„Es wird nicht leicht“, sagte Mario Ferrari Mittwochvormittag – kurz bevor sich hinter den Verhandlungsteams in der Wirtschaftskammer die Türen schlossen. Der Chefverhandler der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) fügte hinzu: „Es gibt Diskussionsbedarf. Gemmas an.“
Damit starteten die Sozialpartner in die erste Runde der Kollektivvertragsverhandlungen für 430.000 Angestellte und 20.000 Lehrlinge im Handel. Ferraris Gegenüber, Rainer Trefelik, Handelsobmann in der WK und Arbeitgebervertreter, stimmte zu. „Einen Abschluss noch heute wird es nicht geben.“ Zu weit liegen die Positionen auseinander. Nach sieben Stunden trennten sich die Parteien wieder, ohne Ergebnis.
Gewerkschaft will mehr als eine Inflationsabgeltung
Eigentlich hatte sich der Handel im Vorjahr auf einen Zweijahresabschluss geeinigt, doch die hohe Inflation zwingt die Sozialpartner zurück an den Verhandlungstisch. Bei drei Prozent rollierender Inflation zwischen Oktober 2024 und September 2025 war vereinbart, dass die KV-Erhöhung für 2026 neu ausgemacht werden muss.
Im Vorfeld legte sich die GPA fest, dass man mehr erwarte als eine Inflationsabgeltung, also mehr als drei Prozent. Heuer lag man darunter, 2024 ebenso, 2023 und 2022 knapp darüber (siehe Grafik). Ob die Arbeitnehmervertreter ihr Verhandlungsziel erreichen können? Die Metaller, der öffentliche Dienst, ja sogar die Pensionisten müssen sich mit weniger als der Teuerungsrate bescheiden. Die Wirtschaftskammer ruderte nach der Aufregung um das geplante 4,2-prozentige Gehaltsplus zurück, nun gibt es nur die Hälfte. Doch die öffentliche Debatte über die WKÖ-Gehälter werde „atmosphärisch“ keinen Einfluss auf die KV-Verhandlungen haben, betonten Ferrari und Trefelik.
Ferrari ortet einen leichten wirtschaftlichen Aufschwung, der es möglich machen sollte, eine „gute Gehaltserhöhung“ für die Handelsangestellten zu erzielen. Indes rückt Trefelik den Fokus auf ein Österreich, das sich „mühsam aus der Rezession schleppt“. Dem Argument, dass ein Gehaltsplus für Handelsmitarbeiter direkt wieder dem Handel zugute komme (Ferrari: „Unsere Leute geben das Geld im Konsum aus“) hält Trefelik Untersuchungen entgegen, denen zufolge maximal ein Drittel der Summe wieder in den Handel zurückfließe. Die Branche habe mit der Rentabilität und dem Erhalt der Betriebe zu kämpfen.
Ist der Einzelhandel tatsächlich in einer „Dauerkrise“, wie die Unternehmen vor und während KV-Verhandlungen betonen? Richtig ist, dass die Branche überproportional häufig von Pleiten betroffen war. Auch in dem von der KMU Forschung Austria verfassten „Jahrbuch Handel“ (im Auftrag des Handelsverbandes) wird ein düsteres Bild gezeichnet: 2024 wurden demnach im Schnitt vier (!) Insolvenzen pro Werktag verzeichnet. Die Schließungsquote sei mit 6,5 Prozent höher als die Neugründungsquote von sechs Prozent. Die Krise betrifft insbesondere das Non-Food-Segment, doch Ausnahmen, siehe Unimarkt, bestätigen die Regel. Heuer gab es andererseits auch Zeichen einer zarten Erholung. Von April bis Juli fuhr der Handel wieder ein reales Erlösplus ein, im August gab es laut Statistik Austria aber wieder ein reales Umsatzminus. Für Ferrari steht der Handel „besser da als ursprünglich prognostiziert“.
Der GPA geht es um mehr als das Plus am Lohnzettel. Sie fordert das Recht auf Aufstockung der Arbeitszeit von Teilzeitkräften, wenn regelmäßig Mehrarbeit geleistet wird, und eine 50-prozentige Zuschlagsregelung ab der ersten Mehrarbeitsstunde. Eine weitere Forderung sind zusätzliche dauerhafte Freizeittage – ab fünf Dienstjahren bei einem Arbeitgeber einen Tag, ab zehn Dienstjahren zwei Arbeitstage und ab 15 Dienstjahren drei Arbeitstage. Trefelik hält das für eine Frage der Leistbarkeit, die Urlaubsforderung ist für ihn „nicht leicht nachvollziehbar“: Aus einer Rezession komme man doch nicht mit „mehr Urlaub“ heraus. Die nächste Runde ist am 13. November.