Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am heutigen Donnerstag die Leitzinsen erneut gesenkt. Der Rückgang der Inflationsrate im Mai unter das Inflationsziel von zwei Prozent verstärkte bereits im Vorfeld entsprechende Erwartungen. Spannend werden daher – einmal mehr – vor allem die Signale von Notenbank-Präsidentin Christine Lagarde für das weitere Vorgehen.

Der Einlagensatz ist damit auf 2,00 Prozent gefallen. Seit Juni 2024 ist dies die achte Senkung. An den Finanzmärkten galt der Zinsschritt bereits als vollständig eingepreist, in Umfragen unter Ökonominnen und Ökonomen sind zuletzt mehr als 90 Prozent von einer Senkung ausgegangen.

US-Zollkonflikt sorgt für schwieriges Umfeld

Der von den USA ausgelöste Zollkonflikt sorgt für ein schwieriges Umfeld für die EZB. Die Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump ist erratisch und schwer vorherzusehen. Zuletzt drohte er der EU, die Zölle auf 50 Prozent anzuheben. Eine Verhandlungslösung ist nicht in Sicht. Die Notenbank hat angesichts der hohen Unsicherheit immer ihre Datenabhängigkeit betont und sich nicht längerfristig festgelegt.

Die EZB veröffentlicht auch ihre Prognosen für die Inflation und das Wirtschaftswachstum. „Für eine Zinssenkung im Juni spricht auch, dass die EZB-Ökonomen ihre Prognosen angesichts des Handelskonflikts mit den USA und den in dessen Zuge angedrohten deutlich höheren US-Zöllen senken werden, und zwar sowohl für das Wirtschaftswachstum als auch für die Inflation im laufenden Jahr“, kommentierte Commerzbank-Ökonom Marco Wagner. „Hinzu kommt der seit einigen Wochen stärkere Euro, der die Ausfuhren der Euroländer in Drittländer verteuert.“ Gleichzeitig würden importierte Güter wie Rohöl billiger, was die Inflation senke.

Geringe Inflation spricht für Zinssenkung

Für eine Leitzinssenkung spricht die Inflationsentwicklung in der Eurozone im Mai. Die Inflationsrate fiel auf 1,9 Prozent und damit unter das mittelfristige Ziel der EZB von zwei Prozent. Der Rückgang war stärker als erwartet. Auch die stark beachtete Kernrate, bei der schwankungsanfällige Preise für Energie-, Nahrungs- und Genussmittel herausgerechnet werden, gab merklich nach. „Die EZB hat für eine Zinssenkung grünes Licht“, kommentierte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank.

„Für eine Zinssenkung im Juni spricht auch, dass die EZB-Ökonomen ihre Prognosen angesichts des Handelskonflikts mit den USA und den in dessen Zuge angedrohten deutlich höheren US-Zöllen senken werden, und zwar sowohl für das Wirtschaftswachstum als auch für die Inflation im laufenden Jahr“, kommentierte Commerzbank-Ökonom Marco Wagner. „Hinzu kommt der seit einigen Wochen stärkere Euro, der die Ausfuhren der Euroländer in Drittländer verteuert.“ Gleichzeitig würden importierte Güter wie Rohöl verbilligt, was die Inflation senke.

Dienstleistungssektor leidet noch unter Teuerung

Das weitere Vorgehen der EZB nach diesem Donnerstag ist ungewiss. „Ob es dann unmittelbar mit weiteren Zinssenkungen weitergeht, bleibt unterdessen fraglich“, sagte Gitzel. Er verweist auf die immer noch hohe Teuerung im Dienstleistungssektor. „Es ist deshalb durchaus möglich, dass die EZB nach dem Erreichen eines Einlagensatzes von zwei Prozent zunächst eine Pause einlegen wird.“

Auch jüngste EZB-Aussagen haben weitergehende Zinssenkungsspekulationen gedämpft. „Nach der letzten Zinssenkung im April haben einige EZB-Mitglieder ein künftig vorsichtigeres geldpolitisches Vorgehen signalisiert“, kommentierte Michael Krautzberger, Investmentstratege bei Allianz Global Investors. „Kurzfristig überwiegen die Risiken und damit die Argumente für eine weitere Zinssenkung, insbesondere wenn sich der Handelskrieg zwischen den USA und der EU verschärft.“ Die EZB nähere sich aber trotzdem dem Ende des Lockerungszyklus. „Im zweiten Halbjahr könnte sich der Fokus der Märkte von der Zolldiskussion auf die Umsetzung des deutschen Konjunkturpakets und dessen Auswirkungen auf das Wachstum in Europa nach 2025 verlagern.“