Als Chef von TUI Österreich waren Sie es gewohnt, teilweise mehrmals die Woche in ein Flugzeug zu steigen und weltweit unterwegs zu sein. Wie erlebt man da ein Homeoffice?
GOTTFRIED MATH: Ich bin jetzt seit exakt zwei Monaten im Homeoffice. Erst in den letzten drei Wochen bin ich tageweise wieder in die Zentrale nach Wien gefahren. Es ist ein komisches Gefühl, wir haben dort an sich rund 150 Mitarbeiter, derzeit ist keiner da. Die erste Zeit war von akutem Krisenmanagement geprägt, die oberste Prämisse war, Kunden zurück nach Österreich zu holen. Mittlerweile sind wir aber so weit, dass wir uns intensiv mit der Frage auseinandersetzen können, wohin es jetzt geht und wie wir das Geschäft wieder voranbringen.

Es gibt erste Pläne für Grenzöffnungen innerhalb Europas – wie blicken Sie dem entgegen?
Wir blicken diesen Öffnungen sehr, sehr hoffnungsvoll entgegen. Unsere Branche erlebt seit zwei Monaten einen völligen Stillstand, keine Umsätze, kein Geschäft. Wir hoffen jetzt, dass sich das durch diese Grenzöffnungen wieder ändert. Entscheidend ist, dass das geordnet abläuft. Es braucht eine europaweite und einheitliche Koordination für Grenzöffnungen und Reisefreiheit. Ich bin aber zuversichtlich, dass es hier einen stufenweisen Plan geben wird.

In dieser Woche hat der TUI-Konzern ein Sparpaket mit einem Stellenabbau angekündigt. Wird das auch Österreich betreffen?
Dieses Sparpaket wird konzernweit rund 8000 Stellen betreffen, die nicht besetzt oder abgebaut werden – von 70.000 Mitarbeitern, die wir weltweit im Konzern haben. Das Ausmaß für Österreich ist noch nicht bekannt, wir schauen uns jetzt die Organisationseinheiten an, es wird sicher so sein, dass wir uns darüber Gedanken machen müssen, wie die TUI Österreich nach der Krise aussehen wird.

Ist das Jahr für die Reisebranche bereits gelaufen?
Wir sehen das nicht so, es ist noch nicht ganz gelaufen. Im Juni starten wir mit Reisen innerhalb Österreichs. Durch die nun angekündigte Aufhebung von Reisebeschränkungen gehen wir davon aus, dass ab Juli, August noch weitere Destinationen hinzukommen.

Was muss passieren, dass die Reiselust wieder steigt?
Man merkt, dass die Urlaubslust wieder steigt. Es gibt schon Buchungen für den Winter, teilweise auch schon für den Sommer 2021. Es gibt Urlaubshungrige, die reisen wollen. Die generelle Reisewarnung, die Österreich ausgesprochen hat, die muss für gewisse Destinationen wieder fallen, das kann durchaus schrittweise erfolgen für Länder mit niedrigen Infektionszahlen.

Welche Länder könnten sich für den Sommerurlaub eignen?
Mitte Juni kommt es nun einmal zur Öffnung zu Deutschland und zur Schweiz. Wir beobachten sehr genau Destinationen wie Griechenland und Kroatien, eventuell auch Spanien, hier vor allem Mallorca, da könnte ich mir vorstellen, dass die schon im Juli bereit sind für Tourismus. Wir haben zuletzt aber auch unser Österreich-Angebot ganz massiv beworben.

Werden wir heuer auch Urlaub am Meer verbringen können, glauben Sie daran?
Ja, da bin ich mir sicher. Ein Urlaub am Meer wird möglich sein.

Was raten Sie Kunden?
Ganz entscheidend ist, dass sich Kunden beim Buchen sicher fühlen. Wir haben die Möglichkeit geschaffen, dass bis 14 Tage vor Reiseantritt kostenlos storniert oder umgebucht werden kann. Der Kunde braucht Flexibilität, die müssen wir bieten.

Wie bringt man die Menschen wieder in Flugzeuge?
Das beginnt bei einem geordneten Check-in mit Sicherheitsabstand. Es ist davon auszugehen, dass jeder Passagier an Bord einen Mund-Nasen-Schutz tragen muss, weil: Jede zweite Reihe freizulassen, wird wirtschaftlich weder für Fluglinien noch für die Veranstalter tragbar sein. Bei den Destinationen wird es sich 2020 wohl eher auf Nahziele in Europa konzentrieren, Fernreisen werden schwierig werden, das kann ich mir maximal für Geschäftsreisende vorstellen.

Viele Reiseveranstalter und Reisebüros fürchten eine Insolvenzwelle. Zurecht?
Es wird in der Branche kein Stein auf dem anderen bleiben. Es wird zu einer Konsolidierung kommen. Vor allem viele kleine Unternehmen stehen vor einer extrem schwierigen Liquiditätssituation. Die Verhandlungen mit der Bundesregierung sind auf einem guten Weg und es ist ein Unterstützungspaket zu erwarten. Dennoch wird für es für manche schwierig werden diese Krise zu überleben, abhängig davon, wie schnell die Reisefreiheit zurückgewonnen werden kann. Wir sprechen da von 10.000 Mitarbeitern, 2100 Reisebüros und etwa 750 Reiseveranstalter-Organisationen.

Es gibt Kritik über ausbleibende staatliche Hilfen – fühlt sich die Branche im Stich gelassen?
Die Forderung der Branche lautet ganz klar, dass wir, also der Bereich der Reisebüros und Reiseveranstalter, endlich einen eigenen Schutzschirm bekommen. Die Probleme der Reisebranche sind mittlerweile in der Regierung angekommen und wir werden zwischenzeitlich ernst genommen. Bisher standen die österreichische Hotellerie und Gastronomie im Fokus.

Was müsste dieser Schutzschirm beinhalten?
Es müsste sich um eine nicht rückzahlbare Finanzierung handeln. Bei der Fixkostenabdeckung müssten auch die Kosten für das Personal enthalten sein. Man muss sich vorstellen, dass wir von Mitte März bis aktuell enorme Kosten für Absagen und Stornierungen hatten, die müssten dort auch abgedeckt werden. Auch die Kurzarbeit muss über die nun möglichen drei plus drei Monate hinaus verlängert werden können. Ein Reise-Bonus für alle Österreicher, der in jedem heimischen Reisebüro eingelöst werden kann, wäre zusätzlich auch sehr hilfreich.

GOTTFRIED MATH
GOTTFRIED MATH © (c) Juergen Fuchs (FUCHS Juergen)

Wird es einen Neustart mit extremen Lockangeboten geben?
Nein, es wird Last-Minute-Angebote geben, wie in den vergangenen Jahren, aber keine extremen Lockangebote.

Wie verfolgen Sie die Dramatik, die sich auch in der Luftfahrtbranche abspielt?
Die ist in einer ähnlich schwierigen Situation wie wir. Sie ist auch auf unsere Aufträge angewiesen, bislang hatten wir da sehr gute Übereinkommen erzielt, auch hinsichtlich der Absagen und der ersten Planungen für den Sommer. Momentan haben wir ja derzeit ein sehr hohes Risiko, wir können ja noch nicht wirklich abschätzen, wie es im Juli etwa mit Griechenland aussieht. Da gibt es gute Gespräche mit den Airlines, die ja auch bestrebt sind, dass wir das wieder gemeinsam hochfahren. Bei Kreuzfahrten wird das Hochfahren noch länger dauern.

Wie verfolgen Sie die Zitterpartie rund um die AUA-Rettung mit Staatshilfe?
Verlässliche Partner sind für uns ganz wichtig, das war die AUA immer. Daher würde ich es natürlich begrüßen, wenn es die AUA weiterhin gibt, gerade auch für das Drehkreuz Wien, aber auch für die Bundesländer-Flughäfen.