede des Volkswagen-Konzerns, vor 30 Jahren von Ferdinand Piëch entstaubt und später von Martin Winterkorn veredelt, genoss als Filetstück und wichtigster Ertragsbringer lange Zeit eine Sonderstellung in Wolfsburg. Doch seit Auffliegen des Dieselskandalsvor vier Jahren ist in Ingolstadt nichts mehr, wie es einmal war.

Der größte Kriminalfall der Automobilgeschichte, in dem Audi eine Hauptrolle gespielt haben soll, hat nicht nur das Image der erfolgsverwöhnten Marke ramponiert, sondern als Folge die verlässliche Cashcow des Auto-Riesen auch auf Talfahrt geschickt: Der Absatz sinkt, die Marge bröckelt und vorn ziehen Mercedes und BMW immer weiter davon.

Zwar gilt Audi noch nicht als klassischer Sanierungsfall, weil immer noch Geld mit exquisiten Autos verdient wird. Doch weit schien man davon nicht mehr entfernt gewesen zu sein. Deshalb griff die Konzernmutter aus Wolfsburg den Ingolstädtern nun massiv ins Lenkrad. So hat Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess, der auch Aufsichtsratsvorsitzender von Audi ist, mehr oder weniger den Reset-Knopf gedrückt.

Nach mehrmonatigen Verhandlungen mit dem Betriebsrat hat Diess ein Zukunftspaket geschnürt, das ein radikales Sparprogramm und den Abbau von 9500 Stellen vorsieht. Zudem soll ein neues schlagkräftiges Führungsteam den schwächelnden Autobauer wieder auf Kurs bringen. Diess tauscht in der Chefetage nahezu das gesamte Personal aus. An der Spitze wird ab 1. April der frühere BMW-Manager Markus Duesmann (50) stehen. Mit Hildegard Wortmann und Sabine Maaßen sitzen erstmals zwei Frauen im Audi-Vorstand.

Soll es richten: der neue Audi-Boss Markus Duesmann
Soll es richten: der neue Audi-Boss Markus Duesmann © AP (Matthias Schrader)

Die Restrukturierung kommt für Branchenkenner keine Sekunde zu früh. Im Gegenteil. Die Eigentümer-Vertreter von Volkswagen müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, den Schnitt zu spät autorisiert zu haben. Gemeint ist damit das Festhalten am langjährigen Audi-Chef Rupert Stadler, der auch nach dem Aufdecken des Skandals noch fast drei Jahre im Amt blieb, ohne den Betrug wirklich aufgeklärt zu haben. Das zumindest wirft ihm die Staatsanwaltschaft München vor, die ihn angeklagt hat.

In dieser Zeit kam Audi nicht aus den Schlagzeilen und verlor schwer an Boden. Speziell die Inhaftierung des Audi-Chefs, der 2018 vier Monate in U-Haft sass, lähmte das Unternehmen nachhaltig. Entwicklungen wurden aufgeschoben, Innovationen gab es nur spärlich. Entwicklungsvorstände wechselten im Jahrestakt. Fatal für eine ingenieursgetriebene Marke, die sich über den „Vorsprung durch Technik“ definierte und den Slogan stets wie eine Fahne vor sich her trug.

Konzern-Boss Diess fordert vom neuen Team ein, "Vorsprung durch Technik zur unmissverständlichen Handlungsmaxime bei Audi zu machen“. Die Umsatzrendite, die sich seit 2012 auf sechs Prozent halbiert hat, soll wieder zweistellig werden. Und mittelfristig will Wolfsburg seine Tochter auch wieder auf Augenhöhe mit Mercedes und BMW sehen.

Richten soll es ab dem Frühjahr Markus Duesmann. Dem Maschinenbauer aus Westfalen, der früher bei Daimler werkte und zuletzt bei BMW als Einkaufschef im Vorstand saß, eilt ein exzellenter Ruf als Allrounder voraus. Der Druck ist groß, eine Schonfrist beim Neustart gibt es nicht. Die Milliarden der Einsparungen fließen in die Elektrifizierung und Digitalisierung. Und in neue Produkte, die Audi am Markt wieder begehrenswert machen sollen – wobei der Fokus auf SUV in allen Klassen und allen Antriebsformen liegt.

Mit einer breit aufgestellten Elektroauto-Strategie folgt Audi zunehmend bedingungslos dem VW-Konzerndiktat und riskiert viel. Bis 2025 will die Marke mit den vier Ringen ein Drittel des Portfolios elektrisch betreiben. Bis dahin möchte man mehr als 30 Modelle mit Stecker anbieten. In Los Angeles servierte Audi mit dem e-tron Sportback sein zweites Elektroauto, im nächsten Jahr folgt der Q4 e-tron und mit dem GT der erste elektrische Audi-Sportwagen mit Porsche-Taycan-Technik.

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